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Das «Blutbuch» an den Bühnen Bern: Ein verletzlicher Werwolf packt aus

Kim de l’Horizons «Blutbuch» als Theater an den Bühnen Bern kostet den eindringlichen Text, nicht aber den Raum aus.

Sympathisch unentschlossen ist die Gestalt, die im Pulli mit überlangen Ärmeln vor die Leute in den Berner Vidmarhallen huscht. Mit vielen «Ähms» erklärt sie, sie wisse nicht, wie anfangen. Vielleicht ein Applaus zum Start? Ssonst labere sie einfach weiter: «Hilft eigentlich immer, oder?»

Regisseur Sebastian Schug und Dramaturgin Julia Fahle haben für Bühnen Bern aus Kim de l’Horizons prämiertem Queer-Antiroman «Blutbuch» einen Soloabend extrahiert. Die Erzählfigur breitet ihre tiefsten Fragen, Ängste und Schmerzen aus und erforscht persönliche, familiäre und gesellschaftliche Narben.

Zur Recht stützt sich diese Adaption auf die Person, verkörpert von Lucia Kotikova, 1998 geboren. Sie gibt dem fragilen, suchenden Kind, das die Blutbuche im grosselterlichen Garten anfleht um Verzauberung in eine Frau oder einen Mann ebenso ein plausibles Gesicht wie dem manischen Sexdating-«Werwolf».

Der Abend lässt die «nicht straighte» Erzählform der Vorlage und Kim de l’Horizons Sound, Intellekt und satirische Ader leuchten. Doch zu stark klebt das Theater am Buch. Die Textmenge erschlägt selbst die Schauspielerin, die nicht immer absichtlich stolpert. Zu dezent begehrt die Bühne (Julia Fahle) mit Podest, Wohnnische und Buchseiten an der Wand auf.

Und noch mehr auskosten könnte Kotikova ihre subtile Körpersprache und ihr Improvisationstalent. An der Premiere am Mittwochabend erwischte sie einen Ensemblekollegen beim knisternden Auspacken eines Bonbons. «Ich will auch eins», sagte sie grinsend.