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Gagen steigen stetig – Ticketpreise bleiben gleich: «‹Heitere› ist ein Hochrisikogeschäft»

Statt auf All-in beim Gagenpoker setzt das Heitere auf Vielseitigkeit: Festivalleiter Christoph Bill spricht über Kritik am Programm und die Gratwanderung zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

Christoph Bill, bald geht das Heitere Open Air 2025 über die Bühne. Wie laufen die Vorbereitungen?

Wir sind im Plan, aber es ist jedes Jahr derselbe Wahnsinn. In den letzten zwei Monaten vor dem Event muss man einfach so vieles noch auf den Schlitten bringen.

Wie viele Stunden haben Ihre Arbeitstage aktuell?

Ich will nicht übertreiben, aber 14 Stunden sind es schon jeden Tag. An den Wochenenden arbeite ich etwas reduzierter, aber ohne ginge es auch da nicht. Natürlich bleibt schon Zeit für Pausen zwischendurch, wir sind keine Übermenschen. Aber wenn man die Pendenzenliste nicht regelmässig abarbeitet, dann wird es immer schwieriger.

Bereits seit längerer Zeit abgeschlossen ist die Buchung und Planung der musikalischen Acts. Hand aufs Herz: Wie sehr spielen bei der Auswahl der Acts auch Ihre persönlichen Vorlieben eine Rolle? Es ist ein offenes Geheimnis, dass Sie zum Beispiel Biffy Clyro sehr mögen.

Ich versuche sehr stark, meine Vorlieben hinten anzustellen. Aber natürlich sitzen im Booking-Team Menschen mit jeweils eigenen musikalischen Präferenzen und persönlichen Einschätzungen. Das schimmert da und dort vielleicht durch. Am Ende des Tages geht es darum, den Geschmack unserer Zielgruppen zu treffen und Tickets zu verkaufen und nicht die Lieblingsbands zu verpflichten. Klar, ich freue mich – neben anderen Acts – auf Biffy Clyro, auch weil wir wieder einmal eine grosse Rock-Band haben.

Öffnen Sie auch mal eine Flasche Champagner, wenn Sie die Zusage eines Wunsch-Acts erhalten?

Nein, das haben wir noch nie gemacht (lacht). Aber einen Freudenschrei von Herzen hört man öfters von mir.

Und bei einer Absage? Treten Sie hin und wieder gegen ein Tischbein?

Meine Aggressivität hält sich in Grenzen. Hin und wieder entweicht mir ein Wort beginnend mit «Sch…».

Zur Person

Christoph Bill (54) ist in Strengelbach aufgewachsen und lebt heute in Brittnau. Seit 1992 ist er in der Organisation des Heitere Open Airs in Zofingen tätig, 2001 übernahm er die alleinige Gesamtleitung. Neben verschiedenen anderen Event- und Marketingprojekten ist er ausserdem Präsident der Swiss Music Promoters Association SMPA, dem Verband der Schweizer Konzert- Show- und Festivalveranstalter.

Zugesagt hat Ihnen für dieses Jahr unter anderem der norwegische Star-DJ Alan Walker. Würden Sie seine Verpflichtung als Coup bezeichnen?

Er war auf unserer Prioritätenliste tatsächlich weit oben und wir sind glücklich, ihn am Heitere zu haben. Ich würde ihn aber nicht als den Act bezeichnen, der besonders herausragt. Ich denke, wir haben ein sehr vielseitiges Programm, das Heitere-typisch ist.

Wenn man aber die nackten Zahlen betrachtet, sieht man, dass Alan Walker mit seinen Tracks mehr Spotify-Streams auf sich vereint wie alle anderen diesjährigen Heitere-Acts zusammen. Bewegt sich das Festival weg vom internationalen Mainstream?

Ich könnte jetzt sagen, dass wir das diesjährige Programm strategisch genau so gewollt haben. Aber das wäre nicht ehrlich. Ein Programm zu gestalten, ist immer ein Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Oberste Priorität hat für uns die Vielseitigkeit. Das Endergebnis kann sich dann je nach Jahr etwas mehr oder etwas weniger in Richtung Mainstream orientieren. Aber das bedeutet nicht, dass wir einen Strategiewechsel vollziehen. Wichtig sind uns so oder so auch Newcomer-Acts, die zukünftig hoffentlich noch mehr von sich hören lassen.

