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Aargauer Regierungsrat lehnt Individualbesteuerung ab

Der Aargauer Regierungsrat lehnt die Einführung der Individualbesteuerung ab. Wie er am Freitag mitteilte, beantragt er dem Grossen Rat, das Kantonsreferendum gegen das entsprechende Bundesgesetz zu ergreifen.

Das eidgenössische Parlament hat im Juni eine einschneidende Änderung des Steuersystems beschlossen. Mit der Individualbesteuerung soll die sogenannte «Heiratsstrafe», also die ungleiche Behandlung von verheirateten und unverheirateten Paaren, abgeschafft werden. Ehepaare sollen künftig nicht mehr wie bisher gemeinsam besteuert werden. Stattdessen sollen beide Ehepartner je eine Steuererklärung mit ihrem Einkommen und Vermögen ausfüllen, genau wie Konkubinatspaare es bereits heute tun. Damit sollen Erwerbsanreize für Zweitverdienende, meist Frauen, gestärkt werden.

Die Beseitigung der Heiratsstrafe begrüsst der Regierungsrat des Kantons Aargau, wie er in seiner Botschaft am Freitag schreibt. Die «unnötige administrative Verkomplizierung für die Steuerzahlenden» lehnt er aber ab. Mit dem Wechsel zur Individualbesteuerung würden neue Ungleichbehandlungen entstehen, kritisiert die Kantonsregierung. Besonders Ehepaare, in denen nur eine Person verdient, und Familien mit tiefem Zweiteinkommen würden durch die Individualbesteuerung stärker belastet als heute. Deshalb beantragt die Regierung dem Grossen Rat, ein Kantonsreferendum zu ergreifen.

Keine «neuen Ungleichheiten»

In der Mitteilung heisst es weiter, dass die Reform für Steuerpflichtige zudem mit grossem Aufwand verbunden sei. Die Ehegatten müssten die wirtschaftlich korrekte Aufteilung der einzelnen Steuerfaktoren wie Einkommen, Vermögen oder steuerliche Abzüge im Einzelfall klären und aufeinander abstimmen.

Regierungsrat und Finanzdirektor Markus Dieth.
Bild: Alex Spichale

Regierungsrat Markus Dieth lässt sich in der Mitteilung wie folgt zitieren: «Wir wollen die Benachteiligung von verheirateten Paaren aufheben, aber nicht um den Preis von neuen Ungleichheiten und einer unnötigen Verkomplizierung für die Steuerzahlenden.»

Mindereinnahmen für den Kanton Aargau

Werde die Individualbesteuerung eingeführt, würden dem Kanton Aargau durch seinen Anteil an der direkten Bundessteuer rund 7 Millionen Franken pro Jahr entgehen. Zudem müsste das Steuersystem umgestellt werden. Dies hätte zur Folge, dass in allen Kantonen die Tarife und Sozialabzüge neugestaltet werden müssten, wie er weiter schreibt. Damit durch diese Umstellung keine Personengruppe gegenüber dem heutigen Stand zusätzlich belastet wird, wären für den Kanton Aargau und seine Gemeinden massive Mindereinnahmen im dreistelligen Millionenbereich die Folge.

Auch für den Kanton würden sich neue Herausforderungen ergeben. Die Zahl der Steuerdossiers, die er prüfen müsste, würde um 140’000 steigen. In seiner Botschaft an den Grossen Rat schreibt der Regierungsrat deshalb weiter, dass die Ziele der Reform auch mit einfacheren Mitteln hätten erreicht werden können.

So liesse sich die Heiratsstrafe durch ein Splittingverfahren, das eine Mehrheit der Kantone und auch der Aargau bereits kenne, oder durch eine Korrektur der Tarife schnell beseitigen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass nun die Kantone aufgrund von Versäumnissen auf eidgenössischer Ebene und der Einführung der Individualbesteuerung ihre Steuersysteme umstellen müssten.

Auch weitere Kantone sind gegen die Individualbesteuerung

In weiteren Kantonen laufen ähnliche Bestrebungen wie im Aargau. So haben sich in Schaffhausen, Glarus, Zug, Nidwalden, Thurgau, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden bereits die Kantonsregierungen für ein Kantonsreferendum ausgesprochen und der Legislative beantragt. In weiteren Kantonen sind Vorstösse in den kantonalen Parlamenten hängig. Zudem hat sich auch die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren für ein Kantonsreferendum ausgesprochen.

Das Kantonsreferendum kommt zustande, wenn es von mindestens acht Kantonen innerhalb von 100 Tagen nach der amtlichen Veröffentlichung des Bundesgesetzes ergriffen wird. Käme das Referendum zustande, würde es zu einer Volksabstimmung kommen.(jfe)