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«Man merkt erst, was man hat, wenn es weg ist»

Der Dorfladen in Reitnau ist nicht nur Nahversorger, sondern auch sozialer Treffpunkt – und wirtschaftlich ein Sorgenkind. Mit Herzblut und Durchhaltewillen kämpfen Filialleiterin Daniela Schaffner mit Team sowie Eigentümer Thomas Burgherr für den Erhalt eines Stücks Dorfkultur.

Daniela Schaffner, seit drei Jahren Filialleiterin des Dorfladens Reitnau, sieht die Hauptursache für die sinkenden Kundenfrequenzen in der veränderten Demografie und dem Einkaufsverhalten: «Sehr viele alte Leute, die regelmässig gekommen sind, sind gestorben. Und die junge Generation kommt nicht mehr so oft zu uns in den Laden wie die ältere Generation.»

Sie ergänzt, dass viele Kundinnen und Kunden mittlerweile lieber in grösseren Supermärkten einkaufen. Dies verringert den Umsatz in den kleinen Dorfläden und verunmöglicht in vielen Fällen, dass der Laden ein positives finanzielles Ergebnis erzielen kann. Doch auch im Dorfladen sei das Sortiment breit – mit günstigen Produkten wie der Linie «Sparnummer 1».

Sozialer Treffpunkt mit Herz

Besonders betont Schaffner den sozialen Wert des Ladens: «Wenn man in einem Dorfladen arbeitet, dann muss wirklich das Herz dazu da sein. Es ist familiär, man hat oft Kunden, denen der persönliche Kontakt wichtig ist», verrät sie. Viele ältere Kunden schätzten den Laden als sozialen Treffpunkt. «Es sind oft alleinstehende Personen, die täglich vorbeikommen, um ein bisschen zu plaudern», fügt sie hinzu.

Besonders eindrücklich seien Momente, in denen Menschen in schwierigen Lebenssituationen den Laden als «Oase» nutzen. «Das ist hier fast wie eine kleine Familie», erzählt Schaffner freudig.

Schaffner wünscht sich mehr Wertschätzung für den Dorfladen und eine stärkere Nutzung des Angebots: «Es würde sich lohnen, einfach mal reinzuschauen und zu sehen, was es alles gibt. Viele wissen gar nicht, dass man hier auch Post abgeben kann», bemerkt sie.

Der Dorfladen sei nicht nur ein Geschäft, sondern ein Stück Dorfleben, das es zu erhalten gilt: «Wenn der Laden weg ist, dann ist das Geschrei gross – aber dann ist es zu spät.»

Engagement für die Region und Zukunft

Der Eigentümer, Nationalrat Thomas Burgherr, übernahm den Dorfladen vor elf Jahren, nachdem die ehemalige Backstube und das Vorgängergeschäft geschlossen hatten. Er beteiligte sich am Kauf der Liegenschaft Hängele 1 und verpachtete den Laden zunächst an einen externen Bäcker. Als die Zusammenarbeit nach zwei Jahren endete, gründete er die Dorfladen Reitnau GmbH und einigte sich mit der damaligen Filialleiterin darauf, dass sie den Laden weiterführt, während er den operativen Part und die Finanzierung übernimmt.

Für Burgherr ist der Dorfladen mehr als ein wirtschaftliches Projekt. «Mir ist wichtig, dass die Region, in der ich aufgewachsen bin, weiterhin versorgt wird. Ich gebe gerne etwas zurück», betont er.

Obwohl der Laden wirtschaftlich Defizite schreibt, hält Burgherr an ihm fest. Er verweist auf die Unterstützung durch die ACAMA Immobilien AG, die seit Mitte 2024 mit an Bord ist und sich am Defizit beteiligt. Auch die TreuhandImmobilien AG/BS Unternehmungsberatungen AG hat das weitere Bestehen des Dorfladens mit einem finanziellen Beitrag ermöglicht.

Zudem steht ein Umzug des Dorfladens ab 2028 in den Dorfteil Attelwil bevor. Dort soll er mit einem ähnlichen Konzept weitergeführt werden, inklusive Poststelle. «Es wird ein Dorfladen wie jetzt, nur in einem anderen Stil», sagt Burgherr.

Seine Bitte an die Bevölkerung ist klar: «Ich bin dankbar, wenn die Leute das Angebot möglichst oft nutzen und den Wocheneinkauf hier machen. Man merkt erst, wenn etwas weg ist, wie wichtig es ist.» Auch vom Gemeinderat und der Bevölkerung spüre er Wertschätzung, was für ihn ein wichtiges Signal sei. Der Dorfladen Reitnau bleibt so ein sozialer Treffpunkt mit grossem Herz – getragen von engagierten Menschen, die an den Erhalt dieses Stücks Dorfkultur glauben.

Das zeigt sich auch im Vorfeld des Reitnauer Bergrennens am 29. Juni: Zur Einstimmung steht am Freitag und Samstag ein Grillstand vor dem Laden, und am Samstagmorgen werden Kaffee und Gipfeli angeboten. So zeigt sich der Dorfladen einmal mehr als lebendiger Bestandteil des Dorflebens – nah bei den Menschen und mitten im Geschehen.