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Topfitter 34-Jähriger stirbt nach Herzinfarkt – worauf Sie beim Sport unbedingt achten sollten

Der Marathonläufer Adrian Lehmann erlitt scheinbar aus dem Nichts einen Herzinfarkt. Wieso auch bei topfitten Jüngeren das Herz versagen kann und wann Hobbysportler wachsam sein sollten.

Am Wochenende hat die Schweiz einen ihrer besten Marathonläufer aller Zeiten verloren: Adrian Lehmann wies eine persönliche Bestzeit von 2:11:44 Stunden auf, womit nur fünf Landsmänner die 42,195 Kilometer jemals schneller als der 34-Jährige gelaufen sind. Und er wollte noch besser werden, um endlich die Olympia-Limite zu knacken. Sein grosses Ziel waren die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris.

Doch dieser Traum sollte für den amtierenden Schweizer-Marathon-Meister nie in Erfüllung gehen. Am vergangenen Donnerstag erlitt er während des Trainings einen Herzinfarkt. Trotz sofortiger medizinischer Hilfe ist er an den Folgen am Samstagabend verstorben. Wie kann das sein, dass das Herz eines topfitten Sportlers im besten Alter versagt? Sind Marathonlaufen und Sport generell doch nicht so gesund, wie immer behauptet wird? Der Kardiologe Pascal Köpfli vom Kantonsspital Baden ordnet ein.

Erhöhen sehr hohe Belastungen das Herzinfarkt-Risiko?

Menschen, die Sport betreiben, haben insgesamt ein viel kleineres Risiko, Herz-Kreislauf-Probleme zu erleiden. Aber: «Eine sportliche Höchstleistung ist eine Belastung – auch für einen gut trainierten Körper. Daher sind auch Athletinnen und Athleten während einer extremen Belastung einem leicht erhöhten Risiko ausgesetzt», sagt Kardiologe Köpfli.

Das sei aber primär der Fall für die Zeit während der intensiven Anstrengung und die Inzidenz eines plötzlichen Herztodes bei jungen Leistungssportlern generell äusserst gering. «Genaue Zahlen gibt es keine. Man geht aber davon aus, dass auf 100’000 junge Leistungssportler weniger als ein plötzlicher Herztod pro Jahr kommt», so Köpfli.

US-Forscher haben ausserdem gezeigt, dass extremer Ausdauersport in seltenen Fällen strukturelle Veränderungen im Herzen und in den grossen Arterien verursachen kann. Wird danach nicht gut genug regeneriert und tritt die Schädigung über Monate und Jahre immer wieder auf, kann das Herz vernarben. Wird die Narbe zu dick, kann es zu Luftnot, Herzrhythmusstörungen, schlimmstenfalls zum Herztod kommen.

Der Herzmuskel kann sich zudem entzünden, wenn man wieder ins Training einsteigt, bevor ein grippaler Infekt vollständig auskuriert ist. Das kann in seltenen Fällen den Herzmuskel schädigen und schlimmstenfalls zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen.

Kann auch eine unentdeckte Krankheit die Ursache für Infarkte sein?

Ja. Bei Menschen unter 35 Jahren gehören unter anderem Erkrankungen des Herzmuskels, der Herzklappen, der Hauptschlagader, des Reizleitungssystems sowie Erkrankungen oder Fehlbildungen der Herzkranzgefässe zu den möglichen Auslösern. «Meistens spürt man Symptome, bevor sich lebensgefährliche Folgen einer solchen Erkrankung manifestieren», sagt Köpfli. Doch in manchen und entsprechend äusserst tragischen Fällen könne es vorkommen, dass ein Herzinfarkt oder ein plötzlicher Herztod wie aus dem Nichts auftrete.

Bei Sportlerinnen und Sportlern über 35 Jahren ist die koronare Herzkrankheit – eine Einengung der Herzkranzgefässe – mit etwa 80 Prozent die häufigste Ursache eines plötzlichen Herztods. Dieser Krankheit liegen meist Risikofaktoren wie erhöhtes Cholesterin, Bluthochdruck, erhöhter Blutzucker oder auch Übergewicht, Bewegungsmangel, Rauchen und genetische Faktoren zugrunde.

Berichte von Spitzensportlern mit Herzinfarkt hört man immer wieder. Sportlerinnen hingegen sind anscheinend seltener betroffen. Stimmt das?

Ja. Frauen vor der Menopause erleiden viel seltener einen plötzlichen Herztod als Männer. Gemäss Daten aus Deutschland sind nur vier Prozent der Betroffenen weiblich. Positiv bei jungen Frauen wirkt sich das Hormon Östrogen aus, das die Gefässwände schützt, den Fettstoffwechsel günstig beeinflusst sowie die Cholesterinwerte verbessert. Männliche Hormone haben einen gegenteiligen Einfluss. «Zudem hören Frauen generell wahrscheinlich etwas besser auf ihren Körper als Männer und verhalten sich insgesamt risikobewusster», vermutet Köpfli.

Michael Köpfli ist stellvertretender Leiter der Kardiologie am KSB.
Bild: KSB

Welche Symptome sollten als Warnzeichen gedeutet werden?

«Wenn man auf einmal Änderungen im Puls oder Blutdruck oder auch einen unerklärten Leistungsknick feststellt, sollte das hellhörig machen», sagt der Badener Kardiologe. Messe man normalerweise einen Ruhepuls von 50 Schlägen und auf einmal einen von 70 Schlägen ohne erkennbare Ursache, dann sei Vorsicht angezeigt und eventuell eine Rücksprache mit dem Hausarzt geboten. Auch auffallende Atemlosigkeit oder Müdigkeit während oder nach dem Sport sollten nicht ignoriert werden.

Wie lässt sich ein Herzinfarkt erkennen?

Typische Symptome eines Herzinfarkts sind Druck und Schmerzen hinter dem Brustbein, die in die Schultern und Arme oder den Unterkiefer ausstrahlen können. Oft kommt Atemnot dazu. Die Schmerzen sind unabhängig von der Atmung und Körperbewegungen. Je schneller medizinische Hilfe eintrifft, desto geringer sind die Folgen.

Wie kann man Herzproblemen vorbeugen?

Wer neu oder nach längerer Pause wieder mit Sport beginnt und insbesondere wer sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt hat, sollte es laut Köpfli langsam angehen und sich am besten mit seinem Hausarzt besprechen. Und: «Wer sich gut vorbereitet in eine Extremsituation begibt, hat ein viel tieferes Risiko als jemand, der ungenügend trainiert einen Marathon oder Ironman in Angriff nimmt.»

Sportlich aktiv zu sein, ist derweil immer noch die beste Prävention gegen Erkrankungen der Herzgefässe. «Die Empfehlung ist, sich mindestens 5 Mal 30 Minuten pro Woche zu bewegen», rät Köpfli.

Welche anderen gesundheitlichen Effekte hat regelmässige Bewegung?

Die Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System ist nur einer von vielen positiven Effekten. Die Stärkung der Muskeln beugt bei älteren Menschen Stürzen vor. Das Erkrankungsrisiko wird für verschiedene Krebsarten kleiner. Sportlich Aktive haben wegen der besseren Lungenfunktion und Herzleistung auch weit seltener schwere Verläufe von Covid-19. Auch psychische Krankheiten lassen sich bekämpfen.

Dieser Artikel erschien erstmals am 13. 8. 2021 und wurde durchgehend aktualisiert.