
Sun, Fun und Horrorfratzen: der Facekini an Chinas Stränden
Sie lieben all das, was wir am Meer auch gerne tun: im Wasser planschen, Ballspiele, picknicken, Sandburgen bauen. Trotzdem sind die Bilder, die in diesen Tagen von der chinesischen Riviera zu uns herüberschwappen, falsch. So falsch, wie sie in unseren Augen nur sein können – und, wie ich finde, auch ziemlich verstörend.
Eine Begegnung mit Michael Myers, dem Protagonisten im Horrorstreifen «Halloween», würde man vielleicht hinter einem Busch oder in einer dunklen Waschküche erwarten, nicht jedoch an einem Beach. Doch genau an diesen blutrünstigen, maskierten Killer erinnern mich viele Chinesinnen und Chinesen auf diesen Bildern. Sie tragen nämlich nicht nur Badehose und Badekleid, sondern auch bizarre Gesichtsmasken, die bloss Augen, Mund und Nase freilassen. Der Facekini gehört in China mittlerweile zu den beliebtesten Sonnenschutzmitteln, berichtet die «Süddeutsche Zeitung».
Während mich die Bilder deswegen vor allem irritieren und mich an schlaflose Nächte erinnern, die ich nach «Halloween» eine Weile hatte, lacht sich das Gros der Menschen im Westen gerade schief: Die spinnen, die Chinesen, so der Tenor. Also Grinsen, Kopfschütteln und dann weiter sünnele, später die Bräunungsstreifen unter dem Hashtag #tanlines auf Instagram posten. Hier in Europa gilt es als schick, braun gebrannt aus den Ferien zurückzukehren. Und nicht nur das: Ein gebräunter Teint wirkt gesund, attraktiv sowieso.

Bild: Imago Stock&people
In China ist es genau andersherum. Im Reich der Mitte signalisiert eine sehr helle Haut Wohlstand und Noblesse, dunkle jedoch steht für Armut, wie es einst auch lange Zeit in Europa der Fall gewesen war. Erst vor etwa 100 Jahren, als Stilikone Coco Chanel nach Ferien an der Côte d’Azur mit einem gebräunten Teint Aufsehen erregte, änderte sich unser Schönheitsideal. Bis nach China vermochte die Begeisterung über die Sonnenbräune indes nicht zu strahlen.
Kein Wunder also, tun die Chinesen noch heute alles, um ihre Blässe beizubehalten. Was denken sie sich wohl, wenn sie Bilder der grossen Fleischbeschau an den Stränden Europas zu Gesicht bekommen? Wahrscheinlich lachen auch sie sich einen Schranz: «Wie kann man nur so doof sein, seine Haut direkt der Sonne auszusetzen.» Abgesehen von ihrem Schönheitsideal geht in China grosse Angst vor der krebserregenden Wirkung der Sonnenstrahlen um. Man schützt sich seit jeher mit Schirmen und zentimeterdicken Schichten Sonnencreme, mit dem Facekini hat diese Obsession eine neue Dimension erhalten.

Bild: Visual China Group
Klar ist Sonnenbaden gefährlich, und klar ist es ziemlich dumm, sich im Sommer zwischen 11 und 16 Uhr nicht im Schatten aufzuhalten, aber gerade derart dick auftragen? Es ein wenig legerer nehmen, das muss man doch, damit noch ein bisschen Leben übrig bleibt in dieser ohnehin sehr düsteren Welt. Viel Sonnencreme, das muss reichen, und dann geht der Sun in the Fun los. Ich kann mir nun mal wirklich nicht vorstellen, dass es Spass macht, eine solche Maske zu tragen. Hitzestau und Platzangst anstatt Unbeschwertheit.
Insofern wünsche ich den Gästen an der chinesischen Riviera einen Coco-Chanel-Moment wie damals vor 100 Jahren in Europa.