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Die Erwartungen seien hoch, aber nicht naiv: «Papst Leo XIV. ist kein Revoluzzer», sagt Kirchenratspräsident Pascal Gregor

Die Wahl von Robert Prevost zum neuen Papst freut besonders die Verfechter des synodalen Wegs der Landeskirche. Im Aargauer Kirchenparlament vertreten 150 Personen ihre Kirchgemeinden. Der Ratspräsident freut sich auch persönlich über die Wahl – «natürlich mit der gebotenen Vorsicht».

Die katholische Kirche in der Schweiz ist demokratisch organisiert. Parallel zur aus Rom vorgegebenen Hierarchie existieren jeweils kantonale Kirchenparlamente. Im Aargau vertreten 150 Personen ihre Kirchgemeinden.

Entwicklungen in der Kirche werden oft angestossen von diesem sogenannten synodalen Weg, erklärte der Aargauer Kirchenratspräsident Pascal Gregor vor einem Jahr im Interview. Auf Anfrage schätzt er die Wahl von Papst Leo XIV. deshalb nun als positiv ein für die Schweiz und den Aargau. «Der Papst bringt eine hohe Affinität zur synodalen Idee mit», sagt er. «Unsere Kirchenparlamente und die staatskirchenrechtlich verankerte Mitverantwortung der Gläubigen spiegeln genau dieses Ideal.»

Zwar habe sich der neue Papst nicht direkt zum Schweizer Modell geäussert. Doch er stamme aus einem Kontext, in dem Kirche stark vom gemeinsamen Hören auf das Volk Gottes geprägt sei. «Das hat ihn in Lateinamerika geprägt und diese Prägung hat er auch als Kurienbischof nicht abgelegt.» Insofern gebe es gute Gründe, zu hoffen, «dass Leo XIV. diese Strukturform theologisch versteht und ideologisch stützt».

Ein Papst aus der Stadt von Obama mit peruanischem Pass

Pascal Gregor freut sich deshalb auch persönlich über die Wahl. «Natürlich mit der gebotenen Vorsicht und ohne Euphorie – aber doch mit echter Hoffnung», wie er sagt. «Ich bin zuversichtlich, dass er als pragmatischer und inklusiver Führer die notwendigen Impulse geben wird, um die Werte des christlichen Glaubens zu bewahren.»

Die Aufforderung in der ersten Ansprache des Papsts zur Versöhnung und zur Zusammenarbeit zwischen Glaubensrichtungen und Kulturen sei für ihn von besonderer Bedeutung. «Die Kirche ist mehr denn je gefordert, als Ort der Hoffnung und des Dialogs in der Welt präsent zu sein.» Papst Leo XIV. sei der erste Papst aus den USA – aus der von Einwanderern geprägten Stadt Chicago, von der auch Barack Obama stammt. Dazu ist er als eingebürgerter Peruaner der erste Papst mit doppelter Staatsbürgerschaft.

Man kann davon ausgehen, dassder argentinische Papst Franziskussich über die Wahl gefreut hätte oder diese vor seinem Ableben gar eingefädelt hatte. Franziskus hatte Robert Francis Prevost – sein zweiter Name scheint mindestens ein netter Zufall – zum Präfekten des Bischofsdikasteriums ernannt und ihn dadurch in eine der einflussreichsten Positionen des Vatikans berufen gehabt. Dass der neue Papst Leo als Namen ausgesucht hat, darf man auch laut Pascal Gregor durchaus symbolisch einordnen:Leo war geschichtlich der engste Vertraute von Franziskus von Assisi.

Der neue Papst Leo XIV. (links) mit dem damaligen Papst Franziskus I.
Bild: Vatican Media

«Ich erkenne in der Wahl eine gewisse Kontinuität», sagt er. «Leo verweist auf sozialethisches Engagement, auf Franziskus’ Erbe von Einfachheit, Friedensliebe und Erneuerung.» In der Wahl von Leo XIV. sieht Pascal Gregor die Chance, «dass der synodale Weg weltweit weiter an Legitimität gewinnt – und dass das ernsthafte Ringen um Reformen auf Augenhöhe mit den Gläubigen weitergeht».

Was ist mit der Rolle der Frauen oder den Missbrauchsfällen?

Doch: Wie reformaffin ist Papst Leo XIV. wirklich – etwa bei Geschlechtergleichheit oder der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen? Gerade im Umgang mit Letzterem gibt es ungeklärte Fragen aus seiner Vergangenheit.

«Hier ist Ehrlichkeit angebracht», nimmt Pascal Gregor vorweg. «Die Erwartungen sollten hoch, aber nicht naiv sein. Papst Leo XIV. ist kein Revoluzzer.» Die Frauenordination, also die Zulassung von Frauen zu geistlichen Ämtern, werde er kaum sofort verkünden. Seine Aussagen zur Rolle der Frau in der Kirche und zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare seien bisher eher zurückhaltend gewesen.

Grund zur Hoffnung gebe es aber: «Er ist ein Mann der Prozesse, nicht der schnellen Parolen», sagt er. «Wenn er die synodale Dynamik ernst nimmt, dann wird er auch diesen schwierigen Themen Raum geben müssen.» Leo XIV. scheine einer zu sein, der zuhören kann. «Das ist heute schon viel wert. Als Kirche dürfen wir nicht auf Erlöserfiguren warten. Aber wir dürfen von unseren Hirten erwarten, dass sie Türen öffnen.»