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Netflix laufen die Kunden weg – Aktie bricht um über 25 Prozent ein

Der Streaming-Boom machte Netflix in der Pandemie zum grossen Gewinner. Nun steckt das Unternehmen in der Krise: Erstmals seit 2011 sinken die Nutzerzahlen. Schätzungen zeigen zudem, was «Lex Netflix» für das Unternehmen bedeuten könnte.

Der Streaming-Marktführer Netflix hat erstmals seit mehr als zehn Jahren ein Quartal mit Kundenschwund verkraften müssen. Bis Ende März gingen unter dem Strich rund 200’000 Bezahlabos verloren, wie Netflix in der Nacht auf Mittwoch mitteilte. Insgesamt sank die weltweite Nutzerzahl zum Quartalsende auf 221,6 Millionen. Eigentlich hatte Netflix mit 2,5 Millionen neuen Kunden gerechnet. Neben steigendem Konkurrenzdruck wirkten sich auch Folgen des Ukraine-Kriegs auf die Bilanz des Streaming-Riesen aus.

Die Anleger reagierten massiv enttäuscht: Die Aktie geriet nachbörslich heftig unter Druck und lag zeitweise mit über 25 Prozent im Minus. Netflix galt zu Beginn der Corona-Pandemie noch als einer der grossen Gewinner der Krise. Seit Jahresbeginn ist der Aktienkurs jedoch bereits um über 40 Prozent gefallen.

Nach Rückzug aus Russland fehlen 700’000 Abos

Für die schwachen Zahlen machte Netflix unter anderem den Rückzug aus Russland verantwortlich, wo sämtliche Kundenkonten wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine deaktiviert wurden. Gemäss Netflix fielen wegen der Massnahme auf Quartalssicht rund 700’000 Abos weg. Ohne diesen Effekt hätte es einen Anstieg um eine halbe Million Nutzer gegeben.
Ausserdem erklärte Netflix, dass die Statistik unter der Mehrfachnutzung von Kundenkonten leide, da viele Abonnenten ihre Passwörter teilten. Das Unternehmen schätzt, dass rund 100 Millionen Haushalte weltweit den Streaming-Service nutzen, ohne zu zahlen.

Düstere Aussichten

Für den grössten Schock am Finanzmarkt sorgte jedoch der Geschäftsausblick. Besonders schlecht kam an, dass Netflix angesichts der stärker werdenden Streaming-Konkurrenz davon ausgeht, auch im laufenden Vierteljahr Abonnenten zu verlieren. Und diesmal dürfte das Minus mit rund zwei Millionen Kundenkonten noch wesentlich stärker ausfallen.

Um das Wachstum wieder in Gang zu bringen, könnte Netflix in Zukunft sogar an einem seiner grössten Tabus rütteln und ein günstigeres Streaming-Abo mit zwischengeschalteten Werbe-Clips einführen.

«Schweiz-Zuschlag» für hiesige Netflix-Kunden

Wie günstig ein solches Abo in der Schweiz tatsächlich sein könnte, ist offen. Denn Netflix gehört hierzulande im Vergleich mit anderen Streaming-Diensten zu den teuersten. Die Schweizer Kundinnen und Kunden werden dabei ziemlich geschröpft, wie ein am Mittwoch veröffentlichter Vergleich von Moneyland zeigt.

«Die ausländischen Anbieter verdienen in der Schweiz viel mehr Geld pro Kunde als in anderen Ländern, ohne dass sie unter den hohen Standortkosten leiden», schreibt der Online-Vergleichsdienst. So bezahlen Schweizerinnen und Schweizer für ihr Netflix-Abo umgerechnet rund 40 Prozent mehr als deutsche Kundinnen und Kunden. Im Vergleich zur USA sind es etwa 30 Prozent.

«Lex Netflix» kein Grund, um Preise zu erhöhen

Am 15. Mai stimmt die Bevölkerung über die «Lex Netflix» ab. Eine der Befürchtungen der Gegner ist, dass die Abo-Preise bei einem Ja noch mehr steigen könnten. Denn das Gesetz verpflichtet Streamingdienste unter anderem dazu, vier Prozent ihres hiesigen Umsatzes in Schweizer Filme zu inves­tieren.

Allerdings hat das Bundesamt für Kultur (BAK) in einem Vergleich mit anderen Ländern wie Frankreich oder Spanien, die deutlich höhere Investitionspflichten kennen, bisher keinen Aufpreis bei den Streaming-Abos feststellen können. Das bestätigt auch Moneyland: Trotz Investitionspflicht sei ein Netflix-Abo in diesen Ländern «wesentlich günstiger als hierzulande». Da die grossen Anbieter in der Schweiz sowieso mehr verdienen, wären sie also nicht gezwungen, die Preise zu erhöhen.

Der Vergleichsdienst hat zudem ausgerechnet, was «Lex Netflix» für die Anbieter finanziell bedeuten könnte. Vor allem der Namensgeber wäre stark betroffen. Zwar gibt das Unternehmen keine Umsatzzahlen für die Schweiz bekannt, Moneyland schätzt die jährlichen Einnahmen jedoch grob auf 240 Millionen Franken. 4 Prozent davon wären demnach fast 10 Millionen. Bei Disney Plus, dem zweitgrössten Anbieter, wären es rund 2,6 Millionen Franken. Der Bund rechnet, dass durch das neue Gesetz jährlich 18 Millionen Franken zugunsten der Schweizer Filmschaffenden fliessen wird. (abi/dpa)