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Als ein Brand den Ruin bedeutete – und wie der Aargau mit der Gebäudeversicherung zum Vorreiter wurde

Am 16. Mai 1805 beschloss der aargauische Grosse Rat die Gründung einer «allgemeinen Feuer-Assekuranz-Gesellschaft». Daraus entstand später die Aargauische Gebäudeversicherung. Das waren die spektakulärsten Fälle der letzten 220 Jahre.

Dass ein Haus bei der Gebäudeversicherung angemeldet und versichert wird, ist heute selbstverständlich. Das ist es seit gut 220 Jahren, exakt seit dem 16. Mai 1805. An diesem Tag beschloss der Grosse Rat die Gründung einer «allgemeinen Feuer-Assekuranz-Gesellschaft», einer Brandversicherung. Damit spielte der Aargau in der Schweiz eine Vorreiterrolle.

Die Brandversicherung kam im 1803 gegründeten Kanton Aargau auf Bestreben des ihm zeitgleich angegliederten Fricktals zustande. Dieses war zuvor noch habsburgisch gewesen, und kam so schon 1764 in den Genuss einer von Kaiserin Maria Theresia geschaffenen «Feuer-Societät». Alle Häuser erhielten eine Nummer und wurden in den «Feurersocietätskatastern» registriert. Doch diese Errungenschaft drohte das Fricktal mit dem Wechsel zur Eidgenossenschaft zu verlieren.

«Liebes-Steuer», eine Art Vorläuferin der «Glückskette»

Das wollten die Fricktaler unbedingt verhindern. Und sie fanden in Aarau Gehör. Sie bekamen schon 1804 das Okay des Grossen Rates, im Jahr darauf wurde diese Versicherung für den ganzen Kanton obligatorisch. Ziel der Versicherung war der Schutz des Eigentums und der Hypothekarkredite.

Dank dieser Versicherung konnten die Eigentümer zweifellos besser schlafen. Denn wenn in der Zeit davor ein Haus abgebrannt war, ruinierte dies oft ganze Familien. Eine behördlich angeordnete «Liebes-Steuer», das Sammeln von Geld oder Naturalien, quasi eine Vorläuferin der heutigen «Glückskette», verschaffte Linderung, mehr aber nicht.

So war die Brandversicherung eine enorme Innovation. Erst recht angesichts der damals noch wenig effektiven Löschmöglichkeiten. Feuerspritzen wurden mit dem Pferdefuhrwerk, manchmal zu Fuss herangeschafft. Oft wurden gefüllte Wassereimer in Menschenketten weitergereicht im verzweifelten Versuch, der Flammen Herr zu werden.

Der «rote Hahn» hatte oft leichtes Spiel

1806 waren im Aargau 53 Prozent der Häuser «weich» bedacht, vorab mit billigem Stroh oder mit Schindeln. Das war ein schöner, idyllischer Anblick. Leider hatte der «rote Hahn» im Brandfall aber leichtes Spiel. Oft kam es zu verheerenden Dorfbränden. Der Gesetzgeber wusste also genau, warum er schon 1805 empfahl, neu zu bauende Gebäude «wo möglich» mit Ziegeln zu decken.

1834 schliesslich wurden bei Neubauten Strohdächer verboten. 40 Jahre später führte der Grosse Rat nach langem Zögern Prämien für diejenigen ein, die ihr Strohdach durch ein feuerfestes Dach ersetzten. Es dauerte nochmals 60 Jahre, bis Risiko-Gebäudeklassifikationen eingeführt wurden. Seit 1934 sind auch Elementarschäden abgedeckt. Heute ist die Aargauische Gebäudeversicherung (AGV) eine moderne Versicherung, sie steht finanziell sehr stabil da.

Klosterbrand von Muri brach Versicherung fast das Genick

Der Aargau hat schon einige grosse Brandereignisse erlebt. In jüngerer Zeit lösten vorab diese Ereignisse grosse Betroffenheit aus: DasExplosionsunglück im Jahr 1969 in der Sprengstofffabrik Dottikon, bei dem 18 Menschen starben und 32 zum Teil schwer verletzt wurden.

1991 entgleisten beim Bahnhof Stein-Säckingen acht von vierzehn Kesselwagen eines Benzintransportzugs, drei gerieten in Brand. Ein Teil des Dorfes musste evakuiert werden.


Bild: zvg

Das bisher grösste Schadenfeuer war dasjenige im Kloster Muri 1889. Da brannte der 220 Meter lange Mittelbau des Klosters, das damals grösste Gebäude im Kanton. 43 Feuerwehren, sogar aus Zug und Luzern, halfen beim Löschen. Aus Aarau brachte ein Extrazug Feuerwehrspritzen nach Muri. In den Dörfern im unteren Freiamt spannte man Pferde vor die Spritzen und galoppierte los. Die Brandstätte war von weither sichtbar.

