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Eine Schande, dass Lohndiskriminierung im Jahr 2025 noch besteht – aber hilft die Initiative dagegen?

Am 18. Mai entscheidet das Stimmvolk über die Volksinitiative «Lohngleichheit im Kanton Aargau – jetzt!». Gewerkschaften, Linke und Frauenorganisationen wollen mehr Lohnanalysen und die Wiedereinführung einer Fachstelle für Gleichstellung – bringt das wirklich etwas?

Seit 1981 ist die Gleichberechtigung von Frau und Mann in der Bundesverfassung garantiert. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, unabhängig vom Geschlecht, ist als Grundsatz in der Schweiz im Gleichstellungsgesetz seit 1996 verankert. Die Realität sieht leider anders aus; umgesetzt ist die Vorgabe noch nicht.

Wie der Kanton im Abstimmungsbüchlein schreibt, verdienten Männer im Jahr 2022 durchschnittlich 1364 Franken pro Monat mehr als Frauen. Davon sind 51,8 Prozent oder 707 Franken auf erklärbare Faktoren wie Branchen mit tieferen Löhnen, Ausbildung und weniger Frauen in Kaderpositionen zurückzuführen. Die restlichen 657 Franken sind nicht erklärbar. Sie weisen auf Lohndiskriminierung hin. Und das 29 Jahre nach Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes. Das ist eine Schande!

Heute kann eine betroffene Person klagen, wenn der Grundsatz der Lohngleichheit verletzt ist. Dafür muss sie die Diskriminierung glaubhaft machen. Unternehmen im ganzen Land müssen seit 2020 Lohngleichheitsanalysen ab 100 Mitarbeitenden durchführen.

Nur der Kanton Jura hat diese Verschärfung

Mit der Volksinitiative «Lohngleichheit im Kanton Aargau – jetzt!» wollen Gewerkschaften, Linke und Frauenorganisationen die Lohnanalysen auf Kantonsebene verschärfen. Neu sollen auch Firmen mit 50 bis 99 Mitarbeitenden solche Lohnanalysen durchführen müssen. Bei einem Verstoss gegen das Lohngleichheitsgebot seien Sanktionen vorzusehen. Die Kontroll- und Meldestelle soll mit der Wiedereinführung der Fachstelle Gleichstellung gewährleistet werden.

Das sind die Forderungen der Initiantinnen, sie sehen ihre Vorlage als sozialpolitischen Beitrag gegen Altersarmut und zu niedrige Renten. Lohnunterschiede führten zu Fehlanreizen für die Erwerbstätigkeit von Frauen mit Betreuungsaufgaben, was den Fachkräftemangel verschärfe. Lohnanalysen liessen sich mit dem kostenlosen Tool des Bundes ohne grossen Aufwand realisieren, argumentieren sie.

Bei der Annahme der Initiative ist von einer tiefen dreistelligen Anzahl zusätzlich betroffener Unternehmen auszugehen, die Lohnanalysen durchführen müssten. Doch warum soll es im Wirtschaftskanton Aargau eine zusätzliche Verschärfung geben, die bisher einzig der Jura seit dem 1. Oktober 2023 kennt? Auch die Schaffung einer zusätzlichen Fachstelle, bei der Staatskanzlei angesiedelt, bringt eher Kosten als Nutzen.

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Lohnfragen offener diskutiert werden und jüngere Frauen ihr Gehalt erfolgreicher verhandeln als ältere. Mit anderen Worten: Die Entwicklung geht in die richtige Richtung. Wie die Auswertung vom Bundesamt für Statistik im November 2024 zeigte, hat sich der Lohnunterschied seit 2012 verkleinert. Damit dies weitergeht, braucht es weder neue Verwaltungsstellen noch zusätzliche Bürokratie.

Zukunftsfähige Familienmodelle ermöglichen

Klar wäre es schön, wenn die Lohndiskriminierung schneller reduziert würde. Dazu braucht es aber nicht nur mehr Transparenz in der Salärpolitik, sondern von und für Frauen auch bessere Lohnverhandlungen, Weiterbildungsmöglichkeiten und den Mut, die Branche zu wechseln, wenn sie lohnmässig in einer Sackgasse stecken.

Lohngleichheitsanalysen nach der nationalen Vorgabe wurden im Jahr 2021 erstmals durchgeführt. Sollte sich bei der nächsten Runde ein negativer Trend zeigen, müsste schweizweit darauf reagiert werden. Der Aargau braucht keine Sonderregelung, die Volksinitiative für kantonale Vorgaben ist unnötig.

Auch die Wirtschaftsverbände lehnen die Initiative ab. Gerade die Unternehmen stehen bei einem Nein aber in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass sich die Anstellungsbedingungen und die Gleichstellung verbessern. Sie müssen attraktive Arbeitsplätze schaffen, um einerseits moderne Familienmodelle zu ermöglichen und andererseits dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.