
Ernüchterung nach Euphorie: Ein Aargauer Reisbauer zieht Schlussstrich – zwei andere wechseln auf Sushireis
Sprechen die Aargauer Reisproduzenten über den Verkauf ihres Risottos, tönt das durchwegs positiv: Die Kundschaft ist begeistert, das Produkt auch als Geschenk sehr beliebt, an manchen Orten ist das Getreide auf Reservierung ausverkauft, bevor es geerntet wurde. Spricht man mit den Landwirtinnen und Landwirten jedoch über Anbau und Ertrag, gehen die Gemütszustände auseinander.
Grundsätzlich sind sich die Verantwortlichen der Betriebe aus Untersiggenthal, Rüfenach, Würenlingen, Stetten, Jonen, Mühlau und Villigen einig: Es ist eine gute Sache und eine spannende Herausforderung. Auch beim Aufwand herrscht Konsens. Der ist bei allen riesig – ganz im Gegensatz zum Ertrag der meisten.
Besonders das vergangene Jahr war für viele von ihnen schwierig. Der nasskalte Frühling und das viele Unkraut haben einige in die Knie und dazu gezwungen, ihr Feld im August frühzeitig aufzugeben. Andere haben es 2024 gar nicht erst versucht. Haben sich Bauern und Kundschaft zu früh gefreut?
Villigen: Hier setzt man neu auch auf Sushireis
Am längsten im Aargauer Reisbusiness ist die Max Schwarz AG aus Villigen. Die Gemüsebaufirma beschäftigt sich seit 2010 intensiv mit dem Anbau von Reis und gehört zu den Mitbegründern der «IG Nassreis», zu deren Mitgliedern auch solche des Bundesforschungsinstituts Agroscope zählen (siehe Infobox). Nach zehn Jahren Versuchen erntete die Max Schwarz AG 2019 zum ersten Mal ihren Risottoreis.
Bis heute pflanzt die Firma ihren Wasserschlossreis in Lauffohr an. In diesem Jahr sieht es gut aus. «So wie die Kultur steht, und wenn man sieht, wie viele Ähren derzeit ausreifen, erwarten wir einen guten Ertrag», sagt Cyril Schwarz, Bereichsleiter Gemüsebau. Wie viele Tonnen die Ernte bringt, kann er noch nicht abschätzen. Seit letztem Jahr baut die AG zudem Sushireis an, auch das funktioniere gut, freut sich Schwarz.

Bild: Britta Gut
Aber die Max Schwarz AG hat schwierige Jahre hinter sich. 2023 gab’s einen Totalausfall, 2024 war auch nicht einfach. «Wir haben mit dem Unkraut Hirse gekämpft. Deshalb wählten wir für dieses Jahr einmal eine andere Parzelle.» Das hätte zwar eine Investition bedeutet, weil sie das neue Feld planieren mussten. Denn damit das Wasser immer gleichmässig verteilt ist, muss der Boden für den Nassreisanbau zentimetergenau ausgeebnet sein. Schwarz ist überzeugt, dass sich das langfristig lohnt.
Eine ökologische Alternative für feuchte Ackerflächen
Das wachsende Interesse an alternativen Kulturen für feuchte Ackerflächen und die Frage, ob Reis auch in der Deutschschweiz gedeihen kann, treibt Landwirte nördlich der Alpen schon länger um. 2017 führte dieses Interesse auf Initiative von Landwirtinnen und Landwirten und regionalen Akteuren (seit 2018 als IG Nassreis vereinigt) zu einer Kooperation mit dem Bundesforschungsinstitut Agroscope.
Es entstand ein Forschungsprojekt um Anbautechnik, Sortenwahl, Ökologie und Wirtschaftlichkeit wissenschaftlich zu prüfen. Auch im Aargau stellten einzelne Betriebe dafür ihre Flächen als Versuchsfelder zur Verfügung. 2021 startete im Aargau ein Pilotprojekt mit den sechs Betrieben der heutigen IG Aargauer Reis. Sie wurden während der vierjährigen Pilotphase sowohl von Agroscope als auch von den erfahrenen Produzentinnen und Produzenten der IG Nassreis beraten und unterstützt.
Nassreis kann gesät oder gesetzt werden, die meisten entscheiden sich für letzteres. Die Setzlinge werden im Mai in ein geflutetes Feld gepflanzt. Etwa einen Monat vor der Ernte wird das Wasser abgelassen. Nassreisfelder haben laut Agroscope einen hohen ökologischen Stellenwert, da sich hier viele bedrohte Tierarten aufhalten. Seit 2024 kann im Kanton Aargau der Nassreisanbau als regionsspezifische Biodiversitätsförderfläche angemeldet werden. Seitdem wird der Unterhalt der ökologischen Begleitmassnahmen über Direktzahlungen abgegolten. (mel)
Rüfenach: Helfen Fruchtfolgen gegen das Unkraut?
Dass es sich lohnen könnte, im Kampf gegen die Hirse den Feldern eine Pause zu gönnen, zeichnet sich auch bei den Mitgliedern der IG Aargauer Reis ab. Das sind Sandro Märki aus Rüfenach, Janis Looser aus Würenlingen, die Brüder Pirmin und Fredy Umbricht aus Untersiggenthal, Natalie und Lukas Neuhaus aus Stetten, Claudia Stohler und Michael Rüttimann aus Jonen und die Betriebsgemeinschaft Schorenplus aus Mühlau. Auch sie bauen Nassreis an, den man als Risotto zubereitet.
Sie haben sich 2021 zur IG zusammengetan, um sich zu unterstützen und auszutauschen. So kauften sie beispielsweise gemeinsam eine Aussaat- und Pflanzmaschine aus China. Die Euphorie war bei den meisten von ihnen gross, als im Herbst vor vier Jahren zum ersten Mal der Mähdrescher über ihre Reisfelder donnerte.

