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Ist die Deutschschweiz im Bundesrat bald in der Minderheit? Der Rücktritt von Sommaruga könnte zur Premiere führen

Die SP-Spitze hält es für «absolut denkbar», dass eine Westschweizerin Nachfolgerin von Simonetta Sommaruga wird. Damit gäbe es im Bundesrat erstmals vier Mitglieder aus der lateinischen Schweiz. Doch es gibt Gegenwind – sogar aus der Romandie.

In den letzten 174 Jahren gab es im Bundesrat unzählige neue Konstellationen. Etwas blieb seit der Gründung des Bundesstaates jedoch gleich: Die Deutschschweiz besetzte stets eine Mehrheit der sieben Sitze. Meist sassen in der Landesregierung nur zwei Vertretende der lateinischen Schweiz. Seit 2015 und der Wahl von Guy Parmelin (SVP, Waadt), Alain Berset (SP, Freiburg) und Didier Burkhalter (FDP, Neuenburg), der mittlerweile durch Ignazio Cassis (FDP, Tessin) ersetzt wurde, sind es deren drei.

Mit dem Rücktritt der Bernerin Simonetta Sommaruga könnten die Mehrheitsverhältnisse zwischen den Sprachregionen nun ins Wanken geraten. Denn die SP-Spitze, die sich für ein reines Frauen-Ticket stark macht, ermuntert explizit auch Politikerinnen aus der Romandie und dem Tessin zu einer Kandidatur.

«Es ist für uns absolut denkbar, dass zwei Romands die SP repräsentieren», sagte Co-Präsident Cédric Wermuth am Mittwoch. Und Fraktionschef Roger Nordmann ergänzt: «Die Frage der Regionen ist aus unserer Sicht zweitrangig. Für uns ist es wichtig, dass die SP im Bundesrat mit einem Mann und einer Frau vertreten ist. Darüber hinaus wollten wir das Kandidatinnenfeld nicht weiter einengen.»

Überlegt sich eine Kandidatur: SP-Regierungsrätin Rebecca Ruiz.
Bild: Jean-Christophe Bott / Keystone

Sprachregionen müssen angemessen vertreten sein

Als mögliche Bundesrats-Anwärterinnen aus der Westschweiz werden die Waadtländer Regierungsrätinnen Rebecca Ruiz und Nuria Gorrite gehandelt. Beide überlegen sich eine Kandidatur. Eine allfällige Wahl von ihnen hätte zur Folge, dass erstmals vier Personen aus der lateinischen Schweiz im Bundesrat Platz nehmen würden und die Deutschschweiz trotz ihres Bevölkerungsanteils von über 65 Prozent in der Minderheit wäre.

Gewiss: Bei einer nächsten Vakanz – etwa im Fall eines Rücktritts des Freiburger SP-Bundesrates Alain Berset – könnte sich die Situation schnell wieder ändern. Doch selbst eine temporäre Mehrheit der lateinischen Schweiz wäre historisch.

Auf einem anderen Stern steht, wie realistisch ein solches Szenario überhaupt ist. Denn sogar in der Westschweiz gibt es Gegenwind.

So zeigt sich FDP-Fraktionschef Damien Cottier «überrascht» von den Überlegungen der SP. «Normalerweise stellt eine Partei mit zwei Bundesratssitzen mindestens eine Person aus der Deutschschweiz», so der Neuenburger. Damit komme man den Vorgaben in der Verfassung nach. Denn die angemessene Vertretung der Sprachregionen in der Regierung ist in Artikel 175 der Bundesverfassung festgeschrieben. «Wenn nun noch eine vierte Person aus der lateinischen Schweiz in den Bundesrat gewählt würde, wirft dies die Frage auf, ob die Vorgaben in der Verfassung noch respektiert sind», so Cottier. Er habe da seine Zweifel, umso mehr, als dass der Zeitpunkt einer nächsten Vakanz unklar sei.

«Deutschschweiz weiss sich zu wehren»

In den Augen von SP-Fraktionschef Roger Nordmann wäre eine temporäre Mehrheit der lateinischen Schweiz im Bundesrat dagegen bedenkenlos. «Ein Problem besteht nur dann, wenn eine sprachliche Minderheit untervertreten ist», sagt der Waadtländer. «Die Deutschschweiz als Mehrheit weiss sich sowieso zu wehren.»

Fordert von der SP eine Auswahl: FDP-Fraktionschef Damien Cottier
Bild: Anthony Anex / Keystone

Darüber hinaus betont Nordmann, dass die SP ein Zweier-Ticket präsentieren werde. Das Parlament dürfte also – falls es zu einer Westschweizer oder Tessiner Kandidatur kommt – zwischen den Sprachregionen wählen können.

Damien Cottier genügt das indes nicht: «Wir erwarten von der SP-Fraktion, dass sie mit einer Auswahl vor die Bundesversammlung kommt. Sollte es neben einer Person aus der lateinischen Schweiz auf dem Ticket nur eine einzige Kandidatur aus der Deutschschweiz geben, ist dies nicht wirklich der Fall.»