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Geschichten, die in keinem Geschichtsbuch stehen: Die Erinnerungen dieser Wirte-Tochter sind eine echte Fundgrube

Die zwischen 1860 und 1930 in Laufenburg (Baden) lebende Frau war eine Chronistin ihrer Zeit. Sie erlebte die Sprengung des Laufens und den Bau des Rheinkraftwerks mit. Sie kannte die amerikanische Millionärin und «Schlössle-Madame» Mary Codman. Was Böhler alles erlebt hat, schrieb sie sorgfältig nieder.

Das Buch, in dem Hermine Böhler (1860-1930) ihre Erinnerungen an Ereignisse in Laufenburg und an Laufenburger Persönlichkeiten festhielt, wird im Stadtarchiv von Badisch-Laufenburg aufbewahrt. Das Buch ist etwa vier Zentimeter dick, die Seiten sind handbeschrieben.

Dieses anfangs leere Buch hatte der Gymnasiallehrer und Laufenburger Stadthistoriker Adolf Döbele Hermine Böhler geschenkt, mit dem Wunsch, dass sie darin ihre Erinnerungen festhalte. Döbele nahm gerne einen Abendtrunk im Gasthaus «Zur Post» ein. Die «Post» galt damals als beste Adresse in Kleinlaufenburg. Das von Familie Rink geführte Gasthaus – Hermine Böhler war die Schwester von Wirtin Berta Rink – verfügte neben der Wirtsstube über Hotelzimmer und in späteren Jahren sogar über ein Auto, mit dem den Gästen die Gegend gezeigt wurde. Touristen und Handelsreisende stiegen dort ab.

Hermine Böhler lebte von 1860 bis 1930. 
Repro: Cornelia Thürlemann

«Hermine Böhler muss die Seele des Gasthauses gewesen sein», erzählt der Laufenburger Stadtarchivar Martin Blümcke, der die Notizen Böhlers als Buch herausgegeben hat. «Sie war es, die die Gäste empfing, das Essen servierte und Fragen zur Stadt beantwortete.»

Augenzeugin bei der Sprengung des Laufens

Mit 68 und 69 Jahren, kurz vor ihrem Tod, hielt sie ihre Erinnerungen an das Leben in Kleinlaufenburg von etwa 1840 bis 1925 in diesem Buch fest. Einen wichtigen Platz nehmen die Sprengung des Laufens und der Bau des Kraftwerks ein. Diese hatte Böhler selbst miterlebt.

Böhler kannte auch die Amerikanerin Mary Codman und war bei ihr im «Schlössle» zu Gast. Auf rund 160 Seiten schrieb sie sorgfältig ihre Erinnerungen nieder. «Doch Schwäche und schwere Krankheit hinderten sie an der Weiterführung», schrieb ihr Förderer Döbele am Schluss des Buches.

Böhler nannte ihre Notizen «Denksteine der Vergangenheit». «Sie schildert Ereignisse aus dem Stadtleben, die man in keinem Geschichtsbuch findet», sagt Blümcke. Ihre Notizen sind eine Fundgrube über das Leben in Kleinlaufenburg von 1850 bis 1930.

Damit auch spätere Generationen die Texte Böhlers lesen können, begann Blümcke Seite um Seite von der damaligen in die heutige Schrift zu übersetzen. «Ich kam schnell voran, denn ihre Schrift ist ausgesprochen schön und leserlich», erinnert er sich.

Der Laufenburger Stadtarchivar Martin Blümcke hat die Notizen Böhlers als Buch herausgegeben. 
Bild: Cornelia Thürlemann

«Ohne die Fotos wären die Texte ein Torso geblieben»

Vor etwa sechs Jahren erhielt Blümcke einen Anruf von Wolfgang Rink, einem Urenkel des Schwagers Hermine Böhlers. Er habe Fotos von Böhler, meinte Rink, und habe sie später ins Stadtarchiv nach Laufenburg gebracht. «Ohne die Fotos wären die Texte ein Torso geblieben», betont Blümcke. Mit ihnen erhielt die Erzählerin ein Gesicht und wurde zu einer fassbaren Person. Blümcke ergänzte die Texte Böhlers mit einer Vielzahl an Fotos aus dem Stadtarchiv. Fotos, die viele noch nie gesehen haben.

Ein historischer Artikel Blümckes über «125 Jahre Gasthaus zur Post» (nicht zu verwechseln mit dem heutigen Wirtshaus «Alte Post» wenige Häuser oberhalb des früheren Gasthauses «Zur Post») rundet das Buch ab.

Das Buch «Denksteine der Vergangenheit – Altlaufenburger Erinnerungen» ist im Tourismusbüro in badisch Laufenburg erhältlich. Preis 24 Euro.