
Er war ganz oben und ist ganz tiefgefallen – Stone, der Vater des Funk-Rock, ist 82-jährig gestorben
Ende der 60er-Jahre gehörten er und seine Family Stone zum Explosivsten und Besten, was die Musikwelt zu bieten hatte. Multi-Instrumentalist Sly Stone kombinierte Funk mit Soul, Psychedelic und Rock und fing den Optimismus der damaligen Jahre ein. Ohne den Vater des Funk-Rock wären Jimi Hendrix’ Band of Gypsys, George Clinton, Betty Davis, Mother’s Finest und Prince nicht denkbar gewesen. Aber auch weisse Bands wie Red Hot Chili Peppers kann man in dieser Linie sehen.
Die schwarze Popmusik hatte damals den Anschluss an den von Weissen dominierten Popmarkt gefunden. Sly Stone stand für diesen Prozess der Integration, der nicht nur musikalisch stattfand. Wie selbstverständlich nahm Stone weisse Musiker in seine Multikulti-Truppe auf. Aber auch Frauen, in jener Zeit nur als Background-Sängerinnen und Groupies geduldet, waren bei Sly Stone als Instrumentalistinnen (Cynthia Robinson, Trompete, und Rose Stone, Orgel) ein Teil der Familie. Sly Stone war seiner Zeit voraus. Ein Pionier in gesellschaftlicher wie musikalischer Hinsicht.
Sly Stone war die Brücke zwischen Weiss und Schwarz
Sly Stone legte eine enormes Tempo vor. In kurzen Abständen erschienen die Alben «A Whole New Thing» (1967), «Dance To The Music» (1968), «Life» (1968) und «Stand» (1969). Songs wie «Don’t Call Me Nigger, Whitey» und «Everyday People» sind typische Songs jener integrativen Phase, in denen er sich gegen die Beurteilung eines Menschen nach Hautfarbe und anderen Äusserlichkeiten einsetzte.
Die Strategie der Versöhnung und Toleranz hatte Erfolg. Als einer der wenigen schwarzen Künstler spielte er sowohl am Hippiefestival Woodstock als auch am Harlem Cultural Festival in New York. Sly Stone verband die Hippie-Kultur von Love & Peace mit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Sly Stone war ganz oben.
Doch die friedliche Bürgerrechtsbewegung stiess zunehmend an ihre Grenzen. Im realen amerikanischen Alltag hatte sich die Situation für die Afroamerikaner kaum verbessert. Im schwarzen Amerika setzte eine Ernüchterung ein und die Bürgerrechtsbewegung radikalisierte sich. James Brown, der Godfather of Funk, symbolisierte diesen neuen, fordernden, aggressiven Geist.
Unter Druck der Black-Panther-Bewegung
Sly Stone und seine Familie der Versöhnung standen plötzlich im Gegenwind und wurden von Spannungen erfasst, Drogenexzesse gaben ihr den Rest. Von allen gebuchten Konzerten 1970 und 1971 bestritt Sly Stone nur gut einen Viertel. Die Black-Panther-Bewegung setzte ihn unter Druck, forderte mehr Militanz und erwirkte den Rauswurf der weissen Bandmitglieder. Das Album «There’s A Riot Going On» war das Resultat dieser neuen Radikalität. Es war ein letztes Aufbäumen, bevor er im Drogensumpf verschwand und fast vergessen ging.
War Sly Stone ein Opfer seiner Drogensucht oder der gesellschaftlichen Verwerfungen? Ein Opfer des rassistischen Amerika? Sly Stones Absturz kann rückblickend als ein Sinnbild für die gescheiterte Versöhnung in den USA gedeutet werden.
2007 versuchte Stone ein Comeback. Doch er war nur noch ein Schatten seiner selbst. In Montreux schlurfte er auf die Bühne, wirkte apathisch und teilnahmslos. Die Zeit und die Drogen hatten bei der Funk-Legende tiefe Spuren hinterlassen. Ein durchgeknalltes, bemitleidenswertes Wrack. Eine Film-Doku zeigte das einstige Musikwunderkind in einem Wohnwagen ausserhalb von Los Angeles – verarmt und fast vergessen. Jetzt ist er im Alter von 82 Jahren an den Folgen einer Lungenerkrankung gestorben.