
Nach Balkonsturz von Bub (4) in Aarau: Behörden ermitteln, ob die Mutter die Aufsichtspflicht verletzt hat
Vom vierten Stock fiel er aus dem Balkon auf den Asphalt, und vor dem harten Aufprall brach er noch durch eine Plexiglasscheibe. Der vierjährige Junge, der am vergangenen Donnerstag in Aarau-Rohr verunfallte und sich schwer verletzte, war zum Zeitpunkt des Sturzes in der Obhut der Mutter. Die Behörden klären derzeit ab, ob sie ihre Aufsichtspflicht verletzt hat.
Laut Rechtsanwalt André Kuhn müssen dafür rechtlich drei Voraussetzungen gegeben sein, wie er gegenüber Tele M1 sagt. Erstens das Nichthandeln trotz Handlungspflicht, zweitens die Voraussehbarkeit der Verletzungen, die eingetreten sind, und drittens die Vermeidbarkeit des Geschehnisses. «Alle drei Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein», sagt Kuhn. «Wenn eine wegfällt, ist das Handeln nicht strafbar.»
Mutter hatte Vorsichtsmassnahme getroffen
Die Nachbarn in der Wohnung oberhalb des verunfallten Jungen sagen gegenüber Tele M1, sie hätten den Türgriff zum Balkon abmontiert. Diese Vorsichtsmassnahme hatte offenbar auch die Mutter des verunfallten Jungen getroffen. Die ältere Tochter habe den Griff aber genommen und sei auf den Balkon – der kleine Bruder hinterher.
Die Mutter schilderte gegenüber Tele M1, dass sie noch gesehen habe, wie der Junge auf das Balkongeländer geklettert sei. Sie habe sich von hinten angeschlichen, im Versuch, ihn festzuhalten. Das habe nicht geklappt. Der Junge stürzte in die Tiefe.
Weiter sagt sie, der Sohn sei Autist, klettere gern überall hinauf und habe viel Kraft. Seit seinem Sturz befinde er sich nun im Spital, es gehe ihm aber bereits besser.
Freiheits- oder Geldstrafe drohen
Im schlimmsten Fall drohen der Mutter drei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung. Laut Rechtsanwalt Kuhn könnte sie aber auch ohne Strafe davonkommen. «Bei eigener Betroffenheit gibt es die Möglichkeit, dass das Strafverfahren eingestellt wird», sagt er. Das sei oftmals der Fall, wenn Eltern für die Verletzung ihres Kindes verantwortlich sind und selber heftig mitleiden. «Dann ist es nicht nötig, dass der Staat zusätzlich eine Bestrafung anordnet.»
Die Umstände werden nun im Strafverfahren geprüft. Die Autismusspektrumstörung des Jungen wird womöglich in die Ermittlungen einbezogen. Je nach Schwere der Störung muss die Aufsichtsperson mehr für die Sicherheit des Kindes tun.(lil)