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«Naturschutz im Wald macht Sinn, weil er der Natur und der Biodiversität dient und sich auch wirtschaftlich rechnet»

Naturschutz ist auch im Wald ein wichtiges Thema. Revierförster Peter Gruber gibt Einblicke in die Thematik und schaut auf den Rothrister Waldgang vom 26. August voraus, den der Forstbetrieb Region Zofingen gemeinsam mit dem Naturschutzverein Rothrist durchführt.

Die Fahrt führt dem Rothrister Kanalweg entlang, dann überquert Peter Gruber das Riknerbächli und parkiert sein Forstfahrzeug dort, wo der Wald sanft ins Kulturland übergeht. Hier, im Gländ-Ischlag, in unmittelbarer Nähe zum Karpfenweiher, öffnet sich dem Betrachter eine wunderbar vielfältige Landschaft. «Hier befindet sich einer der schönsten Flecken Rothrists, die ich kenne», schwärmt der 44-jährige Revierförster des Forstbetriebs Region Zofingen, der auch schon seit zwölf Jahren die Waldungen der Rothrister Ortsbürgergemeinde betreut. «Am Rothrister Waldgang, der dem Thema ‹Naturschutz im Wald› gewidmet ist, wird das einer der Posten sein, an denen ein Halt eingelegt wird», sagt der Förster. Durchgeführt wird der Waldgang gemeinsam mit dem Naturschutzverein, der ­dieses Jahr sein 40-jähriges Bestehen feiern darf.

Ein Hotspot der Biodiversität

Was macht den speziellen Reiz dieses Ortes aus? Im Gebiet zwischen Gfill und Gländ-­Ischlag seien zahlreiche Aufwertungsmassnahmen zu Gunsten einer erhöhten Biodiversität vorgenommen worden. So wurde zum Beispiel 2011 der Gfillmoosweiher angelegt, der als einer von fünf zwischen 2004 und 2012 geschaffenen Karpfenweihern zur Teichperlenkette des Vereins «Karpfen pur Natur» gehört. Ein Hotspot der ­Natur, bei dem zahlreiche gefährdete und seltene Moose, Pflanzen- und Tierarten auftreten und beobachtet werden können. So traten bereits während der Bauphase das Warnstorfs Torfmoos und das Öländische Sternlebermoos auf, welche in der Schweiz gefährdet sind. Sporadisch tritt am Weiher auch der Kleinling auf, ein Ackerwildkraut, das durch Intensivierung des Ackerbaus, Entwässerung von Äckern und stärkerer Düngung in der Schweiz vom Aussterben bedroht ist. Auch die gefährdete Moorbinse, ein Staudengras, ist am Weiherufer anzutreffen.

Bei der Futtersuche können mit etwas Glück Biber, Iltis und Eisvogel beobachtet werden. Amphibien wie Erdkröte, Grasfrosch, Wasserfrosch, Fadenmolch, Bergmolch und Feuer­salamander kommen vor. Mit der Anlage einer Hecke, die ins Kulturland hineinführt, und weiterer Kleinstrukturen haben Eigentümer und Naturschutzverein Rothrist zusätzliche wichtige Elemente geschaffen, die die Vernetzung zwischen Wald und Kulturland sicherstellen.

Ein Hotspot der Biodiversität – das Gebiet zwischen Gfill und Gländ-Ischlag.
Bild: Thomas Fürst

Mit einem Eingriff durch den Forstbetrieb Region Zofingen wurde das Gebiet im Winter zusätzlich aufgewertet. «Wir haben in Absprache mit den verschiedenen Waldeigentümern den Waldrand aufgelichtet», sagt Gruber. Der Eingriff erfolgte im Rahmen des kantonalen Naturschutzprogramms Wald. Dabei wurden die Baumbestände entlang des Waldrands in östlicher Richtung stärker, in westlicher Richtung weniger stark aufgelichtet. «Hier sieht es momentan ziemlich braun, fast öde aus», stellt Gruber fest, weil wegen des vorher dichten Baumbestandes kein Licht mehr auf den Boden einfallen konnte.
Das werde sich schon bald ändern, ist sich der Rothrister Förster sicher, weil die Strauchschicht jetzt wieder mehr Licht und Platz erhalte. Wertvoll sei auch das Totholz, welches in besagtem Gebiet liegengelassen wurde. «Eine Auflage des Kantons», erklärt Gruber.