Bild: Michael Hunziker
Doch nach und nach machte ihnen unliebsame Pflanzen zu schaffen. Denn in der Schweiz sind Herbizide und Pestizide zur Unkrautvernichtung im Wasser verboten. Nebst Wasserunkräutern wie dem Froschlöffel ist im Reisfeld besonders die Hirse hartnäckig. Sie und der nasskalte Frühling haben unter anderem dem Landwirt Sandro Märki aus Rüfenach 2024 einen Strich durch die Rechnung gemacht.«Ich hatte ein super 2022, doch dieses Jahr passt gar nichts», sagte er vergangenen Sommer, zwei Wochen nachdem er sein Feld in Untersiggenthal frühzeitig aufgegeben hatte.
Er setzte in diesem Jahr aus. «Ich habe mich auf die Unkrautbekämpfung konzentriert», sagt er. Das habe er mittels eines falschen Saatbetts getan. Momentan sehe es so aus, als hätte er damit die Hirse bekämpfen können. Nächstes Jahr möchte er es nochmals mit dem Reisanbau probieren. «Allein schon aus Interesse, weil es eine neue Herausforderung für mich ist», sagt er. «Man muss aber auch ehrlich sein: grosses Geld verdient man damit noch nicht.»
Mühlau: «Eine Anbaupause könnte eine Lösung sein»
Eine ähnliche Erfahrung wie Märki macht die Betriebsgemeinschaft Schorenplus in Mühlau. Im Gegensatz zu den anderen IG-Mitgliedern hatte sie im ersten Jahr gar kein Glück mit ihrem Reis. Aufgrund des vielen Regens fiel ihre Ernte 2021 komplett aus. Dafür freuen sich Betriebsleiter Peter Suter und sein Team seither über ihren Risotto. Das gesamte Schorenplus-Team jätet täglich rund anderthalb Stunden.

Bild: Melanie Burgener
Im vergangenen Jahr mussten sie trotz dieses Aufwands eines ihrer beiden Reisfelder frühzeitig mähen. «Heuer sieht es recht gut aus», sagt Suter nun. Das, obwohl sie erneut eines der Felder aufgeben mussten – und zwar jenes, das letztes Jahr bis zum Schluss bepflanzt war. «Eine Anbaupause könnte also eine Lösung gegen das Unkraut sein», schliesst er daraus. Was das Pflanzen der Setzlinge angeht, hätten sie heuer fürs nächste Jahr wieder dazugelernt.
Jonen: Kein Zukunftsplan für diesen Freiämter Reis
Diesen Effort bewundert Bauer Michael Rüttimann aus Jonen. «Sie hatten in Mühlau grosse Probleme, trotzdem haben sie durchgebissen und sind drangeblieben. Und heute gehören sie zu jenen, die ernten können», sagt er. Ganz im Gegensatz zu ihm. Nachdem er und seine Frau Claudia Stohler im vergangenen Jahr einen Totalausfall hinnehmen mussten, haben sie es 2025 gar nicht erst versucht.
Ihr Feld entlang der Reuss, umgeben von Naturschutzgebiet, ist nicht nur von der Hirse, sondern auch vom Rohrkolben befallen. «Die Samen werden über die Luft übertragen. Die Pflanze hat extreme unterirdische Wurzeln», erklärt Rüttimann. Er gehe davon aus, dass diese Wurzeln die dichtenden Lehmschichten des Feldes zerstört haben und dieses deshalb Wasser verliere. Dagegen sei man praktisch chancenlos.

