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«Dann könnte ich durchdrehen»: 22-Jähriger schrammt an Gefängnisstrafe vorbei

Ein junger Schweizer steht vor dem Bezirksgericht in Lenzburg. Er ist Auto gefahren ohne Führerausweis, hat der Polizei die falschen Personalien angegeben und auch den Wagen seines Vaters entwendet. Das kommt ihn teuer zu stehen.

Die Anträge der Staatsanwaltschaft sind happig: Für ganze acht Monate soll der beschuldigte Jan (Name geändert) ins Gefängnis wandern, dazu eine Geldstrafe von 12’600 Franken zahlen. Angeklagt ist er, weil er Auto gefahren ist ohne Führerausweis und den Fahrzeugausweis sowie die Kontrollschilder trotz behördlicher Aufforderung nicht in der angesetzten Frist abgegeben hat. Als weitere strafbare Handlungen zur Last gelegt werden ihm, wie es offiziell etwas sperrig heisst: Hinderung einer Amtshandlung; in Verkehr bringen eines Fahrzeugs in nicht vorschriftsgemässem Zustand; Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch. Es sei eine rechte Serie zusammengekommen, stellt Gerichtspräsidentin Eva Lüscher fest.

Der Verhandlung vor dem Bezirksgericht in Lenzburg diese Woche folgt Jan aufmerksam. Eine gewisse Schlitzohrigkeit ist dem 22-jährigen Schweizer – Hoodie, Cargohose und Turnschuhe – nicht abzusprechen. In der Befragung räumt er ein, dass er seine administrativen und finanziellen Belange eine Zeit lang nicht im Griff hatte. Er sei undiszipliniert und faul gewesen, habe anderes im Kopf gehabt. Heute funktioniere es aber wunderbar. Das Militär habe ihm gutgetan. Auch am Arbeitsplatz habe er keine Probleme.

Nur im Innenraum gesessen und nicht gefahren?

Jan lebt in der Region, hat die Sekundarschule abgeschlossen und eine handwerkliche Lehre absolviert. Gemäss Anklageschrift hat er an einem Dienstagabend im Februar des vergangenen Jahres an seinem Wohnort einen Personenwagen gelenkt, obwohl das Strassenverkehrsamt seinen Führerausweis annulliert hatte – und ihm dies also untersagt war. Er geriet in eine Polizeikontrolle. Gegenüber den beiden Polizisten gab er sich als sein Bruder aus. Er wurde, heisst es weiter in der Anklageschrift, auf den Stützpunkt in Schafisheim gebracht, um die Identität festzustellen. Dort log Jan weiter, rückte erst nach Abschluss einer ersten Einvernahme mit der Wahrheit heraus.

Er habe Mühe gehabt mit der übertriebenen Reaktion und dem arroganten Auftreten der Polizei, nennt Jan gegenüber Einzelrichterin Lüscher den Grund, warum er die Personalien seines Bruders angegeben habe. Er sei ein normaler Mensch. Aber werde er unfreundlich und von oben herab behandelt, «dann bin ich auf 180, dann könnte ich durchdrehen», so der Beschuldigte. Dass er mit dem Auto gefahren sei, bestreitet Jan. Er habe am Fahrzeug gearbeitet und sei im Innenraum gesessen. «Das ist ja nicht verboten.»

An einem Morgen das Auto des Vaters entwendet

Alle weiteren Vorwürfe gibt er zu. Das sei so, da sei er offen und ehrlich, sagt er etwa auf die Frage, ob er an einem Donnerstagmorgen im Mai letzten Jahres tatsächlich das Auto seines Vaters – ohne dessen Wissen und Einverständnis – entwendet hatte. Laut Anklageschrift wurde er von der Polizei angehalten. Er könne keine schlaue Antwort geben, entgegnet er auf die Frage der Gerichtspräsidentin nach dem Warum.

Mittlerweile habe er das Velo für sich entdeckt, meint Jan mit einem Lachen. Ziel sei es aber, dereinst wieder Auto fahren zu dürfen und wieder in den Besitz des Führerausweises zu kommen.

Beschuldigter muss tief in die Tasche greifen

Nach kurzer Beratung spricht ihn das Gericht zwar schuldig, eine Gefängnisstrafe muss er allerdings nicht absitzen. Eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten wird bedingt ausgesprochen, die Probezeit auf zwei Jahre angesetzt. Das Gericht gehe davon aus, dass er etwas gelernt habe und sein Verhalten heute im Griff habe, lautet die Begründung.

Tief in die Tasche greifen muss der Beschuldigte aber dennoch. Eine frühere Strafe – er war bereits mit Polizei und Gericht in Konflikt geraten – wird widerrufen, fällig wird dadurch eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 110 Franken, insgesamt also 19’800 Franken. Dazu kommen eine Busse von 200 Franken sowie die Verfahrenskosten und Anklagegebühr von über 5000 Franken.