Viele Leute hätten zwar Mühe damit, dass Baumstämme, die man doch als Brenn­material verwenden könnte, einfach liegengelassen würden. Es seien nach den Auflichtungsarbeiten denn auch einige Anfragen von Leuten eingegangen, die das liegengelassene Holz gerne zu Brennholz verarbeitet hätten. «Totholz in den Wäldern ist aber ungemein wertvoll», erläutert Gruber. Rund 5000 Arten sind auf den Lebensraum Totholz angewiesen. Pilze, Käferlarven oder Asseln zersetzen altes und totes Holz. Flechten, Moose, Vögel und Insekten leben auf und im Totholz. Reptilien und Amphibien verstecken sich darunter, Schnecken suchen Feuchtigkeit und Nährstoffe in liegendem Totholz. Und nicht zuletzt liefert Totholz auch Nährstoffe für einen gesunden Boden und das Wachstum einer nächsten Baumgeneration.

Unter diesem Asthaufen versteckt sich eine Wieselburg.
Bild: Thomas Fürst

Das eine tun, das andere nicht lassen – also Totholz liegen lassen und gleichzeitig mehr Holz der Energieproduktion zuführen. «Ganz allgemein hat die Schnitzelproduktion in der Schweiz stark zugenommen», sagt Gruber. Er schätze, dass Forstbetriebe heute angesichts der Energiekrise rund 30 bis 50 Prozent der geernteten Holzmenge für die Energieproduktion verwenden würden. So auch beim Forstbetrieb Region Zofingen, der seit kurzem auch die neue Heizzentrale der StWZ in Zofingen mit Schnitzelholz beliefert.

Naturschutzprogramm Wald ist eine Erfolgsstory

Doch zurück zum Thema Naturschutz im Wald. «Aktuell läuft die fünfte und letzte Etappe des kantonalen Naturschutzprogramms Wald», sagt Gruber. Nach 2025 werde der Fokus weitgehend auf Unterhaltsarbeiten in den ausgeschiedenen Naturvorrang- und Naturschutzgebieten liegen. Das 1996 gestartete Naturschutzprogramm Wald des Kantons Aargau ist eine Erfolgsstory und bezüglich Zielerreichung auf Kurs, wie das Departement Bau, Verkehr und Umwelt in seinem Zwischenbericht zur fünften Etappe (2020–2025) des Programms feststellte. «Die bisherigen Etappen des Naturschutzprogramms Wald konnten seit 1996 bereits einen spürbaren Beitrag zur Artenvielfalt leisten», heisst es dort. Gemäss den 1996 formulierten Zielen sollten dem Naturschutz auf 17 Prozent der Aargauer Waldfläche sowie entlang von 200 Kilometern Waldrand Priorität eingeräumt werden. Die angestrebten Flächenziele sind – Stand heute – bei Naturwaldreservaten, Altholzinseln und Eichenwaldreservaten weitgehend erreicht. Bei den Spezialreservaten besteht noch ein gewisser Aufholbedarf, an den Übergängen zwischen Wald und Kulturland ist der Handlungsbedarf nach wie vor gross.

Bei Waldrandaufwertung besteht Potenzial

Deshalb hat der Kanton Aargau den Zielwert bei aufzuwertenden Waldrändern von bisher 200 auf 400 Kilometer verdoppelt. «Und gleichzeitig die Kriterien etwas aufgeweicht», weiss Gruber. Wurden Waldrandaufwertungen bis anhin nur an südexponierten Lagen finanziell unterstützt, so sind neu auch Waldrandaufwertungen an ost- oder westexponierten Lagen möglich, sofern das anstossende Land extensiv bewirtschaftet wird.

Das macht Naturschutz am Waldrand aus: aufgelichteter Waldrand, extensiv bewirtschaftete Fläche am Waldrand und eine Hecke, die ins Kulturland hineinführt.
Bild: Thomas Fürst

«Wir sind momentan an der Erarbeitung des Betriebsplans für die Jahre 2025 bis 2039 und werden dann sehen, welche weiteren Projekte wo sinnvoll sein könnten.» Allfällige Projekte würden auch in der Umweltschutzkommission besprochen, in der alle wesentlichen Ansprechpartner vertreten sind: Gemeinde, Forst, Jagdgesellschaft, Landwirte und Naturschutzverein. Dort liessen sich Projekte sehr gut koordinieren, sagt Gruber. Projekte, die für ihn in jeder Hinsicht Sinn machen, wie er abschliessend betont: «Naturschutz im Wald macht Sinn, weil er der Natur und der Biodiversität dient und sich auch wirtschaftlich rechnet.» Eine typische Win-win-Situation.

Der Waldgang Rothrist findet am Samstag, 26. August, bei jedem Wetter statt. Besammlung: 13.30 Uhr beim Forstwerkhof hinter dem Waldhaus.