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Elektronische Fussfesseln: Warum sie im Aargau vermehrt zum Einsatz kommen (könnten)

Grossrat Stephan Müller (SVP) stellte dem Regierungsrat eine ganze Reihe von Fragen zur 24/7-Überwachung von «Electronic Monitoring» im Aargau. Die Antworten zeigen, dass es künftig öfter zum Einsatz von Fussfesseln kommen könnte.

SVP-Grossrat Stephan Müller und sieben weitere Ratsmitglieder aus verschiedenen Parteien haben Fragen zum «Electronic Monitoring», also zur Überwachung mit Fussfesseln. Müller, der von Beruf Untersuchungsbeauftragter ist, erwähnt in seinem Vorstoss den erweiterten Anwendungsbereich nach einem Bundesgerichtsurteil vom Mai 2024. Wie aus der Antwort des Regierungsrats hervorgeht, hatte dies bereits Auswirkungen: Im Jahr 2024 wurde in 20 Fällen von der Erweiterung des Anwendungsbereichs Gebrauch gemacht.

SVP-Grossrat Stephan Müller.
Bild: zvg

Bisher werdenFussfesselträger im Aargau, wie in vielen anderen Kantonen, nur zu Bürozeiten überwacht. In Echtzeit geschieht dies nur in Ausnahmefällen. Bis anhin kam es nur ein einziges Mal zu einer sogenannt aktiven Überwachung. «Der Auftrag stützte sich dabei auf das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus», schreibt der Regierungsrat. Für die Überwachung des Strafvollzugs genüge dagegen die passive Überwachung. Bei einer Verletzung von Kontakt- und Rayonverboten sowie bei Widerhandlungen gegen zivilrechtliche Schutzmassnahmen werde die Person bei einem Verstoss gebüsst. «Dafür ist keine dringliche Kontaktaufnahme notwendig.»

Währen die Überwachung einer Freiheitsstrafe über Kurzstreckenfunk funktioniert, wird etwa bei der Überwachung von Kontakt- oder Rayonverboten GPS eingesetzt. Opfer haben so die Möglichkeit, selbst ein Gerät zu verwenden, das Alarm auslöst, wenn die betreffende Person das Kontaktverbot verletzt. «Damit wird das potenzielle Opfer gewarnt und ihm ermöglicht, sich in Sicherheit zu bringen beziehungsweise die Polizei zu alarmieren», schreibt der Regierungsrat.

2024 gab es mehr Gesuche für Fussfesseln

Im letzten Jahr wurden im Aargau 71 Gesuche für «Electronic Monitoring» gestellt. In den vier Jahren davor waren es jeweils zwischen 45 und 57. Müller wollte auch wissen, wie viele davon im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht für welche Delikte bewilligt wurden.

Der Regierungsrat weist in seiner Antwort darauf hin, dass meist nicht ein, sondern mehrere Delikte zugrundeliegen. Sie werden nicht pro Fall aufgeschlüsselt, sondern lediglich die verschiedenen Tatbestände aufgelistet. Darunter etwa Körperverletzung, Raufhandel, Fälschung von Ausweisen oder Drohung gegen Behördung und Beamte – die Liste ist lang. Mittels Fussfessel können Freiheitsstrafen von 20 Tagen bis zu einem Jahr vollzogen werden.

Weiter wird aufgelistet, wie oft das «Electronic Monitoring» anstelle von Untersuchungshaft als Ersatzmassnahme angeordnet wurde. In allen Fällen (sowohl bei Erwachsenen wie auch bei Jugendlichen) handelte es sich bei der Ersatzmassnahme um ein Rayon- und Kontaktverbot. Bei einem Jugendlichen wurde zusätzlich zum Rayon- und Kontaktverbot noch Hausarrest angeordnet. Im Jugendstrafrecht war das zwischen drei- und zehnmal pro Jahr der Fall, bei den Erwachsenen zwischen null und zweimal.

Spanisches Modell auch im Aargau denkbar

Müller führt in seinem Vorstoss auch das Beispiel Spanien ins Feld: Dort mache man seit einigen Jahren gute Erfahrungen mit einem kombinierten Einsatz von Electronic Monitoring. Dabei würden die Bewegungen von Opfer und Tatperson rund um die Uhr registriert und überwacht. Im Notfall werde die polizeiliche Intervention zum Opferschutz eingeleitet. Ein solches Modell kann sich die Aargauer Regierung auch vorstellen – noch möchte man den Schlussbericht einer Studie der Universität Bern abwarten. In den Kantonen Zürich und Basel-Landschaft wurde dazu ein dynamisches System erprobt.

Doch der Regierungsrat gibt zu bedenken, dass dieses nicht in jedem Fall zur Anwendung kommen kann. Wenn keine getrennte Wohnsituation vorliegt, wenn die zu schützende Person sich nicht freiwillig von der zu überwachenden Person fernhält oder sie nicht dazu in der Lage scheint, im Notfall den Alarm auszulösen, sei das Modell kaum möglich. Zudem sei der personelle Aufwand nicht zu unterschätzen.

Zur Frage einer kantonalen Überwachungszentrale für Electronic Monitoring (EM) schreibt der Regierungsrat: «Der Kanton Aargau ist zusammen mit 21 anderen Kantonen Mitglied des Vereins EM, der ein nationales Electronic-Monitoring-System beschaffen und betreiben soll.» Der Verein habe entschieden, bei der aktuellen Beschaffung zwar auf eine Überwachungszentrale zu verzichten, doch ist das System technisch darauf auszurichten, dass eine Überwachungszentrale später problemlos angeschlossen und eine aktive Überwachung so möglich werden kann.

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