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«Yakin hat sich verzockt»: So reagiert die Presse auf das 1:6 der Nati gegen Portugal

Die Schweiz scheitert zum dritten Mal hintereinander im WM-Achtelfinal – und das sang- und klanglos. Die heimische Presse geht mit der Mannschaft und ihrem Trainer hart ins Gericht, derweil sich portugiesische Zeitungen in einem Traum zu wähnen scheinen.

Des einen Freud, des anderen Leid. Wie sehr die Gefühlswelten zwischen Portugal und der Schweiz nach dem deutlichen 1:6 der Nati im WM-Achtelfinal auseinanderklaffen, legt auch ein Blick in die Presse nahe. Während sich in den Kommentarspalten im Land der Sieger Euphorie breitmacht, herrschen hierzulande Ernüchterung und Unverständnis vor.

Für die Zeitungen von CH Media ist klar, die demütigende Niederlage gegen Portugal sei schlimmer «als alles, was wir bisher in Achtelfinals erlebt haben». «Gier und Galligkeit» hätten gefehlt gegen einen Gegner, der ein «anderes Kaliber» sei. «Das bedeutet nicht, dass die Schweiz per se chancenlos ist gegen Portugal. Aber es muss halt schon sehr viel, wenn nicht sogar alles zusammenpassen, damit die Schweiz einen Gegner von diesem Format besiegen kann. Erst recht, wenn dieser die Aufgabe seriös angeht.» Denn zur Weltklasse, «das hat uns diese WM wieder vor Augen geführt», zähle die Schweiz noch immer nicht.

Die Pleite in Lusail sei die «irritierendste» der Achtelfinal-Niederlagen der letzten drei Turniere gewesen, befindet die NZZ: «Das nicht nur, weil das Team seinem Selbstverständnis gespottet hat, auf Augenhöhe mit den grossen Nationen zu sein. Sondern weil es in keinem Moment auch nur andeutete, das Spiel gewinnen zu wollen.» Im Zentrum der Kritik: Trainer Murat Yakin, «der sich mit der Taktik verzockt», und Captain Granit Xhaka, der alles habe vermissen lassen, «was ihn im Spiel gegen Serbien zum ‹Man of the Match› gemacht hatte: Wille, Übersicht, Charakter, die Bereitschaft, über die Grenzen zu gehen».

Nati-Coach Murat Yakin muss sich mediale Kritik gefallen lassen: Sein Wechsel auf eine Dreierkette wird nicht goutiert.
Keystone

Dem «Versuch mit der Dreierkette» wird auch im Blick ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Auch das Zürcher Boulevardblatt konstatiert, Murat Yakin habe sich verzockt: «Im wichtigsten Spiel seiner Karriere hat Yakin hoch gepokert – und verloren. Sein Instinkt liess ihn für einmal im Stich. Zur Systemumstellung kamen Personalentscheide, die Fragen aufwerfen.» Es habe sich als Fehler erwiesen, «dass er nur zwei gelernte Aussenverteidiger nach Katar mitgenommen hat».

«Die Schweizer sind erst schwach. Dann bauen sie stark ab», fasst der Tages-Anzeiger den dürften Auftritt der Nati bündig zusammen – und übt ebenfalls Kritik an Murat Yakin ob dessen taktischer Ausrichtung: Er habe in drei Spielen fast alles richtig gemacht. «Aber im Achtelfinal macht er fast alles falsch, das ist schon nach wenigen Minuten offensichtlich.»

«Es ist real, es ist am Dienstag in Lusail passiert»

Die portugiesische Zeitung Público wähnt sich vor dem Hintergrund des deutlichen Sieges zeitweilig gar in einem Traum: «Nein, wir befinden uns nicht im Reich der filmischen Fantasie von Tarantino. Es ist real, es ist am Dienstag in Lusail passiert, und es gab nicht, wie in anderen Spielen, das Recht auf eine hollywoodreifen Plot Twist.» Portugal habe auch ohne den auf der Ersatzbank sitzenden Cristiano Ronaldo überlebt – «und wirkte zeitweise sogar lebendiger denn je».

Die Sportzeitung A Bola attestierte Portugal lakonisch eine «fantastische Leistung»: «Kantersieg gegen die Schweiz mit einem Hattrick von Gonçalo Ramos – und alles an dem Tag, als Cristiano Ronaldo Ersatzmann war.» Und O Jogo führt sich die offenbar beinahe surreal anmutende Tatsache, dass Portugal erstmals seit 2006 wieder in einen WM-Viertelfinal vorgedrungen ist, in seinem Text gleich zweimal vor Augen: «16 Jahre später gehört die Quinas-Mannschaft wieder zu den acht besten Teams der Welt.»