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Ist unser Trinkwasser verunreinigt oder bedenkenlos trinkbar? Ein Experte klärt auf

Meldungen über Schadstoffe im Trinkwasser häufen sich. Urs von Gunten, ein führender Trinkwasserforscher, sagt im Interview, was Konsumentinnen und Konsumenten wissen sollten – und wie die Zukunft der Wasserversorgung aussieht.

Man liest häufig von gesundheitsschädlichen Stoffen im Trinkwasser. Die Behörden betonen aber, dass der Konsum von Hahnenburger unbedenklich ist. Wie passt das zusammen?

Urs von Gunten:Es ist für die Behörden schwierig, diese komplexen Zusammenhänge zu kommunizieren. Für Pestizide und relevante Metaboliten gelten Höchstkonzentrationen von 0,1 Mikrogramm pro Liter. Diese Werte sind nach dem Vorsorgeprinzip festgelegt.

Was bedeutet das?

Dieses Prinzip beruht darauf, dass man vorsorglich strenge Regeln erlässt, wenn die Gefährdung für die menschliche Gesundheit noch ungenügend bekannt ist. Es gibt bei vielen Schadstoffen im Trinkwasser keine oder nur rudimentäre epidemiologische Daten. Dann ist es besser, dass man die Gesetzgebung streng ansetzt. Im Vergleich zu anderen Lebensmitteln sind die Vorschriften beim Trinkwasser sehr streng, weil man als Konsument praktisch keine Alternativen hat. Man kann auf Flaschenwasser umsteigen, das aber ökologisch sehr viel schlechter abschneidet.

Was heisst es für mich als Konsumenten, wenn der Grenzwert von Chlorothalonil im Trinkwasser überschritten ist?

Wenn die Höchstkonzentration um das Zehnfache überschritten ist, würde ich stutzig werden. Aber wenn sie nur um das Zwei- oder Dreifache überschritten ist, kann man das Wasser bedenkenlos trinken. Solche Werte bedeuten keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung. Die Behörden müssen dann aber Massnahmen ergreifen, um den Wert zu senken.


Wie gelingt das?

Einerseits durch das Verbot von Pestiziden oder anderen Chemikalien, die in die Umwelt gelangen können. Beim Chlorothalonil sollten die Konzentrationen der Metaboliten im Grundwasser durch das Verbot je nach Situation in den nächsten fünf bis zwanzig Jahren zurückgehen. Man kann auch verschiedene Wasserquellen mischen, doch da ist der Spielraum klein, weil man damit nur kleine Überschreitungen der Höchstkonzentration beheben kann. Dann kann man das Trinkwasser auch aufbereiten. In der Seeländischen Wasserversorgung Worben gibt es eine neuartige Anlage, die Pestizide mit einer Kombination aus Pulveraktivkohle und Membranen aus dem Wasser filtert. Aber für kleinere Gemeinden ist das ein riesiger Aufwand und deshalb vielleicht nicht sinnvoll.

Und teuer?

Bis zu einem gewissen Grad. Die grössten Kostenfaktoren für Wasserversorgungen sind der Unterhalt der Leitungen und das Pumpen von Wasser. Die Aufbereitung macht je nach Wasserversorgung rund 30 Prozent der Kosten aus. Sie führt also nicht zu einer totalen Kostenexplosion. Das grössere Problem ist ein anderes.

Welches?

In der Schweiz haben wir über 2000 Wasserversorger. Die meisten sind sehr klein. Dort ist meistens die personelle Kapazität gar nicht vorhanden, um kompliziertere Anlagen zu betreiben.

Eine Lösung wäre, sich zu grösseren Verbunden zusammenzuschliessen.

Genau. Im Zusammenhang mit Themen wie dem Klimawandel und Wassermangel führt das zu einer höheren Resilienz. Ein Beispiel für einen solchen Verbund ist die Wasserversorgung Zürich, die mehr als 60 Gemeinden mit Zürichseewasser versorgen kann. Diese Gemeinden haben so alle ein zweites Standbein, wenn bei ihnen selbst etwas nicht funktioniert oder sie zu wenig Wasser haben. Trotzdem sollte es natürlich das Ziel bleiben, alle Wasserressourcen genügend vor Verunreinigungen zu schützen.