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Nostalgiefahrt der Dampfbahn Furka-Bergstrecke – mit dem neuen Mann an der Spitze

Es zischt, braust und ruckt – ein letztes Mal in diesem Jahr. Zum Saisonabschluss zogen unter der Führung des neuen Verwaltungspräsidenten Peter F. Amacher aus Böju vier Wagen voller Bahnfans in historischen Kostümen von Realp nach Disentis und zurück.

Es zischt, braust und ruckt. Die Dampffahne ist von weither unverkennbar. Schon bei der Ausfahrt in Andermatt folgen Dutzende von Schaulustigen dem Spektakel. Fenster werden geöffnet, Handys gezückt und auf freiem Feld Stative installiert. Der Reiz der Dampfnostalgie fesselt Jung und Alt. In den Steigungen bis 110 Promille gilt es eine Anhängelast von knapp 60 Tonnen den Berg hochzuziehen: vier Wagen voller begeisterter Bahnfans in historischen Kostümen.

Heizer Benno Simmen hat alle Hände voll zu tun. Immer wieder schaufelt er Steinkohle auf den Rost der Feuerbüchse. Bis zum Ende des Tages werden es über eine Tonne sein. Die Überwachung des Kesseldrucks mit 14 Bar gehört weiter zu seinen anspruchsvollen Arbeiten. Ein besonderes Augenmerk muss Lokomotivführer Oliver Studer auf die Zahnstangen-Einfahrten werfen. Ihm obliegt auch die Bedienung des Dampfregulators für den Antrieb sowie die Anwendung der automatischen Vakuum- und der verschleissfreien Gegendruckbremse. Zur fachkundigen Unterstützung begleitet ortskundiges Personal der Matterhorn-Gotthard-Bahn die Sonderfahrt der DFB. 600 Höhenmeter sind es bis zum Oberalppass. Auf dem nahen Strassenrand sind viele Autos parkiert. Fröhliche Gesichter winken den Fahrgästen zu. Im wahrsten Sinne des Wortes wird die gute alte Zeit wahr. Die Kostüme aus der Belle Époque tragen das Ihrige bei.

Verwaltungsratspräsident der DFB, Peter F. Amacher, freut sich mit Lokführer Oliver Studer über die gelungene Nostalgiefahrt.
Bild: René Fuchs

Draussen nieselt es. Die Bergketten sind mit einem weissen Hauch überzogen. Und trotz aller Nostalgie folgt ein topmodernes Feuerwehrauto auf der nahen Strasse. Beim Halt auf dem Oberalppass löst sich das Rätsel: Drei Kubikmeter Kesselwasser gilt es durch die Stützpunktfeuerwehr Andermatt im Wasserkasten der Lok aufzufüllen. Ab jetzt werden die «Pumpiers Sursassiala» diese Aufgabe samt dem Brandschutz entlang der Eisenbahnstrecke in Graubünden übernehmen. Der Föderalismus gehört zur Schweiz.

Die Beine sind vertreten, das Kesselwasser aufgefüllt und weiter geht die Fahrt Richtung Sedrun. Erste Sonnenstrahlen zeigen sich. Die zahlreichen Hobbyfotografen atmen auf. Denn bald steht ein weiterer Höhepunkt auf dem Programm: die Vorbeifahrt auf dem Viadukt Val Bugnei. Mit neun Bogen überspannt es das Tobel auf 120 Metern Länge. Pfeifend hält der Zug auf offener Strecke an. Die Reisenden strömen zum nahen Aussichtspunkt und bilden eine Fotolinie. Kurz danach fährt der Zug zurück und überquert erneut mit Volldampf das Viadukt. Ein Foto folgt dem nächsten. Die Ausbeute ist bei manchen gross.

Passagiere aus der Schweiz aber auch aus Nordamerika

Ein Ländlertrio spielt zwei Stunden später vor der wartenden Dampflok im Bahnhof Disentis auf. Die edlen Herrschaften werden vom Zugpersonal gebeten, wieder den Platz in der 1.–3. Klasse einzunehmen. Für Karl Reichenbach, Geschäftsleiter der Dampfbahn Furka-Bergstrecke (DFB) endet heute mit dieser Nostalgiefahrt ausserhalb der Furka-Bergstrecke die Saison. 25’648 Passagiere durfte das Bahnunternehmen DFB 2023 zählen. 200 mehr als letztes Jahr, obwohl diese Saison wegen einer Streckenerneuerung acht Tage kürzer gewesen ist. «Meine Kernaufgabe ist es, dass das Platzangebot und der Umsatz stimmen und die Gäste zufrieden sind», hält er fest.