Sie sagen, dass sich Wunsch und Wirklichkeit widersprechen. Haben Sie in diesem Jahr überdurchschnittlich viele Absagen kassiert?

Nein, es war eigentlich eher ein entspanntes Jahr mit einigen frühen Zusagen.

Etwas weniger entspannt wirken einige Menschen in den sozialen Medien, die das Line-up kritisieren. Sie monieren, man kenne die Acts kaum mehr und sehnen sich wohl nach bekannteren Namen und Radiohits zum Mitsingen.

Diese Kritik wird auch persönlich an mich herangetragen und ich diskutiere gerne mit den Personen über dieses Thema. Im gegenseitigen Austausch erkennen sie dann doch auch die Vorzüge und die Vielseitigkeit des Programms. Wir nehmen die Kritik aber ernst, analysieren diese und hinterfragen uns immer wieder selbst. Ich stelle aber auch fest, dass viele Menschen durch das grosse Angebot im In- und Ausland sowie am Bildschirm gewissermassen verwöhnt sind und deshalb einerseits sehr hohe Ansprüche an ein Line-up stellen und andererseits oft nicht einmal unser gesamtes Programm studiert haben, bevor sie Feedback geben.

Nehmen Sie die Kritik manchmal auch persönlich?

Es ist jedes Jahr der Fight eines ganzen Teams, ein attraktives Programm zusammenzustellen. Natürlich ist man etwas betrübt, wenn dann zu viele negative Rückmeldungen kommen. Aber letztendlich sind die Ticketverkäufe der Massstab für «gut» oder «schlecht».

Die Künstler treten aufgrund des Musik-Streamings für immer höhere Gagen auf. Andere Festivals passen ihre Preise laufend an, damit sie sich weiterhin die internationalen Top-Acts leisten können. Sie hingegen halten Ticket- und Getränkepreise konstant und müssen dafür vielleicht auf den einen oder anderen grossen Namen verzichten. Warum riskiert das Heitere, den Anschluss an die grössten Schweizer Open Airs zu verlieren?

Weil das aktuell unser Weg ist. An diesem Poker um die grössten Namen beteiligen wir uns nur bis zu einem gewissen Punkt. Die Leute sollen nicht in erster Linie wegen eines Superstars auf den Heitere kommen, sondern für ein bezahlbares Gesamterlebnis. Ein wichtiger Teil davon ist auch die Gastronomie und das Treffen mit Leuten, die man vielleicht länger nicht mehr gesehen hat. Diese Strategie wird aber auch innerhalb unseres Teams regelmässig hinterfragt.

Vor der Pandemie lag euer Budget für das Programm bei etwa 1,3 Millionen Franken. Wie sieht es heute aus?

Wir schaffen es meist, immer noch in diesem Bereich zu liegen zu kommen. Was manchmal etwas hilft, ist der starke Schweizer Franken. Aber die Künstleragenten sind sich dessen auch bewusst und reagieren schnell mit noch höheren Gagen.

Höhere Gagen, gleichbleibende Einnahmen. Das klingt nach einem Überlebenskampf.

Zum einen versuchen wir die gestiegenen Produktionskosten durch Effizienzsteigerungen sowie bessere Deals wettzumachen. Aber es ist auch klar: Was wir machen, ist ein Hochrisikogeschäft mit einer sehr kleinen Marge. Dazu kommt, dass der Festivalmarkt seit einiger Zeit stagniert.

Wie muss das Heitere Open Air 2025 über die Bühne gehen, dass Sie auch weiterhin nicht gegen Tischbeine treten?

Wir sind einfach enorm glücklich, wenn wir das Ganze ohne Unfälle und Schäden über die Bühne bringen. Natürlich freuen wir uns, wenn das Festival am Ende auch wirtschaftlich aufgeht. Wir sind ein eingeschworenes Team, das gemeinsam etwas auf die Beine stellt und durch intensive Zeiten geht. Wenn das Publikum dann Freude am Resultat unserer Arbeit hat und zufrieden nach Hause geht, ist das die grösste Entschädigung.