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«KI schafft Zeit für mehr Menschlichkeit»

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Künstliche Intelligenz (KI) wird auch in der Medizin immer wichtiger. Wieso, erklären zwei Pioniere des Kantonsspitals Aarau.

Herr Schindera, als Chefarzt des Instituts für Radiologie haben Sie zu Beginn Ihrer Tätigkeit im KSA die ersten KI-Anwendungen eingeführt. Weshalb?

Schindera: Weil ich sehr früh den Mehrwert der künstlichen Intelligenz für die Radiologie erkannt habe. Die Radiologie ist prädestiniert für KI-Anwendungen, da wir Unmengen an Daten haben.

Burn: Wir waren früh visionär unterwegs. 2017 entwickelten wir im Rahmen eines Forschungsprojekts in der Radiologie erste KI-Algorithmen. 2018 führten wir den ersten KI-Algorithmus im klinischen Alltag ein – ein Tool, das im Bereich des Brustkrebs Erkrankungen entdecken kann. So konnten wir uns in kleinen Schritten herantasten und Kompetenzen erwerben im Umgang mit KI. Das war matchentscheidend. Denn es braucht Erfahrung, um KI-Anwendungen zu entwickeln und sinnvoll zu implementieren.

Was sind dabei besondere Herausforderungen?

Burn: Man muss sich nicht nur mit KI auskennen. Es braucht auch ein sehr gutes Prozessverständnis für komplexe klinische Abläufe. Es ist von Vorteil, dass ich als Arzt lange klinisch gearbeitet habe.

Schindera: Es gibt unzählige KI-Lösungen. Jeden Tag kommen neue auf den Markt. Die Kunst ist es, die passenden Lösungen zu finden. KI macht nur Sinn, wenn wir damit auch konkrete Probleme lösen.

Nicht wenige sehen in der KI mehr Gefahren als Chancen. Wo sehen Sie die Risiken?

Burn: KI braucht den Kontext, also sinnvolle Zusammenhänge. Der Mensch kann diese durch Ausbildung und Erfahrung selbst herstellen. Das kann die KI nicht oder bisher nur mangelhaft. Die KI braucht deshalb viele Daten hoher Qualität. Ein weiteres Risiko ist, dass KI systematische Fehler generieren kann. Es braucht deshalb sehr viel Expertise, damit KI gut funktionieren und sicher angewendet werden kann.

Schindera: Wir sind ein grosses Weiterbildungsinstitut mit 20 Assistenzärztinnen und Assistenzärzten, die bei uns zur Radiologin bzw. zum Radiologen ausgebildet werden. Es besteht die Gefahr, dass sich die jungen Kolleginnen und Kollegen zu sehr auf KI-Lösungen verlassen und sie so Kompetenzen erst gar nicht erlernen oder diese sogar verloren gehen. Unsere Aufgabe ist es, künftige Radiologinnen und Radiologen auszubilden und zu befähigen, dass sie KI-Lösungen beurteilen respektive kritisch hinterfragen können. Das ist eine grosse Herausforderung.

KI muss also sehr verantwortungsbewusst eingesetzt werden. Welche konkreten Anwendungen nutzen Sie bereits?

Schindera: In der Radiologie des KSA haben wir diverse KI-Lösungen im Einsatz, wie z. B. zur Erkennung von Lungen-Rundherden (Anm. d. Red.: rundliche, scharf begrenzte Verschattungen, die bös- oder gutartig sein können), zur Diagnose eines Verschlusses von Lungengefässen durch ein Blutgerinnsel (Lungenembolie), zur automatischen Auswertung von CT-Untersuchungen beim Verdacht auf eine Hirnblutung oder einen Schlaganfall sowie zur Erkennung von Knochenbrüchen im Röntgen.

Burn: KI-Lösungen sind unermüdlich, können oft exaktere und schneller Ergebnisse ermöglichen. Ihr Einsatz muss jedoch immer hinterfragt werden: Ist eine Lösung nachhaltig sinnvoll? Hilft sie, das Leben von Patientinnen und Patienten zu verlängern oder ihre Lebensqualität zu verbessern? Kann KI das Gesundheitswesen bei anhaltendem Kostendruck effizienter machen?

Und die Mitarbeitenden – müssen sie befürchten, dass sie bald überflüssig sind?

Schindera: Auf keinen Fall. Radiologinnen und Radiologen wird es auch zukünftig geben. Die Ergebnisse, die eine KI-Lösung beschreibt, muss durch die Radiologin bzw. den Radiologen in den klinischen Gesamtkontext eingeordnet werden. KI kann uns aber z. B. bei repetitiven Aufgaben sehr gut unterstützen. So werden Ressourcen von hochspezialisierten Mitarbeitenden frei, die wiederum vermehrt ihre Zeit dort einsetzen können, wo KI keine Rolle spielt – z. B. in der Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten, wo es Empathie und Spezialwissen braucht.

Burn: Andererseits werden wir immer stärker auf KI angewiesen sein, wenn wir dem demografischen Wandel und dem Bevölkerungswachstum Rechnung tragen wollen. Ohne KI werden wir den wachsenden Bedarf an bildgebenden Verfahren in den kommenden Jahrzehnten nicht decken können. Deshalb ist effizienzsteigernde KI dringend notwendig.

Schindera: Die Frage ist nicht, KI ja oder nein? Sondern: Wie viel KI werden wir künftig wo einsetzen müssen? Wir haben z. B. Engpässe bei der Magnetresonanz-Tomographie (MR). Dank einer KI-Lösung konnten wir die Untersuchungszeiten zum Teil erheblich verkürzen – um bis zu 50 Prozent bei gleicher Bildqualität. Das ist angenehm für die Patientinnen und Patienten, weil sie kürzer in der Röhre liegen müssen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt von den verkürzten Scanzeiten ist, dass der Energieverbrauch reduziert werden kann.

Was sagen Sie zu kritischen Stimmen, die eine Entmenschlichung der Medizin durch KI befürchten?

Burn: Das Gegenteil müsste der Fall sein. Wenn wir verantwortungsbewusst vorgehen, müsste der Einsatz von KI die Medizin noch menschlicher machen. Sonst machen wir etwas falsch.

Schindera: KI schafft Zeit für mehr Menschlichkeit. Weil die KI administrative Tätigkeiten übernehmen kann, sehe ich grosses Potenzial, dass wieder mehr Zeit für Patientengespräche zur Verfügung steht. Dies könnte künftig ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für Spitäler bei der Rekrutierung von Mitarbeitenden sein, die auf KI-Lösungen setzen.

Interview: Andreas Krebs

Tag der Innovation und Forschung am KSA

Künstliche Intelligenz, kurz KI, wird künftig in der Gesundheitsversorgung eine wichtige Rolle spielen.
Symbolbild: Getty Images

Am zweiten Tag der Innovation und Forschung des Kantonsspitals Aarau am 29. Mai 2024 dreht sich alles um das Thema künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin. In der heutigen Zeit ist KI nicht mehr aus dem Spitalalltag wegzudenken. Sie ermöglicht präzisere Diagnosen, effizientere Behandlungen und damit eine verbesserte Versorgung der Patientinnen und Patienten.

Freuen Sie sich am zweiten Tag der Innovation und Forschung unter anderem auf spannende Keynote-Referate, die bedeutende und vielfältige Potenziale der KI in der Medizin auf verschiedene Weise beleuchten, und auf die Podiumsdiskussion, in der wir der Frage nachgehen, wie Innovationen am KSA gezielt gefördert werden können.

Anmeldung unter: ksa.ch/innovationstag

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