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Wie weiter mit China? Avenir Suisse präsentiert drei Optionen für die Schweiz

Die Beziehung zu China gleicht einer Gratwanderung, die immer heikler wird. Anhand drei Eskalationsstufen stellt die liberale Denkfabrik Avenir Suisse drei Optionen vor, wie sich die Schweiz positionieren soll.

Der Systemwettbewerb zwischen den USA und China nimmt zu. Zwischen den beiden grössten Volkswirtschaften der Welt ist ein Kräftemessen im Gange, das durch den Krieg in der Ukraine noch verschärft wird: Wegen seiner russlandfreundlichen Position distanzieren sich die USA und viele europäische Länder von China. Forderungen werden laut, die technologische und wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu reduzieren.

Inmitten dieser angespannten Situation muss sich auch die Schweiz positionieren. Die Schweiz habe den Umgang mit China lange Zeit «verharmlost», kritisierte etwa Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Man müsse sich fragen, ob die Schweiz künftig überhaupt noch mit autoritären Regimes Handel treiben solle. Diese Frage beschäftigt auch den liberalen Thinktank Avenir Suisse. Am Mittwoch stellte Avenir Suisse eine neue Studie vor, die drei Optionen im Umgang mit China aufzeigt.

Ein Spagat zwischen Wirtschaftsinteressen und internationalem Druck

China ist nach der EU und den USA der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz. Doch wie Avenir Suisse feststellt, wächst der Druck auf die Eidgenossenschaft, sich international stärker für die westlichen Grundwerte einzusetzen – und etwa Menschenrechtsverletzungen durch China klar zu benennen. Auf der anderen Seite stehen die Neutralitätspolitik und das aussenwirtschaftliche Ziel, die Marktzugänge offen zu halten. Das führt zu einem Spagat, der die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu China beeinflusst.

Nun stellt Avenir Suisse drei Optionen vor, wie die Schweiz sich im Umgang mit China positionieren soll. Die Szenarien orientieren sich an drei Eskalationsstufen:

Geringer Druck – «Pragmatismus»: Im günstigsten Szenario würden weder die USA noch China oder die EU grossen Druck auf die Schweiz ausüben, sich Sanktionen oder diplomatischen Noten anzuschliessen. Dann ist laut Avenir Suisse eine pragmatische Strategie angebracht: Die wichtigsten Handelspartner seien «diplomatisch bei Laune zu halten». Eine Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ist anzustreben, «von öffentlichkeitswirksamer Kritik oder wirtschaftlichen Sanktionen wird abgesehen».

Mittelstarker Druck – «Autonomer Nachvollzug»: Wenn der Druck steige, die Schweiz beispielsweise gedrängt werde, die Position der USA oder der EU zu übernehmen, brauche es primär eine Anlehnung an die Beschlüsse der USA oder EU. Dann wäre eine zweigleisige Strategie angesagt: China ist sowohl Partner als auch wirtschaftlicher Wettbewerber und systemischer Rivale.

Hoher Druck – «Schulterschluss im Westen»: Im schlimmsten Fall, wenn sich die USA und China etwa gegenseitig mit einem Handelsembargo belegen oder gar in eine militärische Konfrontation geraten würden, ist laut Avenir Suisse von einer einheitlichen Haltung des Westens unter Führung der USA auszugehen. Dafür ausschlaggebend sind die geteilten Wertvorstellungen. Die Reaktion Chinas dürfte heftig ausfallen: Die Schweiz würde riskieren, ihren wichtigsten Handelspartner in Asien zu verlieren. Um die Folgen abzufedern, müsste die Schweiz einen wirtschaftlichen Schulterschluss nicht nur mit der EU, sondern auch mit den USA suchen.

Dieses letzte Szenario wäre für die Schweiz schmerzhaft: Unternehmen müssten sich vorbereiten, gegebenenfalls nur noch in zwei der drei Wirtschaftsräume EU, USA und China tätig zu sein, so Avenir Suisse. Hoffnung machen darf laut der Denkfabrik die Tatsache, dass die wirtschaftliche Verflechtung heute viel stärker sei als zu Zeiten des Kalten Krieges. So dürfte auch China kein Interesse an einer Eskalation haben, da es noch längere Zeit auf den Westen als Absatzmarkt angewiesen sei.

Schweiz und China handeln jährlich Waren im Wert von 50 Milliarden Franken

Die Schweizer Exporte an China betragen nach Angaben des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit jährlich Waren im Wert von 31 Milliarden Franken, die Importe belaufen sich auf 19 Milliarden Franken. Hierzulande profitieren gemäss Angaben von Avenir Suisse rund 132’000 Beschäftigte vom Waren- und Dienstleistungsexport nach China.

Zwischen 2010 und 2019 wuchsen die Warenexporte der Schweiz nach China durchschnittlich um 8,4 Prozent pro Jahr. Doch trotz der hohen Wachstumsraten würden die EU und wohl auch die USA in den nächsten Jahrzehnten die grössten Handelspartner der Schweiz bleiben, so Avenir Suisse.