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Drei Männer geben dem Frauensport eine Stimme – kann das funktionieren?

Das Magazin «Sportlerin» hat bereits einige Debatten über den Umgang mit Frauen im Schweizer Sport losgetreten. Ein Redaktionsbesuch.

«Florence Schelling rechnet mit dem SC Bern ab» – so titelte der Blick letzte Woche und zitierte ausführlich aus einem Interview mit der Ex-Sportchefin des Eishockeyklubs, die vor zwei Jahren unter Nebengeräuschen entlassen worden war. Erschienen ist das Interview, das alle grossen Medien in der Schweiz aufgegriffen haben, im Magazin «Sportlerin». Schelling äussert sich darin zum ersten Mal überhaupt öffentlich über ihre Kündigung, und das in deutlichen Worten.

Es ist nur ein Beispiel, wie das noch junge Magazin die Schweizer Sportwelt aufrüttelt. Für Sportlerinnen, aber auch Sportjournalistinnen wird es zunehmend zur Plattform, um Themen zu lancieren und Kritik zu üben. Was die Frage aufwirft: Wessen Agenda verbirgt sich hinter dem Medienprodukt?

Eine Nische gesucht

Die kurze Antwort darauf lautet: keine. Die lange: Das erste Frauensportmagazin der Schweiz war ein Produkt der Pandemie.

Der heutige Chefredaktor Fabian Ruch war damals noch Sportredaktor bei einem der grossen Verlage in der Schweiz. Im Frühling 2020 wurde ihm Kurzarbeit verordnet, wie vielen anderen Journalisten auch. Aber die Art und Weise, wie das passierte, störte Ruch, der schon lange mit der Selbstständigkeit geliebäugelt hatte. Eins führte zum anderen, es kam zum Abgang.

Ein wenig Stolz ist aus seiner Stimme herauszuhören, wenn Fabian Ruch über «Sportlerin» sagt: «Es funktioniert.»
Bild: Sandra Ardizzone

Weil er sieben Monate Überzeit angehäuft hatte, verfügte Ruch – obschon Vater zweier Kinder – über ein Zeitfenster, um etwas zu wagen. In dieser Zeit entstand die erste Ausgabe der «Sportlerin». Mit im Gründungsteam waren zwei weitere Männer: Roman Grünig, Sponsoringleiter der Young Boys, und Leander Strupler, der eine Kommunikationsagentur in Bern besitzt und schon das Magazin «Boxen» herausgegeben hat.

Dass ihr gemeinsames Projekt ein Heft über Frauensport sein würde, war anfangs nicht klar. «Wir haben eine Marktanalyse gemacht und geschaut, welche Nische noch nicht besetzt ist», sagt Ruch. Weil klar war, dass das Magazin mit drei Männern im Hintergrund auf Kritik stossen würde, hätten sie die Idee zuerst verworfen. Dann aber habe Roman zwei, drei Sponsoren mitgebracht. «Und wir haben einfach mal losgelegt.»

Heute, rund drei Jahre später, sitzt Ruch in seinem Büro gleich neben dem Zytglogge-Turm in der Berner Altstadt. Das Magazin ist nicht seine einzige Verpflichtung. Er arbeitet auch als Selbstständiger in der Kommunikation, als Fussballjournalist für die NZZ sowie für den Podcast «Anderi Liga» von «20 Minuten». Ein wenig Stolz ist aus seiner Stimme herauszuhören, wenn er über «Sportlerin» sagt: «Es funktioniert.» Das Team erhalte einen Lohn und die freien Autorinnen anständige Honorare, «bessere als bei manchem Grossverlag».

Männerdomänen

Das Magazin mache bewusst etwas, das in den Tagesmedien keinen Platz habe: Grosse, lange Lesestücke, Hintergrundgeschichten, keine News. Natürlich auch mit dem Ziel, ab und zu eine Schlagzeile in den Tageszeitungen zu landen. Nicht immer aber ist er mit dem Nachbeben zufrieden: Im Fall Florence Schelling zum Beispiel seien alte anonyme Vorwürfe vom SCB erneut hervorgekramt worden, sagt Ruch. Das sei schade und zeige, dass die grossen Sportverbände und -redaktionen noch immer sehr männlich ticken.

