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Verleger Peter Wanner zum Cyberangriff auf CH Media: «Es sind kriminelle Banden – das ist deren Geschäftsmodell»

Verleger Peter Wanner nimmt erstmals Stellung zum Cyberangriff auf seine Mediengruppe CH Media. Zudem spricht er über die Boni-Unkultur und die Vorteile von Familienunternehmen.

Seit einer Woche erkennen die Leserinnen und Leser den Regionalteil ihrer Zeitung kaum wieder – es gibt keine lokalen Splits mehr. Grund ist ein Cyberangriff, der Teile der IT-Systeme lahmgelegt hat. Haben Sie zu wenig Vorkehrungen dagegen getroffen?

Peter Wanner: Wir haben viel gemacht für die Cybersicherheit im Unternehmen. Aber leider muss man wohl sagen: Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz. Es sind kriminelle Banden, die virtuell in Unternehmen eindringen, Systeme lahmlegen und dann Lösegeldforderungen stellen. Das ist deren Geschäftsmodell.

Wie konnte das bei CH Media passieren?

Wir beziehen seit rund fünf Jahren die IT-Dienstleistungen von der NZZ. Nun wurde die NZZ angegriffen, und als Folge sind nun auch unsere IT-Systeme vom Ransomeware-Angriff betroffen. Derzeit arbeitet unsere IT-Abteilung zusammen mit jener der NZZ und externen IT-Experten mit Hochdruck daran, den Schaden möglichst schnell zu beheben.

Wann sollte der Schaden behoben sein?

Das kann ich noch nicht sagen; so, wie ich generell nicht viel sagen kann.

Wieso?

Das haben uns die Experten geraten. Verraten wir zu viel, spielen wir damit nur den Angreifern in die Hände.

Wurden denn schon Lösegeldforderungen gestellt?

Meines Wissens nicht, dennoch sind die Ermittlungen gegen die Angreifer in vollem Gange.

Das heisst: Die Leserinnen und Leser müssen sich noch länger gedulden.

Ja, aber publizistisch haben wir das Angebot nicht eingeschränkt. Online und über die App sind alle Inhalte abrufbar.

Einbussen gibt es aber in den gedruckten Ausgaben.

Ja, das ist leider so. Regulär produzieren wir 16 unterschiedliche Splitausgaben, derzeit müssen wir uns auf 4 Ausgaben beschränken – eine für die Zentralschweiz, eine für die Ostschweiz, eine für den Aargau und das Limmattal und eine für die Region Basel-Solothurn. Das ist natürlich nicht gut und gewöhnungsbedürftig. Ich entschuldige mich hierfür bei all unseren Leserinnen und Lesern im Namen des Unternehmens und des Verwaltungsrats.

Können Sie den finanziellen Schaden des Angriffs beziffern?

Der finanzielle Schaden hält sich bis anhin für CH Media in Grenzen.

Abgesehen davon: Wie entwickelt sich das Geschäft?

Ich bin mit dem Geschäftsjahr 2022 zufrieden. Das Betriebsergebnis und der Gewinn liegen zwar unter Vorjahr. Aber das ist vor allem auf verschiedene ausserordentliche Faktoren zurückzuführen, wie etwa die massiv gestiegenen Preise für Papier. Eliminiert man die ausserordentlichen Erträge des Vorjahres, schneiden wir betrieblich nicht schlechter ab als in den Vorjahren. Das ist erfreulich. Wir strengen uns alle an, auch im laufenden Jahr ein ähnliches Resultat erwirtschaften zu können.

CH Media hat vor kurzem ein neues Sparprogramm von 20 Millionen Franken angekündigt. Wo genau soll denn jetzt gespart werden?

Jeder Bereich ist aufgefordert, Sparideen aufzuzeigen. Dann entscheiden wir, wo wir am ehesten Kosten reduzieren können. Einen allfälligen Personalabbau versuchen wir, so gut es geht, über natürliche Fluktuationen aufzufangen. Aber es ist klar: Als Medienunternehmen stehen wir vor grossen Herausforderungen.

