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Fertig lustig: Schweizer Universitäten dürfen Zofingia jetzt vom Campus verbannen

206 Jahre nach ihrer Gründung läuft die Zeit der Studentenverbindung Zofingia ab: Das Bundesgericht stuft den Club als diskriminierend ein. Das Wichtigste in fünf Punkten.

Noch vor einer Woche war die Welt der Studentenvereinigung Zofingia in Ordnung. In Zofingen feierte sie ihr «Centralfest». Männer in Tellermützen marschierten durch die Stadt, einige zogen sich aus und johlten in Unterhosen in einem Brunnen.

Maja Riniker am Zofingerfest.
Bild: Jil Lüscher

Eine Frau in einem roten Anzug hob ihr Bierglas und hielt eine Rede: Nationalratspräsidentin Maja Riniker (FDP). Sie sagte:«Patriae, Amicitiae, Litteris – für Vaterland, Freundschaft, Wissenschaft – darauf könnt Ihr stolz sein.»Eine Woche später publiziert das Bundesgericht nun ein Urteil, das diesen Stolz infrage stellt.

Was ist Zofingia überhaupt?

Eine Kaderschmiede. Der Verein hat schweizweit 3000 Mitglieder und ermöglicht Kontakte zwischen Studenten und älteren, bereits im Arbeitsleben stehenden Mitgliedern. Ein solches nationales Netzwerk ist nach Einschätzung des Bundesgerichts «sehr wertvoll und kann einen Vorteil für das zukünftige berufliche Netzwerk darstellen».

Studenten der Zofingia verteilen mit Kindern und einem Weihnachtsesel im Dezember 1937 in Bern Geschenke.
Bild: Keystone

Die Studentenvereinigung ist älter als die Schweiz und wurde 1819 in Zofingen gegründet. Der Verein prägte die Gründung des Bundesstaats 1848. Damals war jeder vierte Bundesparlamentarier Mitglied. Auch zwei von sieben Bundesräten waren dabei, einer davon war der erste Bundespräsident der Schweiz. Der erste ETH-Präsident Alfred Escher war ebenfalls Zofinger. In den Statuten steht bis heute, dass nur Männer Mitglied werden können.

Worum geht es im Rechtsstreit?

Die Universität Lausanne und die ETH Lausanne (EPFL) wollen der Zofingia die Anerkennung als universitäre Vereinigung verweigern. Die Hochschulen sehen im Männerbund ein Reputationsrisiko in ihrem Bemühen um Gleichstellung. Doch die bisherigen Instanzen lehnten dieses Vorgehen ab und gewichteten die Versammlungsfreiheit höher.

Was hat das Bundesgericht nun entschieden?

Das höchste Schweizer Gericht heisst die Beschwerden der Hochschulen gut. Als autonome Anstalten des öffentlichen Rechts haben sie «nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, im Bildungskontext zur Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter beizutragen».

Die Zugehörigkeit zu einer universitären Vereinigung könne für die berufliche Karriere Vorteile mit sich bringen, was für die Frage der Gleichstellung relevant sei. «Dies gilt umso mehr, als das Ziel der Gleichstellung von Mann und Frau in der Arbeitswelt in der Schweiz noch nicht erreicht ist», betont das Bundesgericht.

Wenn Studentinnen der Zugang zu diesem Netzwerk allein aufgrund ihres Geschlechts verwehrt bleibe, würden sie nicht über die gleichen Chancen wie männliche Studierende verfügen. Deshalb hätten die Universitäten die Aufgabe, Massnahmen zu ergreifen.

Welche Folgen hat das Urteil?

Alle Universitäten müssen sich jetzt überlegen, wie sie mit der Zofingia umgehen. Die Studentenvereinigung hat zwar nicht mehr die gleiche Bedeutung wie vor 200 Jahren, ist aber immer noch Bestandteil des Schweizer Hochschullebens.

So inszeniert sich der Vorstand der Waadtländer Sektion von Zofingia.
Bild: Facebook

Es handelt sich allerdings um ein symbolisches Problem. Die Waadtländer Sektion hat nur noch etwa 40 Mitglieder. Im konkreten Fall bedeutete die Anerkennung des Vereins, dass er die Räume der Universität nutzen und sich auf der Internetseite der Schule präsentieren durfte.

Sind jetzt auch Frauenvereinigungen diskriminierend?

Nein. Denn es kommt darauf an, wie der Ausschluss des anderen Geschlechts begründet wird. Die Zofingia hatte dafür keine gescheite Erklärung. Oft hiess es lapidar, Frauen könnten das Innenleben beeinträchtigen, weil die Männer dann nicht mehr die gleichen Gespräche führen könnten.

Gemäss Bundesgericht müssten die Statuten eines studentischen Vereins eine «objektive Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung der Geschlechter» enthalten. Eine Frauenvereinigung darf deshalb wohl Männer ausschliessen, auch wenn sie zwar wie die Zofingia ein Karrierenetzwerk ist. Aber wenn sie dies etwa damit begründet, dass Frauen noch immer in Topfunktionen untervertreten seien, dürfte die Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein.

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