Sie sind hier: Home > Bsetzistei > Mein Freund, der Baum

Mein Freund, der Baum

In der Ferienzeit im Sommer, Sie werden es selber merken, ist meistens wenig los, über das es sich zu berichten lohnt. Da freut man sich umso mehr, wenn in Zofingen wieder einmal ein Baum gerettet wird. Dieses Mal war es keine Rotbuche, sondern eine über 80-jährige Linde, die direkt an der General-Guisan-Strasse auf Höhe des Museums steht. Ein besorgter Bürger hatte beobachtet, dass im Zuge der Sanierung des Fernwärmenetzes beim Aushub einer Baugrube direkt neben der Linde deren Wurzeln in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Das veranlasste den Zofinger zu einem offenen Brief ans Bauamt, in dem er den fast unausweichlichen Tod der Linde befürchtete und die Stadt zum Handeln aufforderte. Die Stadt reagierte so prompt, dass man staunte. Zwei externe Fachgutachten wurden in Auftrag gegeben. Ein Baumpflegeexperte, der auf den Erhalt von Bäumen im Siedlungsgebiet spezialisiert ist, gab dann offenbar partielle Entwarnung und ordnete Massnahmen an: Der Linde verpasste man einen «Entlastungsschnitt» (eine Art Kurzhaarschnitt für Bäume), sicherte sie und behandelte die Wurzeln gegen Pilzbefall. Nach rekordverdächtig kurzer Zeit war das Problem erledigt und der Stadtrat durfte mitteilen: Ja, die Linde kann gerettet werden!

Den kollektiven Erleichterungsseufzer der Zofinger Bevölkerung konnte man bis nach Brittnau hören. Wer auch das Kleingedruckte in der Mitteilung der Stadt las, merkte zwar, dass es für Freudensprünge noch etwas früh ist. Man rechne nach einer gewissen temporären Verschlechterung des Zustands mit einer Erholung in den kommenden Jahren, stand da. Vielleicht etwas schwammig formuliert, aber die positive Message ist klar erkennbar, nicht wahr? Und falls nun doch das Undenkbare eintreten würde und die Linde irgendwann umkippt – ob der Wurzeln oder der Abgase wegen, spielt ja keine Rolle –, so muss sich die Stadt wenigstens nicht vorwerfen lassen, sie hätte nichts getan. Was die Rettungsaktion bisher gekostet hat, wissen wir nicht. Was ich allerdings mit Sicherheit weiss, ist, dass diese Linde das Klima in und um die Stadt kaum beeinflusst. Wenn ich ein Zofinger Baumfreund wäre – und von diesen gibt es über 1000, wie die Unterschriftensammlung für die Blutbuche gezeigt hat –, hätte ich womöglich einen Spendenaufruf gestartet. Und die angeschlagene Linde verpflanzt an einen Ort, an dem sie wesentlich besser zur Geltung kommt und an dem ihr Nutzen ungleich grösser ist. Wo dieser Ort wäre, fragen Sie sich? Das liegt doch auf der Hand: Auf den neusten und grössten Platz in Zofingen, auf dem bisher kein einziges Bäumchen Schatten spendet …