Bild: Alex Spichale
Ganz aufgegeben hätten sie den Reis nicht, aber einen Plan für die Zukunft gebe es ebenfalls keinen. Das Feld zu wechseln sei kaum möglich, da sie aufgrund der Nähe zum Naturschutzgebiet strenge Auflagen erfüllen müssten. Motiviert wären er und seine Frau nach wie vor. «Aber schlussendlich muss man der Realität ins Auge schauen, es bringt nichts, etwas schönzureden, das nicht funktioniert», sagt Rüttimann.
Untersiggenthal: «Es sieht besser aus, aber nicht gut»
Aufgeben mussten im vergangenen Jahr auch die Brüder Pirmin und Fredy Umbricht vom «Wein & Gemüse Umbricht» aus Untersiggenthal. «Bei der Feldvorbereitung hat das Wetter nicht mitgespielt», so Fredy Umbricht. In diesem Jahr sehe es besser aus, «aber nicht gut», ergänzt er. Sie werden Reis ernten können, aber leider viel zu wenig.

Bild: Dlovan Shaheri
«Ich habe nach dem Pflanzen einen Fehler gemacht, ich bin aber noch nicht schlüssig, welchen. Deshalb sind viele Jungpflanzen verendet», bedauert er. Sie würden es aber im nächsten Jahr definitiv nochmals versuchen. «Wir lernen mit jeder Saison dazu.»
Janis Looser aus Würenlingen verzichtete zu Gunsten der Unkrautbekämpfung nach einem schlechten 2023 diesmal auf Reis. «Ich habe zwei Mal hintereinander etwas anderes auf dem Feld angebaut. Nächstes Jahr werde ich es wieder probieren mit dem Reis», kündigt er an. «Es wäre eine super Sache. Die Leute fragen mich bereits, wann ich wieder Risotto verkaufe.»
Stetten: Risotto und Sushireis gedeihen prima
Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen und Kollegen der IG Aargauer Reis haben Natalie und Lukas Neuhaus aus Stetten bisher positive Erfahrungen gemacht. Sie haben 2024 ihr Anbaugebiet erweitert: Nun pflanzen sie auch Sushireis an, den man für Milchreis oder asiatische Gericht verwenden könne.
Beide Felder sähen aktuell sehr schön aus. «Wir haben bisher jedes Jahr zwei bis drei Tonnen geerntet und hoffen, dass wir in diesem Jahr wieder an das rankommen», freut sich Lukas Neuhaus. Er und seine Frau hätten grosse Freude an ihren Feldern und würden viel Herzblut reinstecken. Zum Aufwand sagt aber auch er: «Es ist eines der Produkte, für welches wir am meisten Arbeit investieren.»
Fazit: «Unternehmertum heisst auch mal etwas zu riskieren»
Obwohl einige der Aargauer Reisproduzierenden Enttäuschungen hinnehmen mussten, sind sie sich einig: Eine Fehlinvestition war der Versuch nicht. Der Tenor lautet stattdessen: Die Investition war überschaubar. Das Risiko haben sie in Kauf genommen.

Bild: Alex Spichale
Agroscope ist nach wie vor zuversichtlich. Auf Anfrage dieser Zeitung schreibt Yvonne Fabian, Projektleiterin Agrarlandschaft und Biodiversität: «Der Aargau bleibt ein interessanter Standort für den Nassreisanbau. Vorhandene Niederungsflächen rund um die Auengebiete und Wasserressourcen bieten gute Voraussetzungen.» Gleichzeitig seien aber klimatische Extreme wie Trockenphasen oder starke Niederschläge eine Herausforderung.
Diese müsse man durch angepasste Sorten, Bewässerungsstrategien und Schutz vor Austrocknung und Überschwemmung adressieren. Aktuell würde man Forschungsarbeiten zur Fruchtfolge im Nassreisanbau durchführen – zum Aussetzen einzelner Felder zur Unkrautunterdrückung, wie es einzelne Aargauer Landwirtinnen und Landwirte bereits tun.