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Gegen Corona-Bestimmungen verstossen? Bundesgericht kippt Entscheid der Aargauer Gerichte

Diese Reise im Jahr 2020 dauerte wohl länger als es einer Frau aus dem Bezirk Zofingen lieb war – sie verlängerte sich um drei Jahre und den Gang bis vor Bundesgericht. Dort schliesslich bekam sie endlich das Urteil, das sie sich erhofft hatte. Die Aargauer Gerichte wurden überstimmt.

Eine heute 54-jährige Frau war am 14. September 2020 aus Kroatien heimgekehrt. Erst kurz vor ihrem Rückflug hatte der Bund Kroatien als Corona-Risikoland eingestuft. In der Folge war sie eine von vielen Reisenden, denen wegen nicht erfüllter Meldepflicht eine Busse über 500 Franken plus Gebühr von nochmals 500 Franken ins Haus flatterte, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.

Ausgestellt wurde die Busse vom kantonsärztlichen Dienst Aargau, nachdem dieser die Passagierlisten der Airlines ausgewertet hatte. Die Frau soll die damals geltenden Bestimmungen für Reisen aus Corona-Risikoländern verletzt haben. Konkret: Sie soll es versäumt haben, ihre Reise innerhalb von zwei Tagen der zuständigen kantonalen Behörde zu melden, so der Vorwurf.

Beschuldigte sieht Meldepflicht erfüllt

Doch damit war die Beschuldigte nicht einverstanden. Ihr Argument: sie habe im Flugzeug eine Kontaktkarte mit BAG-Emblem ausgefüllt. So seien ihre Daten via Kantonspolizei Zürich zum zuständigen Contact-Tracing gelangt. Die verlangte Meldepflicht sei damit erfüllt, befand sie.

Sowohl das Bezirksgericht Zofingen wie auch das Aargauer Obergericht sahen das anders. Das Formular habe nur zur Kontaktaufnahme gedient, falls jemand an Bord erkrankt wäre. Die Frau hätte sich zudem über ihre Pflichten wegen der Covid-Pandemie informieren müssen, hielt das Obergericht fest. Zu den 1000 Franken Busse und Gebühr kamen neu noch 2800 Franken an Verfahrenskosten auf die Beschuldigte zu.

Jetzt, über drei Jahre nach der Reise, urteilt das Bundesgericht ganz anders. Es kritisiert, dass in der bundesrätlichen Verordnung vieles gar nicht geregelt war. Etwa, an welche kantonale Behörde man sich wenden muss oder über welchen Kanal das geschehen soll. Zudem hatte die Aargauerin schon in der ersten polizeilichen Befragung angegeben, dass sie im Flugzeug ein Formular ausgefüllt habe. Nach Ansicht des Bundesgerichts hat sie damit ihre Meldepflicht erfüllt.

Entschädigung statt Busse

Schliesslich, so das Bundesgericht, habe die Kontaktkarte den gleichen Zweck erfüllt wie die bundesrätliche Covid-Verordnung: die rasche Überprüfung, ob Reisende aus Covid-19-Risikogebieten die Quarantänepflicht einhielten. Der Frau könne deshalb nicht vorgeworfen werden, dass sie gegen das Epidemiengesetz verstossen habe.

Das Bundesgericht hat folglich den Schuldspruch aufgehoben. Es spricht ihr zudem eine Entschädigung von 3000 Franken aus der Aargauer Staatskasse zu.

Damit ist klar, dass auch andere Beschuldigte ihre Busse anfechten könnten – und wohl auch recht bekämen. Für die allermeisten kommt das aber zu spät. Denn wer die Busse akzeptiert und bereits bezahlt hat, bleibt in der Schweiz rechtskräftig verurteilt. (pin)