«Ich gebe es ungern zu, aber ich war früher lange Zeit der Fussball-Idiot auf der Redaktion», sagt Ruch. Er habe an den Sitzungen die x-te Neymar-Geschichte gepusht und Frauensport als nebensächlich abgetan. Jetzt hat die Redaktion der «Sportlerin» eine Liste mit über 200 Themen, über die sie noch schreiben will. Darunter vieles, das medial auf der Strecke geblieben ist.

Das kommt an. «In einer Zeit, in der es immer weniger Journalistinnen und Journalisten gibt und die Zeitungen dünner werden, hat die ‹Sportlerin› durchaus ihre Berechtigung», sagt Sportjournalistin und Kommunikationsexpertin Janine Geigele. Die 49-Jährige war mit 25 Jahren einst die vierte Frau, die die SRF-Sendung «Sport Aktuell» moderierte.

Geigele sieht auf Geschlechterebene noch viel Verbesserungspotenzial. So erhält etwa die neue Sportpanorama-Moderatorin Fabienne Gyr wöchentlich Zuschauer-Kommentare zur ihrem Aussehen. Und in Kanada verlor eine langjährige Nachrichten-Moderatorin ihren Job, weil sie die grauen Haare nicht mehr färben wollte. «Ich habe mich mit meiner Meinung lange zurückgehalten und sie jetzt erstmals in der ‹Sportlerin› geäussert. Wenn wir nicht den Finger draufhalten und immer wieder darüber sprechen, ändert sich nichts.» Auch darum sei die «Sportlerin» wichtig.

«Das Magazin braucht’s», sagt auch SP-Nationalrätin und bekennende Fussball-Anhängerin Flavia Wasserfallen. Die Reportagen und Geschichten über starke Frauen hätten eine positive Wirkung. «Dem Magazin gelingt es immer wieder, Perlen auszugraben, die im gängigen Sportjournalismus zu kurz kommen.»

Nicht zu sexy

In den bisher zehn Ausgaben sind bereits viele namhafte Sportlerinnen aufgetreten: Ditaji und Mujinga Kambundji, Wendy Holdener, Martina Hingis. «Wir wollen eine Sportlerin auf dem Cover, die bekannt ist und eine entsprechende Ausstrahlung hat», sagt Ruch. Das Foto soll Kraft haben, aber nicht sexy sein. Auf dem ersten Cover zum Beispiel trägt Mujinga Kambundji einen Rollkragenpullover. Und wie würde Alisha Lehmann inszeniert, die sich auf ihren Social-Media-Kanälen betont sexy zeigt?

Für Ruch «im aktuellen Empörungszeitgeist» eine schwierige Frage. Die Geschlechterpolitik lässt sich bei der «Sportlerin» nicht ausblenden. Das betrifft auch die Sprache. Bis jetzt ist ungeklärt, ob das Magazin gendern soll oder nicht. «Eigentlich wäre es nur konsequent», sagt Ruch. «Aber persönlich bin ich aus rein ästhetischen Gründen dagegen.»

Mirka fehlt noch

«Sportlerin» zählt eine Auflage von 10’000 Exemplaren bei 1000 Abonnentinnen. «Ich war erstaunt, wie präsent das Magazin an Kiosken ist», sagt Medienexperte Nick Lüthi. Wenn man eine Nische finde und die Gestaltung stimme, könnten Magazine auch heute funktionieren. Mit zehn Franken sei das Heft zudem attraktiv, gerade wenn man sich die Konkurrenz aus dem Ausland anschaue. «Da kostet manches Heft das Doppelte.»

Die Kritik, dass drei Männer das Magazin gegründet haben, ist unterdessen abgeflacht. «Wir konnten beweisen, dass wir die Themen richtig angehen und viele Frauen bei uns schreiben», sagt Ruch. Er bespricht alle Themen mit befreundeten Journalistinnen. Zudem ist er mit Grünig daran, zwei Frauen als Miteigentümerinnen ins Boot zu holen, nachdem sich Strupler kürzlich wegen anderer Verpflichtungen zurückgezogen hat.

Und was gibt es sonst für Ziele? «Mirka Federer auf dem Cover», sagt Ruch. Schon seit zwei Jahren bemüht er sich darum, bis jetzt habe sie aber nicht zugesagt. Er bleibt dran.