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«Eine Zumutung»: Über 30 Grad ohne Klimaanlage – Aarburger Wirt streitet sich mit Vermietern

Weil zunächst eine Klimaanlage fehlte, streitet sich der Wirt des «Bacio Nero» in Aarburg mit seinen Vermietern – bis vor Bezirksgericht.

Wo er wohl mehr schwitzt: jetzt vor Gericht oder damals in seinem Lokal? Vermutlich damals. Denn hier am Verhandlungstag vor dem Bezirksgericht Zofingen wirkt Silvio Errico eigentlich ziemlich cool. Zwar ist er nicht immer zufrieden mit dem, was er hört. Doch aus der Ruhe bringen lässt er sich kaum.

Worum geht es? Silvio Errico ist Wirt. Zusammen mit seiner Frau Marianne hat er im Coronajahr 2020 in einem Neubau, Typ Bahnhofsarchitektur aus Glas und Stahl, in Aarburg die italienische Kaffeebar Bacio Nero eröffnet. Rund 350 000 Franken haben er und seine Frau investiert. Das Lokal ist Teil eines Franchiseunternehmens aus Süditalien, eine Art Starbucks, aber echte Italianità, nicht die amerikanische Perversion italienischer Kaffeekultur: Cappuccino statt Frappuccino, Ristretto statt Pumpkin-Spice-­Latte, Cannolo siciliano statt New York Cheesecake.

Doch Glacetheke, Kühlschränke und Gefrierzellen geben Wärme ab. Und sorgten bereits ab Frühling für süditalienische Sommerhitze im Lokal. Bereits Mitte April kletterten die Temperaturen auf über 30 Grad. An der Eröffnungsfeier Anfang Juni 2020 schwitzten alle: Gäste, Personal, Wirt Errico. Italianità pur.

Und wegen der Hitze sitzen Errico und die neuen Eigentümer des Hauses nun hier im Bezirksgericht Zofingen; Errico verlangt eine Mietzinsreduktion und einen Schadenersatz von 30 000 Franken.

Eine Zumutung für Gäste und Personal

Nach und nach werden Zeugen und Zeuginnen befragt. Und alle sagen sie das Gleiche: Ja, es war heiss, unerträglich heiss. «Die Sonne hat richtig reingebrätscht. Wir haben uns die Kleider nass gemacht, um uns zu kühlen», sagt eine ehemalige Kellnerin. Gäste hätten oft nur draussen Platz genommen.

Der Ex-Partner einer anderen ehemaligen Kellnerin spricht vom unangenehmen Körpergeruch seiner Freundin, wenn sie nach Hause kam. An der Eröffnungsfeier blieb er nur wegen ihr. «Normalerweise wäre ich keine zehn Minuten geblieben, so heiss war es.» – «Es war eine Zumutung für Gäste und Personal», sagt Wirt Errico in seiner Befragung. «Und beschämend für mich als Gastronomen.»

Kern des Streits: eine Klimaanlage. Oder besser gesagt: eine fehlende Klimaanlage. Denn im Herbst 2019, als das «Bacio Nero» noch im Entstehen war, entschied man sich gegen den Einbau einer Klimaanlage. Man wollte abwarten. Der damalige Besitzer des Gebäudes würde die Kosten für den Einbau übernehmen, sollte eine Klimaanlage nötig werden, so die Vereinbarung, die auch im Mietvertrag festgehalten gewesen sei.

Bei den Gesprächen beteiligt waren auch ein Ingenieur und eine Bauleiterin, die ebenfalls vor Gericht aussagen. Er habe stets eine zentrale Kühlung mit Abwärmeleitung empfohlen, sagt der Ingenieur. «Als es an der Eröffnungsfeier so heiss war, war mir schon klar, warum. Die Hitze ist selber produziert.»

Mobile Klimaanlagen brachten keine Kühlung

Errico versuchte, den Raum irgendwie zu kühlen: Er mietete zwei mobile Klimaanlagen und platzierte sie im Raum. Der einzige Effekt: verärgerte Nachbarn, die sich über die Kabel und Klimaanlagen im Treppenhaus aufregten. Mitte Juni 2020, einige Wochen vor der Eröffnung, wird in einem Mailverkehr doch noch beschlossen, eine fixe Klimaanlage einzubauen. Doch dann habe der damalige Besitzer des Hauses den Auftrag wieder zurückgezogen, erzählt eine weitere Zeugin, die für die Immobilienverwaltungsfirma tätig war. Warum, wird in der Verhandlung nicht klar. Er sei nicht über den Widerruf informiert worden, sagt Errico.

Im Herbst 2020 kam es zu einem Besitzerwechsel – und zu einem neuen Mietvertrag mit neuer Klausel. «Plötzlich hiess es, die Klimaanlage muss auf eigene Kosten eingebaut werden», sagt Errico. «Es ist eine bodenlose Frechheit, dass versucht wird, einem Gastronomen ein neuer Vertrag mit neuer Klausel unterzujubeln.»

Die neuen Besitzer wiederum sagen vor dem Bezirks­gericht Zofingen, beim Kauf des Gebäudes sei abgemacht gewesen, alle früheren Probleme würden auch durch den vorherigen Besitzer übernommen werden. Sie hingegen seien Teil der Lösung und nicht des Problems gewesen. «Wir wollen, dass sich unsere Mieterinnen und Mieter wohl fühlen. Die grosse Frage ist doch: Warum hat der frühere Besitzer nicht früher reagiert?» Die Frage bleibt vor dem Bezirksgericht Zofingen unbeantwortet.

Der Winter folgt, im Lokal wird es wieder kühler. Der Sommer 2021 kommt, Corona ist noch nicht vorüber, das Personal muss Maske tragen. Und die Hitze steigt wieder, eine Klimaanlage fehlt weiterhin. Errico beschliesst, seine Miete nicht mehr zu bezahlen, sondern bei der Schlichtungsstelle zu hinterlegen. «Mir ging es darum, Druck aufzubauen», sagt Errico. Und plötzlich ging es schnell: Im November 2021 wurden zwei Klimageräte eingebaut.

Die Temperaturen im «Bacio Nero» sind wieder erträglich. Doch der Streit um die Mietzinsreduktion und die Schadenersatzforderung von 30 000 Franken ist noch nicht erledigt. Es kommt zu einer nicht öffentlichen Vergleichsverhandlung. Diese sei gescheitert, sagt Errico einige Tage nach der Verhandlung am Telefon. Weitere Details will er nicht nennen.