Sie sind hier: Home > Militär > «Herr Wachtmeister, die Truppe wünscht noch mehr Liegestützen» – das ist der neue Fitnesstrend in der Armee

«Herr Wachtmeister, die Truppe wünscht noch mehr Liegestützen» – das ist der neue Fitnesstrend in der Armee

Die neue Generation von Rekruten kämpft nicht mehr gegen einen imaginären Feind. Gegner ist seit Neustem der Bierbauch. Eine Glosse zur Generation Tiktok in den Kasernen.

Fett sind im Militär dieser Tage nur noch die Beamtenlöhne. Wer an einer Rekrutenschule vorbeiläuft, sieht erstaunlich viele durchtrainierte Männer und Frauen. Bierbäuche vom Ausgangsabend und ungepflegte Gesichter sind dagegen eine Seltenheit. Grund dafür ist nicht ein neues Reglement aus den Hause Amherd, sondern die Generation Tiktok, die ihre Instagram-Posts derzeit aus Kasernen tätigt.

Anders als früher muss der Sport vielerorts nicht mehr von oben verordnet werden, sondern ist nun der Wunsch der Soldaten und Rekrutinnen. Denn faule Heldenepen wie zu Papas Zeiten sind im Social-Media-Zeitalter als Mitbringsel zu wenig. Wenn die Rekruten schon 18 Wochen in der Kaserne leiden müssen, dann soll danach wenigstens ein instagramfähiger Waschbrettbauch rausschauen.

Dafür arbeiten die Jungsoldatinnen und -soldaten hart an sich selbst. Seit wegen der Ausgangssperre zu Corona-Zeiten auf vielen Waffenplätzen Fitnessstudios eingerichtet wurden, wird nämlich auch in der Freizeit viel trainiert. Berichte aus Ostschweizer und welschen Kasernen zeigen: Hier wird mehr geschwitzt als während des Tags – selbst wenn das Tagesprogramm von einem strengen Feldweibel der Panzertruppen dirigiert worden ist und die Präsenz des Divisionärs das Kader ins Schwitzen gebracht hat. Die Wände des Gyms sind voll von Anleitungen, wie man es zum für die Fitness funktionell ganz wichtigen Sixpack schafft.

Der neue Elan fürs militärische Training macht sich akustisch bemerkbar: Statt eines mässig motivierenden «In the army now» von Status Quo schallt mit «Push Up» von Creeds schnell schlagender Techno durch die Hallen.

Zum Dessert Proteinriegel statt Militärschoggi

Zur Belohnung fürs gute Trainieren gibts am Abend kein süsses Dessert, sondern einen Löffel Kreatinmonohydrat und vielleicht einen Proteinriegel. Die spärlichen paar Tafeln Militärschokolade klaut man zwar schon auch noch, aber nur für die Verwandtschaft. Und vor dem Lichterlöschen werden täglich mit pflichtbewusster Disziplin Vitamintabletten von A–Z geschluckt. Haut und Haare müssen schliesslich auch im Dienst fürs Heimatland Social-Media-fähig bleiben.

Resultat dieser Mühen sind selbstverständlich ein gestählter Adoniskörper und ein noch trainierterer Geist. Denn wer nach fünf Stunden Marsch und zwei Schiessübungen immer noch freiwillig aufs Dessert verzichtet, ist punkto Willensstärke mindestens so trainiert wie ein Elitesoldat der US-Army.

Getrübt wird das Bild dieser noch besseren «besten Armee der Welt» nur durch einen Schwund bei der geistigen Leistungsfähigkeit und Ausdauer. Das Hungern fürs Sixpack schwächt das Gehirn, das als wichtigste Energiequelle Zucker braucht. Im Militär lässt sich dieser Aspekt vielleicht noch vernachlässigen. Doch spätestens in der Ausdauerwoche beginnen Fotokalender-Soldaten mit Waschbrettbauch merklich zu leiden. Denn wenn nicht mehr dreimal täglich proteinhaltige Mahlzeiten serviert werden, ist man plötzlich froh um das eingebaute Reserve-Bäuchlein, das einen ein paar Tage zusätzlich ernährt.