Trümmer und Schock nach dem Brand 1889 in Muri.
Bild: Archiv AZ

Zum Brandzeitpunkt wurde das Kloster als Pflegeanstalt genutzt. 209 Pfleglinge und das Heimpersonal sassen gerade beim Zvieri. Später vermutete man, ein unzufriedener Pensionär habe den Brand gelegt. weil er ständig Streit mit dem Personal hatte. Doch der Verdächtige musste aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Die Brandursache konnte nie mit Sicherheit ermittelt werden.

Der Klosterbrand zerstörte das spätbarocke Bauwerk erheblich.
Bild: Archiv AZ

Der enorme Schaden überstieg mit 670’200 Franken die Mittel der Brandversicherungsanstalt, wie die heutige AGV damals hiess, bei weitem. Das brach ihr beinahe das Genick. Sie war noch nicht rückversichert, hatte noch keine Reserven. Nach dem Klosterbrand konnte man nur dank einer Brand-Steuer die Schadensumme bis 1901 abstottern.

Campus-Brand und Explosion in Tiefgarage

Über 100 Jahre später, am 10. April 2013, brach im Neubau des Campus Brugg-Windisch der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) ein Brand aus. 178 Feuerwehrleute kämpften gegen die Flammen. Der Schaden war mit über 25 Millionen Franken riesig. Ursprünglich ging die Gebäudeversicherung davon aus, den Schaden selbst übernehmen zu müssen. Trotz Gutachten wurde die Brandursache nicht zweifelsfrei geklärt.

Am wahrscheinlichsten ist für die Experten eine Selbstentzündung. Das Ergebnis vergrösserte den Kreis möglicher Verantwortlicher so sehr, dass die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren sistieren musste.Dann folgte ein Rechtsstreit zwischen der AGV und dem Bauunternehmen.Der Fall ist inzwischen abgeschlossen.Das Bundesgericht wies eine Beschwerde des Bauriesen gegen die von der AGV um 3,3 Millionen Franken gekürzte Schadensauszahlung ab.

In Nussbaumen kam es am 13. Juni 2024 in der Tiefgarage des Einkaufszentrums Markthof zu mehreren Explosionen und einem Brand. Zwei Personen, ein 24-jähriger Schweizer und ein 48-jähriger Italiener, kamen ums Leben. Elf weitere Menschen wurden verletzt. Leistungsstarke Feuerwerkskörper führten zu dieser Tragödie.Diese detonierten in einem geschlossenen Hobbyraum, die Druckwelle und das Feuer hatten verheerende Auswirkungen.

Am Tag nach der Explosion in Nussbaumen.
Bild: Ilona Scherer
Am Tag nach der Explosion in Nussbaumen.
Bild: Ilona Scherer
Einsatzkräfte der Feuerwehr beim Markthof Nussbaumen nach einer Explosion einer Tiefgarage und einem anschliessenden Brand in einem Hochhaus.
Michael Buholzer / KEYSTONE
Explosion Nussbaumen, 13. Juni 2024
Leserbild/20 Minuten

Wegen der Schäden waren 60 Wohnungen unbewohnbar, die Betroffenen mussten auswärtig einquartiert werden. Es dauerte Wochen, bis all der Schutt, die Trümmer und Überreste beseitigt waren, und Monate, bis die Mieter wieder einziehen konnten.

Hoch auflodernde Flammen und eine dicke Rauchsäule waren am 26. Februar 2025 über der Gemeinde Staufen bei Lenzburg zu sehen. Ein Einfamilienhaus stand in Vollbrand. Zuvor gab es mehrere Explosionen.

Das Haus stand in Vollbrand.
Bild: Kapo AG
Die meterhohen Flammen und die dicke Rauchsäule waren von weitem sichtbar.
Bild: Leserreporter

Unter den Trümmern bargen die Einsatzkräfte zwei Leichen.Dabei handelte es sich um ein älteres Ehepaar, das im Haus gelebt hatte. Als Brandursache stand bei der Ermittlung dieGasheizung im Zentrum. Bei der Suchaktion war zudemplötzlich Gas ausgetreten.

AGV versichert Gebäude im Wert von 272 Milliarden Franken

Die AGV versichert die Gebäude im Kanton gegen Feuer- und Elementarschäden. Ziel ist eine wirksame Kombination aus Prävention, Versicherung und Intervention. Versichert sind über 236’000 Gebäude. Der Versicherungswert der Gebäude beträgt rund 272 Milliarden Franken. Die AGV führt jährlich über 100 Feuerwehr-Kurse mit jeweils 6500 bis 8000 Personenkurstagen durch.

Im vergangenen April gab sie organisatorische Veränderungen bekannt. Am 16. Mai kamen ein frischer Webauftritt und ein neues Logo dazu. Das 220-Jahr-Jubiläum feierte die AGV laut dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung, André Meier, mit den Mitarbeitenden. Zum 225-Jahr-Jubiläum gibts dann ein grösseres Fest.

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