
Erst interne Kritik, jetzt nur Rückenwind: SVP Aargau wählt Andreas Glarner wieder zu ihrem Präsidenten
In der südwestlichen Ecke des Aargaus – an der Kantonsgrenze zu Luzern – findet an diesem warmen Abend der Kantonalparteitag der SVP statt. In der Mehrzweckhalle der Gemeinde Brittnau essen die Mitglieder Schweinswürstli und Kartoffelsalat. Zum Dessert gibt es Rüeblitorte. Wie könnte es im Rüeblikanton Aargau anders sein?
Das wichtigste Traktandum des Abends ist die Wiederwahl der Parteispitze. Nationalrat Andreas Glarner aus Oberwil-Lieli kandidiert erneut als Präsident. Die beiden Grossräte Clemens Hochreuter aus Erlinsbach und Manuel Kaspar aus Oberkulm stellen sich weiterhin als Vizepräsidenten zur Verfügung. Sie alle werden von den Mitgliedern per Akklamation im Amt bestätigt.
Glarner wollte das Präsidium eigentlich abgeben
Nationalrat Glarner präsidiert die SVP Aargau seit 2020. Der 62-Jährige pflegt einen angriffigen Politstil und provoziert – insbesondere in den sozialen Medien – gerne. Das passt in der Partei nicht allen.Kritiker finden, dass Glarners Angriffe der Partei sogar schaden und der Basis die Arbeit erschweren. Vor den letzten Kantonalwahlen gingen die Wogen hoch, als der Hardliner Mitte-Grossrätin Rita Brem-Ingoldaufgrund eines Einbürgerungsentscheids im Netz an den Pranger stellte. Sie erhielt daraufhin Morddrohungen.
Mitte November 2024 berichtete«Blick», Andreas Glarner stehe vor dem Abgang als Präsident der SVP Aargau. Grund dafür seien Streitereien beim Führungspersonal. Der 62-Jährige plane, so der «Blick», an der SVP-Vorstandssitzung vom 12. Dezember mitzuteilen, nicht mehr für weitere zwei Jahre anzutreten. Glarner kommentierte dies nicht.
Bereits vor drei Jahren kam es um Glarner zu einer Führungskrise. Dies belegte ein Geschäftsleitungs-Protokoll, wie die AZ im Dezember 2024 publik machte. Regierungsrat Jean-Pierre Gallatiriet dem SVP-Kantonalpräsidenten damals dringend zum Rücktritt. Für die SVP Aargau befürchtete Gallati eine Katastrophe im Wahljahr 2023, falls Glarner weitermache. Es folgte im Gegenteil ein ungeahnter Höhenflug der Partei.

Bild Dominic Kobelt
Dieser Höhenflug setzte sich im Herbst 2024 fort.Stefan Giezendanner, der bestgewählte Aargauer Grossrat, sagte damals, Glarner könnte nun auf dem Höhepunkt abtreten. Doch der SVP-Präsident wollte sich nicht drängen lassen. Dass Informationen aus der Geschäftsleitung den Weg in die Medien fanden, machte Glarner offensichtlich wütend.
Kehrtwende nach Indiskretion in Geschäftsleitung
Ende November sagte er in einem AZ-Interview: «Ich möchte Präsident der SVP Aargau bleiben und werde dies der Geschäftsleitung und dem Kantonalvorstand meiner Partei am 12. Dezember auch so beantragen.» Er betrachte die Stärke der SVP als Bestätigung seiner Arbeit. Die bürgerliche Mehrheit im Aargau sei sehr erfreulich. Es gebe aber noch viel Arbeit. Als Parteipräsident ist der Nationalrat nach Möglichkeit bei den Sitzungen der SVP-Grossratsfraktion dabei.
Mit der Unterstützung der Parteileitung stellte sich Andreas Glarner nun am Mittwochabend der Wiederwahl durch die Parteibasis. Am Kantonalparteitag in Brittnau war Regierungsrat Jean-Pierre Gallati, der von Amts wegen der SVP-Geschäftsleitung angehört, nicht anwesend. Er liess sich entschuldigen.
Abstimmungsempfehlung: einmal Ja, einmal Nein
Vor den Wahlen ging es um die Parolenfassung für die beiden kantonalen Abstimmungsvorlagen vom 18. Mai. Für die Steuergesetzrevision sprach sich SVP-Grossrat Andy Steinacher Schupfart aus. Er präsidiert die Kommission Volkswirtschaft und Abgaben. Die Gegenposition vertrat SP-Grossrätin und Mathematikdozentin Carol Demarmels aus Obersiggenthal.Sie ist auch Verfasserin der Abstimmungsbeschwerde, mit der sich das Verwaltungsgericht aktuell befassen muss. Nach der Darlegung der Argumente fassten die Anwesenden mit 96 zu 2 Stimmen die Ja-Parole.
Für die Volksinitiative «Lohngleichheit im Kanton Aargau – jetzt!»plädierte Grüne-Nationalrätin Irène Kälin, Präsidentin vom Gewerkschaftsdachverband Arbeit Aargau. SVP-Grossrat Daniel Urech aus Niederlenz vomüberparteilichen Komitee «Nein zur Leerlauf-Initiative». Die Parteibasis folgte Urech und beschloss die Nein-Parole einstimmig.