
Ein Muslim und Israelkritiker wird vermutlich New Yorks nächster Bürgermeister: Wer ist Zohran Mamdani?
Es war nicht mal knapp: Am letzten Dienstag schlug der 33-jährige Newcomer Zohran Mamdani das Demokraten-Urgestein Andrew Cuomo überdeutlich. Noch bevor die Stimmen im komplizierten New Yorker Wahlverfahren alle ausgezählt waren, gratulierte Cuomo seinem Rivalen zu dessen Sieg und Nomination als Bürgermeister-Kandidat der Demokratischen Partei.
Zu gross war der Vorsprung Mamdanis, um ihn noch einholen zu können – und das, obwohl Ex-Gouverneur Cuomo seit Monaten in allen Umfragen deutlich geführt hatte.
Mamdani träumt von einer Stadt, die linker ist als Zürich
Das ist besonders erstaunlich, weil Mamdani jede Menge linker Forderungen vertritt, die bisher bei der amerikanischen Bevölkerung kaum Anklang fanden. Mamdani will die Steuern massiv erhöhen, den öffentlichen Verkehr in New York kostenlos machen und staatliche Lebensmittel-Märkte mit kleinen Preisen einführen. Auch schlägt er vor, eine neue Einsatzbehörde für psychische Notfälle zu gründen, die anstelle der Polizei ausrücken soll. Solche Pläne gelten bislang selbst im links regierten Zürich als kaum umsetzbar.
Dazu ist Mamdani gläubiger schiitischer Muslim und dezidierter Israel-Kritiker. In New York, wo mit 1,1 Millionen die weltweit grösste Zahl Juden ausserhalb Israels lebt, vermeintlich nicht unbedingt ein Vorteil. Besonders, weil Mamdani aussergewöhnlich radikale Positionen vertritt. Er rief schon dazu auf, Waren aus Israel zu boykottieren, Stiftungen mit Verbindungen nach Israel die Steuerbefreiung abzuerkennen und Premierminister Benjamin Netanyahu zu verhaften, wenn dieser nach New York reisen sollte.
Geschadet hat das dem Sohn indischer Einwanderer nicht – im Gegenteil. Seine besten Wahlergebnisse erzielte er in den drei hippen Stadtvierteln, wo besonders viele jüdische Einwohner zu Hause sind.
Politik für Arme, gemacht von der reichen Elite
Vor allem der Mittelstand und die Oberschicht stimmten für Mamdani, der eigentlich Politik für die Ärmeren machen will. Das lässt sich möglicherweise mit Mamdanis Biografie erklären. Der junge Politiker stammt selbst aus der New Yorker Oberschicht. Sein Vater ist ein Star-Professor für Postkolonialismus-Studien an der Elite-Uni Columbia. Seine Mutter ist die berühmte indisch-amerikanische Filmemacherin Mira Nair.
Zohran Mamdani selbst besuchte seit seiner Geburt internationale Privatschulen in Afrika und New York, weil seine Familie aufgrund der glanzvollen Jobs der Eltern in verschiedensten Ländern lebte. Mamdani ist deshalb bestens vernetzt und weiss, was bei der städtischen Oberschicht gut ankommt. Aktuell ist das jene Ideologie, die in den USA als «demokratischer Sozialismus» bezeichnet wird. Deren Vertreter kommen auffällig oft von amerikanischen Elite-Universitäten, an denen schon seit längerem für eine deutlich linkere Politik geworben wird.

Bild: CH Media
Beim Mittelstand kommt Mamdanis Politik aber aus einem anderen Grund gut an: Nämlich wegen der wirtschaftlichen Sackgasse, in der sich vor allem jüngere Amerikaner und die wählerstarke Generation der Millennials derzeit befinden. Das Leben in New York ist für viele kaum mehr bezahlbar, was sich etwa an den Wohnkosten zeigen lässt: Sie betragen im Median derzeit über 3400 Dollar pro Monat.
Der rechtslibertäre Investor und Parteispender Peter Thiel erklärt die Beliebtheit des Sozialismus bei den Millennialsin einem geleakten Mailan Facebook-Gründer Mark Zuckerberg kürzlich so: «Wenn eine ganze Generation von Studienkosten erdrückt wird und Wohneigentum unerschwinglich ist, lehnt sie sich selbstverständlich gegen das kapitalistische System auf.» Tatsächlich nimmt der Anteil der Sozialismus-Befürworter in den USA jeweils ab, je älter die befragten Wähler sind.
Panik wegen Mamdani bei Republikanern und Demokraten
Daneben hat der viersprachige Mamdani auch sein lockerer Auftritt geholfen. Selbst einige Moderatoren beim konservativen Fernsehsender «Fox News» gestanden dem Demokraten am Freitag zu, einen emotional ansprechenden Wahlkampf geführt zu haben.
Das war dann aber auch das einzig Positive, was Zohran Mamdani von republikanischer Seite zu hören bekommen hat. Inhaltlich fürchten sich das rechte Amerika und auch gemässigte Demokraten nämlich vor dem Linkspopulisten wie vor sonst kaum jemandem. Seine Nomination warf Ende letzter Woche regelrechte Schockwellen durch die politische Landschaft der USA.
Donald Trump bezeichnete Mamdani sofort als «kommunistischen Irren» und nannte den Wahlsieg einen «erschreckenden historischen Moment fürs ganze Land». Ein republikanischer Kongressabgeordneter schrieb gar der Justizministerin einen Brief, in dem er forderte, dem erst 2018 eingebürgerten Mamdani die Staatsbürgerschaft wieder wegzunehmen, weil dessen kommunistische Ansichten nicht mit der Verfassung vereinbar seien.
Noch ist Mamdani nicht gewählt. Der amtierende Bürgermeister Eric Adams, der nach einem Korruptionsskandal nicht mehr für die Demokraten, sondern als parteiloser Kandidat antritt, will sein Amt verteidigen. Auch der geschlagene Andrew Cuomo erwägt eine Kandidatur als Unabhängiger. Und die Republikaner suchen fieberhaft nach einer eigenen Alternative, welche die seit 11 Jahren demokratisch regierte Stadt wieder erobern könnte. New York steht deshalb nicht nur ein «Hot-Commie-Summer» (heisser Kommunisten-Sommer) bevor, wie die Börsianer an der Wall Street witzeln. Sondern vor allem ein heisser Wahlherbst.