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«Es war Folter» – zwei ehemalige Autosalon-Hostessen berichten

Bundesrat Albert Rösti hat am Dienstag den 91. Internationalen Automobil-Salon in Genf eröffnet. Und Hostessen sind ein fester Bestandteil dieses Events. Zwei junge Frauen berichten von ihren Erfahrungen mit unbequemen Absätzen, weinenden Mädchen, Dafalgan-Bädern und Polyesterkleidern.

Nach vierjähriger Abwesenheit kehrt der Autosalon nach Genf zurück, wo er zum 100. Mal stattfindet. Eines wird sich jedoch nicht ändern: Die Hosts und Hostessen werden weiterhin in den Hallen des Palexpo anzutreffen sein, um das Publikum zu betreuen.

«Hosts, Hostessen und Car Explainer sind immer anwesend und werden es auch bei der Ausgabe 2024 sein», bestätigt Megan Kohler, Digital Experience Manager bei der Messe.

«Diese Rolle wird hauptsächlich von Studenten übernommen, die dafür ausgebildet wurden, den Besuchern technische Erklärungen zu den Fahrzeugen zu geben.»

Obwohl die Aufgabe der Hostessen schon immer darin bestand, die ausgestellten Fahrzeuge zu präsentieren, fielen sie aus einem anderen Grund auf: wegen ihrer Kleidung, die oft sehr leicht war.

«Früher verlangten Luxusmarken elegante Kleidung wie Kleider und Absätze für Frauen und Anzüge für Männer», berichtet Megan Kohler. «Aber in der Automobilbranche hat sich ein Trend zu legerer Kleidung durchgesetzt. Die meisten Hersteller entscheiden sich nun für bequeme Kleidung wie Turnschuhe und Poloshirts.»

Die letzten Veranstaltungen, die mit dem Aufkommen der #metoo-Bewegung zusammenfielen, zeigten bereits eine Veränderung: Es gab weniger sexy und mehr sportliche Kleidung. Tausende von jungen Frauen haben die Erfahrung gemacht, und ihre Erinnerungen sind nicht unbedingt positiv.

Ein billiges und unangenehmes Kleid

«Es war schrecklich, wie Folter», fasst Maude*, eine junge Frau, die vor etwa zehn Jahren auf der Messe gearbeitet hatte, zusammen. Als Angestellte von Audi musste sie potenzielle Interessenten für das ihr zugewiesene Fahrzeug empfangen und ihnen Auskunft geben.

Sie erinnert sich vor allem an die körperliche Erschöpfung: «Wir mussten stundenlang stehen, konnten uns nicht hinsetzen, nicht ausruhen und durften uns nicht anmerken lassen, dass wir traurig oder müde waren.»

«Ich hatte das Gefühl, jeden Tag zwölf Stunden vor Ort zu sein. Es war hyperintensiv.»

Eine Situation, die durch das Tragen von Absatzschuhen nicht einfacher wurde – im Gegenteil. «Hostessen litten unter dem Martyrium», erinnert sich Marie*, die 2016 auf der Messe arbeitete und deren Aufgabe es war, Kontakte von potenziellen Käufern zu sammeln. «Die Füsse einiger Mädchen waren am Ende des Tages in sehr schlechtem Zustand, mit Pflastern und Blasen überall.»

Dafalgan-Bäder

Marie und ihre Teamkolleginnen, die bei Peugeot angestellt waren, mussten alle das gleiche Kleidungsstück tragen, «ein ziemlich billiges und unangenehmes schwarzes Kleid aus Polyester», und von der Marke bereitgestellte Schuhe, die ebenfalls «von schlechter Qualität und sehr unbequem» waren. Laut der jungen Frau waren die Absätze eindeutig der «störendste Aspekt der Erfahrung».

«Manchmal gingen Mädchen in die Umkleidekabine, um sich auszuheulen. Das erschien uns damals normal.»

«Das war die grosse Sache, über die sich alle beschwert haben», fügt sie hinzu und erzählt eine weitere Anekdote:

«Abends in der Umkleidekabine liessen einige Mädchen Dafalgan oder Schmerzmittel in Eimer mit heissem Wasser schmelzen. Sie tauchten ihre Füsse darin ein, um sie zu beruhigen.»