92 Prozent der Passagiere stammten aus der Schweiz. Dazu gesellten sich Touristen aus Deutschland, Holland, England und zunehmend aus Nordamerika und Asien. Das Unternehmen zählt 444 Mitarbeiter, die zehn und mehr Tage im Jahr Frondienst leisten und ein Dutzend Festangestellte. «Ohne die Bahnbegeisterung all der Freiwilligen vor Ort gäbe es die DFB seit 1983 gar nicht», sagt Reichenbach mit grosser Wertschätzung. Gesamthaft weisen die zehn Schweizer, neun deutschen und die niederländische Sektion rund 7000 Vereinsmitglieder auf. So wurden zum Beispiel alle Reisezugwagen durch die Werkstätte der Furkabahn in Aarau mit viel Sachverstand und Leidenschaft in Abertausenden von Stunden restauriert. Neben einer elektrischen Beleuchtung mit Dynamo und Riemenantrieb verfügen sie über Dachlüfter, grosse Senkfenster und eine Dampfheizung.

Er baute sein eigenes Dampfboot

Flott zieht die Berglandschaft vorüber. Auf der Adhäsionsstrecke beträgt die Höchstgeschwindigkeit 45 km/h, im Zahnradbereich 20 km/h. Die Stimmung in den Wagen ist grossartig. Die Zeit scheint bis zum Oberalppass stillzustehen.

Zeit für Peter F. Amacher, seit diesem Jahr umsichtiger Verwaltungsratspräsident der DFB, allen Reisenden in den vier Waggons und dem Zugpersonal herzlich zu danken. Ein grosser Applaus ist ihm gewiss. Seit seiner Kindheit ist der Böjuer von Dampfmaschinen fasziniert. Als Sohn eines Dampflokomotivführers lag es auf der Hand, dass er in der Lehrwerkstätte Bern Mechaniker lernte, um in die Fussstapfen seines Vaters zu treten. Jahre später mit dem ETH-Diplom als Verfahrens-Ingenieur in der Tasche liess ihn diese Passion nie mehr los. In sechs Jahren baute er bis 2011 in der Freizeit «Steamy», sein eigenes Dampfboot mit einer Länge von 7,5 Metern und drei Tonnen Gewicht.

Seit 2008 ist er mit der Dampfbahn Furka-Bergstrecke in Kontakt. Er war Beirat der Stiftung und meistert nun als Verwaltungsratspräsident mannigfache Herausforderungen. Etwa, wenn es darum geht, die Eigentumsverhältnisse zu klären oder die Strukturen von drei Verbänden neu aufzugleisen. Es sind dies der Verein Furka Bergstrecke (VFB), die Dampfbahn Furka-Bergstrecke AG (DFB AG) und die Stiftung Furka Bergstrecke (SFB). «Menschen mit einer Dampffahrt glücklich zu machen, ist mein Ziel», strahlt der erfahrene und passionierte Dampfmaschinenfan.

Nach dem Zwischenhalt in Andermatt und der Zielankunft in Realp ist es vollauf gelungen. Im Scheinwerferlicht des Heimstützpunktes entschwinden die letzten Dampffahnen in den Nachthimmel. Und die dankbaren Passagiere begeben sich auf den Heimweg. Zupfen nochmals an ihren gediegenen Kleidern der Belle Époque und lassen die alte Zeit wohl noch lange Revue passieren. Am 20. Juni 2024 heisst es hier wieder «Gut Dampf»!

Meilensteine der Dampfbahn Furka-Bergstrecke

1983 Gründungsversammlung des Vereins Furka-Bergstrecke
1990 Konzessionserteilung an die Dampfbahn Furka-Bergstrecke
1999 Der erste offizielle Dampfzug erreicht Gletsch.
2010 Die ganze Bergstrecke Realp – Oberwald ist befahrbar.
2020 Bau einer viergleisigen Wagenremise mit einer Maschinenhalle in Realp
2024 Die totalrevidierte Lok HG 4/4 708 wird erstmals eingesetzt. Sie wurde 1990 als Rosthaufen von Vietnam in die Schweiz geholt. Sie ist zusammen mit der Schwesterlok 704 die stärkste Zahnrad-Meterspur-Dampflok Europas.
www.dfb.ch