Sie sind hier: Home > Gerichtsverhandlung > Nigerianer soll seine Tochter missbraucht haben – das mutmassliche Opfer macht vor Obergericht eine Kehrtwende

Nigerianer soll seine Tochter missbraucht haben – das mutmassliche Opfer macht vor Obergericht eine Kehrtwende

Ein Nigerianer soll sich an seiner Tochter vergangen haben. Diese erhob zuerst schwere Vorwürfe gegen ihn – an der Berufungsverhandlung erklärt sie, es sei alles erfunden.

«Ich habe keine Aussagen zu machen, ausser dass ich keinen Sex mit meiner Tochter hatte.» Das sagte ein Nigerianer am Dienstag vor Obergericht aus. Er war vom Bezirksgericht Baden zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden, hätte wegen Inzest und sexuellen Handlungen mit einer abhängigen Person ein Jahr ins Gefängnis gemusst. Seine Tochter hatte bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft und auch vor Bezirksgericht ausgesagt, dass es mehrfach zu Sex zwischen ihr und ihrem Vater gekommen sei.

Doch nicht nur der Beschuldigte wollte vor Obergericht keine genaueren Angaben zu den Vorkommnissen mehr machen, auch das vermeintliche Opfer gab sich wortkarg – und machte eine Kehrtwende. Es sei alles eine Lüge gewesen, nie habe ihr Vater mit ihr Sex gehabt. Die Stiefmutter habe sie dazu überredet, solche Anschuldigungen zu erheben.

Steckt die Stiefmutter hinter den Anschuldigungen?

Auch wenn die Tochter ihren Vater von jeglicher Schuld freisprach, war die Staatsanwaltschaft weiterhin der festen Überzeugung, dass die früheren Aussagen ihre Richtigkeit hatten. Unter anderem auch wegen eines Tagebucheintrags datiert vom 8. März 2020. Die Tochter schrieb darin, es verletzte sie, dass ihr Vater seit zwei Jahren Sex mit ihr habe. Der Eintrag endet mit:

«God, please help me» – Gott, bitte hilf mir.»

«Wieso haben Sie ihr Tagebuch angelogen?», will Richter Jann Six wissen. Er bekommt keine Antwort. Trotz dem Hinweis, dass ihr selber rechtliche Konsequenzen drohen können, wenn sie zugibt, unter Eid falsche Anschuldigungen erhoben zu haben, bleibt die junge Frau bei ihrer Geschichte – die Stiefmutter habe das von ihr verlangt. Warum sie sich dagegen nicht gewehrt hat oder wie genau sie dazu gezwungen wurde, kann sie nicht erklären.

Auch auf die vielen Nachfragen, warum die Stiefmutter so etwas machen soll, bekommen die Richter keine wirklich plausible Antwort. Der Verteidiger erklärt dann in seinem Plädoyer, dass diese sich von seinem Mandanten scheiden lassen wolle und deshalb jedes Mittel ergreife, um ihn schlecht dastehen zu lassen. Weiter wirft er den Untersuchungsbehörden vor, man habe das mutmassliche Opfer mit geschlossenen Fragen zu Aussagen gedrängt, es sei so gelungen «eine eigene Realität zu schaffen».

«Ich bin nicht glücklich über die Vorwürfe»

Erstaunlich ist, dass Vater und Tochter immer noch regelmässigen Kontakt haben, auch wenn es kein sehr inniges Verhältnis zu sein scheint – so zumindest der Eindruck, als beide vor dem Gerichtssaal auf den Verhandlungsbeginn warten. «Warum wehren Sie sich nicht mehr gegen solch schwere Vorwürfe, warum haben Sie weder gegen Ihre Tochter noch Ihre Frau Anzeige erstattet, wenn das alles gelogen ist?», will einer der Richter vom Angeklagten wissen. «Ich bin nicht glücklich darüber, aber es ist halt meine Tochter, ich muss mich zusammennehmen und ihr verzeihen», erklärt sich der Beschuldigte.

Doch warum ändert die Tochter plötzlich ihre Aussagen? Was der Staatsanwalt glaubt, wird rasch klar, als dieser die Tochter befragt. «Stimmt es, dass Sie alleine mit Ihrem Kind in einer Wohnung leben und Ihr Vater Ihre einzige Bezugsperson in der Schweiz ist?» – «Ja.»

Der Vater hatte die Tochter in die Schweiz geholt, als diese 16 Jahre alt war. Etwa zwei Jahre später soll es erstmals zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Die Staatsanwaltschaft möchte, dass der Nigerianer, der eine B-Bewilligung hat, seit 2015 in der Schweiz lebt und einen festen Job hat, für vier Jahre des Landes verwiesen wird.

Das Obergericht muss nun entscheiden, ob es den Aussagen in der Verhandlung glauben soll, oder ob es den Schuldspruch bestätigt. Die Richter müssten über Etliches beraten, das Urteil werde deshalb schriftlich eröffnet, heisst es nach der fast dreistündigen Verhandlung.