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AKW-Verbot aufheben, Fotovoltaik an der Autobahn oder Kerzen im Klassenzimmer – das sind die Reaktionen im Aargau

Die Massnahmen des Kantons, um eine drohende Stromlücke im Winter zu verhindern, kommen bei den Aargauer Parteien und Verbänden unterschiedlich an – das sind die Reaktionen.

Die SVP ist froh, dass sich der Regierungsrat auf eine kurzfristige Mangellage vorbereitet, eine Taskforce einsetzt und den regelmässigen Austausch mit der Wirtschaft pflegt. «Es besteht noch ein knapp genügend grosser Planungsvorlauf – jedoch sollte sich der Regierungsrat trotzdem auch auf einen Blackout vorbereiten», schreibt die grösste Partei im Aargau. Das vorgeschlagene Testkraftwerk in Birr, das mit Gas oder Öl betrieben werden kann, begrüsst die SVP.

Sie hält aber auch fest, dieses ersetze die Produktion das abgeschalteten AKW Mühleberg nur zu rund 80 Prozent. Das Technologieverbot für Kernkraft müsse endlich aufgehoben werden, damit die Schweiz beim Strom einen möglichst hohen Selbstversorgungsgrad erreiche, fordert die SVP. Zudem müssten auch «die Einsprachemöglichkeit der linken Umweltverbände beschränkt werden, damit die Stromproduktion in der Schweiz erhöht werden kann». Der Staat solle weniger auf Einschränkungen und Verbote, sondern auf Steuererleichterungen bei erneuerbaren Energien setzen.

GLP will Elektroheizungen verbieten und durch Wärmepumpen ersetzen

Die Grünliberalen begrüssen die Vorbereitungen des Kantons auf einen drohenden Strom- und Gasmangel im Winter grundsätzlich. Sie stellen aber weitere Forderungen an den Regierungsrat. So erwartet die GLP, dass «Schwachstellen in der unterbrechungsfreien Versorgung kritischer Infrastruktur» umgehend behoben werden. Die Versorgung mit Diesel für Spitäler oder Verteilzentren sei notfalls «staatlich oder in Zusammenarbeit mit dem Militär sicherzustellen», schreibt die Partei.

Die CO2-Emissionen des Notkraftwerks in Birr sollen vollständig kompensiert werden und der Kanton soll sich dafür einsetzen, dass die Anlage «nur auf Anordnung im konkreten Notfall und nicht abhängig vom Preis betrieben wird». Sollten die Energieversorger Axpo oder AEW in finanzielle Not geraten, müsse der Kanton diese retten, fordert die GLP weiter. Schliesslich verlangt die Partei, dass Firmen und Bevölkerung den Verbrauch per sofort reduzieren – Elektroheizungen sollen umgehend durch Wärmepumpen ersetzt werden. Zudem will die GLP, dass Solaranlagen bei Neubauten künftig Pflicht werden.

SP fordert Fotovoltaikanlagen entlang der Autobahnen im Aargau

Die SP hält in einer Stellungnahme fest, der Kanton mache vieles richtig, vergesse aber das Wichtigste: jetzt selber schnell neue erneuerbare Stromquellen installieren. Im Aargau könnten Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von 300 Megawatt entlang der Autobahnen installiert werden, schreiben die Sozialdemokraten. Volkswirtschaftlich sei es falsch, jetzt mit viel Geld grosse ölbetriebene Notstromaggregate aufzubauen, die später wieder abgebaut werden müssten. Viel wichtiger und sinnvoller wäre es aus Sicht der SP, jetzt sofort Fotovoltaikanlagen aufzubauen, die auch in Zukunft sauberen Strom liefern.

Die Partei kritisiert zudem, der Kanton liege beim Stromsparen weit hinter den Möglichkeiten zurück. Im Aargau liessen sich laut Bundesamt für Energie jährlich rund 150 Gigawattstunden einsparen. Um dies zu erreichen, müsse der Kanton als Besitzer vieler Gebäude, Firmen (bspw. AEW), Infrastrukturanlagen und Flächen «einerseits selber Massnahmen ergreifen und andererseits für die Privaten und Firmen ein wirkungsvolles Impulsprogramm aufsetzen», fordert die SP.

FDP verlangt klare Rollenverteilung bei der Bewältigung der Krise

Die FDP, die Partei von Energiedirektor Stephan Attiger, lobt den Kanton. «Der Regierungsrat hat aufgezeigt, dass er die aktuelle Situation ernst nimmt und die notwendigen Planungsschritte vornimmt. Das ist richtig und wichtig», lässt sich Präsidentin Sabina Freiermuth in einer Mitteilung zitieren. Für den Ernstfall müsse aber klar sein, wer wann welche Rolle bei der Bewältigung der Krise übernimmt: Regierung, Verwaltung, kantonale und regionale Führungsstäbe, Gemeinden.

Mit dem Kraftwerk in Birr, das in Notfällen zum Einsatz kommen könne, übernehme der Kanton konkrete operative Verantwortung, schreibt die FPD. Grossrat Adrian Meier fördert darüber hinaus eine Diskussion «ohne ideologische Scheuklappen», bei der alle Möglichkeiten von Energieproduktion und -versorgung in Betracht gezogen werden. Die FDP Aargau hatte sich in einem Positionspapier dafür ausgesprochen, den Bau von Atomkraftwerken der neuen Generation zuzulassen.

Arbeit Aargau: Nein zu Ölkraftwerk in Birr

Der Gewerkschaftsdachverband Arbeit Aargau lehnt «die Reaktivierung des Reservekraftwerks in Birr zurzeit ab» und schreibt, der Rückgriff auf fossile Energiequellen dürfe erst als letztes Mittel in Betracht gezogen werden. Stattdessen setzt der Verband auf eine Solaroffensive, den Ausbau von Fernwärmesystemen und Programme zur Energieeffizienz. «Der Fokus muss auf nachhaltige Strategien und langfristige Lösungen gerichtet werden», so Geschäftsführerin Selina Egger.

Arbeit Aargau will eine allfällige «Flexibilisierung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen genau beobachten und wo nötig bekämpfen». Die Ansprüche und Rechte der Arbeitnehmenden dürften keinesfalls aufgeweicht oder sogar ausser Kraft gesetzt werden, schreibt die Organisation mit Blick auf mögliche Sonntagsarbeit wegen Strommangel unter der Woche. Die zu ergreifenden Massnahmen müssen sich im Rahmen der aktuellen gesetzlichen, gesamt- und normalarbeitsvertraglichen Bestimmungen bewegen.