Einmal, fährt Marie fort, hätten sie eine Ausnahme machen dürfen. Nach einem besonders erfolgreichen Tag erlaubte ihnen die Marke, einen Tag lang Ballerinas zu tragen, aber nur unter der Bedingung, dass alle Mädchen die gleichen hatten. «Ich erinnere mich, dass wir das unglaublich fanden, obwohl es eigentlich lächerlich ist», betont die junge Frau. «Ich glaube nicht, dass wir an diesem Tag weniger Kontakte gesammelt hatten, weil wir Ballerinas trugen.»

Tierische Menschen

Maude versichert, dass sie Glück mit ihren Kleidern hatte, die «weniger kurz und eng anliegend waren als die, die von anderen Marken vorgeschrieben wurden». «Mein Kleid ging fast bis zum Knie und war ziemlich locker», erklärt sie.

«Es wirkte stilvoller, professioneller, wir fühlten uns im Vergleich zu anderen Hostessen nicht mehr so sehr wie Zirkustiere.»

Aber am Ende machte das keinen grossen Unterschied: «Wir waren ständig von Tausenden von Besuchern umgeben. Die Lichter waren so hell und es gab so wenig Pausen, dass ich mich die ganze Zeit über ausgestellt fühlte», erinnert sich die junge Frau. «Es gab kaum einen Moment, in dem unser Körper nicht gesehen wurde, und es gab keine Möglichkeit, sich zu verstecken.»

Maude sagt, dass sie diesen Aspekt ihrer Erfahrung als Hostesse besonders schlecht erlebt hat. «Es gab viele Dinge, die mich vor Ort empört haben», gesteht sie, «vor allem die Art und Weise, wie Menschen behandelt wurden.»

«Wir mussten ständig perfekt sein, ständig lächeln, ständig Haltung wahren. Im Wesentlichen wurde von uns verlangt, keine Menschen zu sein.»

Ein weiterer heikler Punkt ist das Make-up. «Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Make-up getragen», sagte Maude. Jeden Morgen überprüfte eine Vorgesetzte das Make-up der Hostessen, «um sicherzugehen, dass wir perfekt aussahen». «Meistens sagte sie uns, dass wir nicht genug Make-up trügen, dass wir noch mehr Grundierung auftragen und die Augen mehr schminken sollten. Das hört man im wahren Leben selten», lachte sie.

Die junge Frau gibt jedoch zu, dass sie das sehr geprägt hat. Sie sagt heute: «So viel Make-up zu tragen, so perfekt zu sein, so sehr auf meine körperliche Erscheinung fokussiert zu sein, das hat tiefe Spuren hinterlassen.»

«Wenn ich mich nicht oder weniger geschminkt sah, fühlte ich mich komisch. Ich fühlte mich nicht mehr so hübsch, nicht mehr so wohl in meinem Körper wie früher».

«Es hat Monate oder sogar Jahre gedauert, bis ich es geschafft habe, mein Make-up wieder zu reduzieren, bis ich überhaupt keines mehr trug», ergänzt sie.

«Ich hatte das Gefühl, dass ich mich nicht von meiner besten Seite, sondern von einer aufgezwungenen Seite zeigte», sagt Marie, die all diese Anforderungen «ein bisschen lächerlich» fand. «Ich glaube nicht, dass unser Äusseres einen Unterschied bei der Anzahl der Kontakte machte, die wir sammeln konnten», merkt sie an. «Vor allem, wenn man sah, dass die Leute, die für andere Marken arbeiteten, sich viel bequemer und moderner kleiden konnten».

Verrückte Partys

Die beiden Hostessen möchten dennoch betonen, dass nicht alles negativ war. «Die Kleidung und die Absätze waren unangenehm, aber auf der anderen Seite wurden wir wirklich sehr gut bezahlt», räumt Marie ein. Der Lohn betrug rund 3000 Franken für zehn Arbeitstage.

Ähnlich klingt es bei Maude, die von einer «unglaublichen» Bezahlung und den «ausgelassenen» Partys spricht, die für das Personal veranstaltet wurden. «Es war der Wahnsinn», erzählt sie. «Ich erinnere mich, dass die Menge auf diesen Partys mit Champagner geduscht wurde. Sie verstanden es, die jungen Leute dazu zu bringen, sich gut zu amüsieren».

Letztendlich begrüssen sie es, dass sich die Blicke und die Kleidung in den letzten Jahren verändert haben. «Es war schon damals problematisch, aber ich habe den Eindruck, dass die Öffentlichkeit für diese Fragen weniger sensibel war», analysiert Marie. «Heute weiss ich nicht, ob eine Marke noch so etwas tun würde.»