
Kinder in Gefahr: Dauern die Kesb-Abklärungen im Aargau zu lange? Das sagt die Regierung
Ein Kind wird geschlagen, ständig beschimpft oder fehlt auffällig oft in der Schule: Das sind Gründe für eine Gefährdungsmeldung, welche die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) erhalten. Reagieren diese im Kanton Aargau schnell genug? Oder brauchen sie mehr Personal? Das waren die zwei zentralen Fragen, um die sich ein Vorstoss von GLP-Grossrätin Béa Bieber drehte, den auch Grossräte aus SP und GLP unterschrieben haben. Rund drei Monate dauere es in ihrem Bezirk Rheinfelden, bis die Kesb eine Gefährdungsmeldung bearbeitet habe. «Ein unhaltbarer Zustand für die Betroffenen», sagte Bieber.
Im Aargau haben die Familiengerichte die Aufgaben und Pflichten der Kesb inne. Bei einer Gefährdungsmeldung prüfen sie, ob Sofortmassnahmen nötig sind. Falls nicht, erteilen sie den Sozialdiensten der Gemeinden einen Abklärungsauftrag. Sozialarbeitende sprechen dann mit Kind, Eltern, Lehrerin oder Kinderarzt, um die Situation zu beleuchten. Die Kesb erhält einen Bericht mit einer Empfehlung. Falls sie Massnahmen, etwa einen Beistand, nicht für nötig hält, schliesst sie das Verfahren ab. Bei einer Gefährdung ordnet sie eine Kindesschutzmassnahme an.
Schulsozialarbeit und Beratungen von Vorteil
Drei Monate für eine solche Abklärung seien nicht aussergewöhnlich, antwortet die Regierung nun auf den Vorstoss. Und verneint damit indirekt, dass die Abklärungen nicht schnell genug gehen. Handlungsbedarf erkennt die Regierung trotzdem. Allerdings vor allem bei den Gemeinden. So brauche es genug Fachpersonal oder eine Qualitätssicherung.

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Auffällig: In Bezirken mit wenigen Dienstleistungen wie Mütter- und Väterberatung, Kinder- und Jugendberatung oder Schulsozialarbeit werden mehr Kindesschutzmassnahmen angeordnet. Diese Dienstleistungen verringerten also Kesb-Kosten, folgert die Regierung.
Kesb-Fälle im Aargau nehmen zu
Seit 2018 verfügen die Familiengerichte über 81,15 Stellen für die Kesb-Fälle. Dagegen ist die Aargauer Bevölkerung seither von rund 677’000 auf 736’000 gewachsen, das Verhältnis von Einwohnern pro Kesb-Stelle von 8347 auf 9065. Das ist ein Plus von 8,6 Prozent.
Dieses Verhältnis relativiert die Regierung, wobei sie hierzu die Antwort der Aargauer Justizleitung wiedergibt, welche die Verantwortung und die Aufsicht über die Familiengerichte innehat. Die Familiengerichte gehören zu den Bezirksgerichten. Mitarbeitende arbeiten für verschiedene Abteilungen. Je nach Menge an Arbeit könne das zu einer Quersubventionierung innerhalb der Gerichtsabteilungen führen, schreibt die Regierung.
Psychiatrie seit Monaten ausgebucht
Der Regierungsrat rechnet damit, dass die Kesb-Fälle im Aargau weiter zunehmen werden. Als Gründe nennt er unter anderem, dass die Bevölkerung und der Anteil von älteren Menschen wächst, und er weist auf globale Krisen und Herausforderungen hin. Diese könnten gerade junge Menschen stark verunsichern.
Kinderkliniken verzeichnen deutlich mehr Fälle. Psychiatrien für Erwachsene, Jugendliche und Kinder seien seit Monaten ausgebucht, führt die Regierung aus. Sie rechnet damit, dass sich dieser Trend akzentuiert – und die Familiengerichte und die Sozialdienste mehr Arbeit erhalten werden. Der Fachkräftemangel werde die Situation zusätzlich verschärfen.