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Deutschland debattiert über die Ursachen politischer Gewalt: Nicht nur die AfD täte gut daran, sich zu mässigen

In Berlin wird darüber nachgedacht, wie Übergriffe auf Politiker verhindert werden könnten. Die Vorschläge, die bisher gemacht wurden, sind allerdings kaum praktikabel. 

«Bonn ist nicht Weimar», schrieb der Schweizer Journalist Fritz René Allemann 1953. Berlin ist ebenfalls nicht Weimar, auch wenn solche Parallelen nun wieder vermehrt gezogen werden: Die deutsche Demokratie ist gefestigt, daran ändern auch diegewaltsamen Übergriffe auf Politikernichts, die in den letzten Tagen vorkamen.

Richtig ist, dass die Zahl politisch motivierter Straftaten seit Jahren steigt. Auch der Ton ist rauer geworden. Wer allerdings meint, die politische Sprache in der Bundesrepublik sei heute verroht wie nie zuvor, hat ein kurzes historisches Gedächtnis: Der bayrische Christsoziale Franz Josef Strauss nannte linke Intellektuelle «Ratten und Schmeissfliegen», der Sozialdemokrat Herbert Wehner verglich Strauss mit Joseph Goebbels. Einzelfälle waren dies nicht. Das relative Schonklima der Neunziger- und Nullerjahre war womöglich nur eine Episode.

Nun wird diskutiert, was gegen Gewalt und Verrohung zu tun sei. Die Vorschläge, die bisher gemacht wurden, sind allerdings kaum praktikabel: Einige fordern spezielle Strafen für Übergriffe auf Politiker, so als wären diese nicht wie alle Bürger durch das Strafrecht geschützt.Die sozialdemokratische Innenministerin Nancy Faesersagt, «die Zuspitzung der Debatte» sei das Problem und folgert: «Das geht so nicht.» Aber was will sie dagegen tun? Beleidigungen und Gewaltaufrufe sind ohnehin justiziabel; die freie Meinungsäusserung einzuschränken, wäre keine Lösung, sondern eine Kapitulation.

Faesers Klage über Zuspitzungen dürfte vor allem auf die AfD gemünzt sein. Wer deren Repräsentanten lauscht, muss der Ministerin zustimmen. Über Gebühr polemisiert wird gelegentlich aber auch auf der anderen Seite: Wenn Hendrik Wüst, der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, die AfD eine «Nazi-Partei» nennt, wird er dafür gefeiert, «klare Kante gegen rechts» zu zeigen. So mag er sich selbst profilieren, doch zur gesellschaftlichen Polarisierung trägt auch er bei.

Politiker wie Wüst tun sich mit solchen Äusserungen auch deshalb keinen Gefallen, weil die AfD darauf verweisen kann, dass ihre Repräsentanten besonders oft angegriffen werden. Freiwillige verbale Abrüstung auf allen Seiten wäre wünschenswert. Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grüne und Liberale sollten dabei mehr Verantwortungsbewusstsein zeigen alseine in weiten Teilen extremistische Partei wie die AfD.