Was sind die grössten?

Sie liegen vor allem in der Digitalisierung. Wir müssen den Anteil der Online-Abonnements erhöhen, um Rückgänge im traditionellen Geschäft auszugleichen. Ähnlich ist die Situation beim Fernsehen, wo wir mit unserer Streamingplattform Einnahmen generieren wollen, weil das lineare Fernsehen bei den Werbeerträgen stagniert. Was das Sparen betrifft: Das ist grundsätzlich eine unternehmerische Daueraufgabe.

Wird jetzt im Journalismus gespart?

Es war immer meine Devise, möglichst wenig bei den journalistischen Produkten zu sparen, dafür überall sonst. Das ist allerdings nicht so einfach, weil derzeit in unserem Haus ein grosses IT-Projekt läuft. Wir bauen eine eigene IT auf und wollen hier wieder eigenständig und unabhängig werden.

Das kostet doch vor allem mal viel Geld.

Kurzfristig schon. Das ist eine grosse Investition. Aber mittelfristig können wir hier massiv Kosten senken. Bis wir wieder auf eigenen Beinen stehen, dauert es allerdings noch bis Ende 2024. Unser COO Roland Kühne leitet das Projekt – auch wenn er jetzt gerade aufgrund der Cyberattacke als Krisenmanager und Feuerwehrchef zusätzlich gefordert ist.

Roland Kühne war bis Ende März auch Interims-CEO des Unternehmens. Am 1. April übernimmt Ihr Sohn Michael Wanner den Job.

Nach dem frühzeitigen Abgang von Axel Wüstmann im vergangenen Herbst ist Roland Kühne in die Bresche gesprungen und hat einen sehr guten Job gemacht. Dafür sind wir ihm sehr dankbar. Aber ich freue mich, dass jetzt die fünfte Generation im Cockpit sitzt: mit Michael als CEO, Florian als Verantwortlichem für die Lokalradios und lokalen TV-Stationen und mit Anna, die am Montag in den Verwaltungsrat von CH Media gewählt wurde. Alle drei haben einen starken Leistungsausweis und wollen Verantwortung übernehmen, und Michael hat die Feuerprobe bestanden, indem er erfolgreich das Newsportal «Watson» zum Laufen gebracht hat.

Peter Wanner, Zweiter von links, bleibt, aber die fünfte Generation übernimmt mehr Verantwortung: Florian Wanner, Anna Wanner und Michael Wanner (v. l. n. r.)
Bild: Alex Spichale, «AZ Medien AG»

Was wird sich ändern, nun, da die Familie wieder vollständig übernimmt?

Einiges. Vor allem die Unternehmenskultur. Und nach dem Debakel der Credit Suisse müssen wir ernsthaft prüfen, ob wir nicht die ganze Boni-Kultur abschaffen wollen. Sie ärgert mich schon lange. Es ist eine «Unkultur». Am Beispiel der CS sieht man sehr schön, wie Boni falsche Anreize schaffen, die Geldgier fördern und die Risikofreude massiv erhöhen. Denn die Manager operieren mit fremdem Geld; wäre es ihr eigenes, würden sie nie solche Risiken eingehen. Deshalb bin ich so froh, dass wir wieder ein familiengeführtes Unternehmen sind und nicht ein managementgeführtes. Denn die Denke und die Haltung sind einfach eine andere.

Die meisten Manager suchen den kurzfristigen Erfolg und sind renditeorientiert. Daran werden sie gemessen, und insofern ist es verständlich. Aber das ist nicht unser Ding. Wir denken langfristig, und neben dem unternehmerischen Erfolg gibt es noch andere Dinge, die wichtig sind: Strategie, Unternehmenskultur, Qualität der Produkte, Inhalte, Marketing, tausend Details.

Sie denken noch nicht ans Aufhören?

Ich habe ein sehr gutes Einvernehmen mit den beiden Söhnen und der Tochter. Mir macht es Spass, und sie wollen, dass ich als Verleger weitermache. Keine Bange: Sie werden mir dann schon sagen, wann es Zeit ist.