
Nach Katastrophe in Blatten: SVP-Graber geht auf Rot-Grün los
Auch sechs Tage nach dem verheerenden Bergsturz ist die Lage in Blatten fragil. Mehrere hunderttausend Kubikmeter instabiler Fels am Kleinen Nesthorn verunmöglichen einen grösseren Einsatz von Fachleuten auf dem Schuttkegel.
Noch zögern einige Geologen, den Berg- und den dadurch verursachten Gletschersturz auf den Klimawandel zurückzuführen. Boris Previšić vom Urner Institut Kulturen der Alpen bestätigt in der NZZ, dass noch nicht zu beziffern sei, welchen Anteil der Klimawandel am Bergsturz habe.
Der Alpenforscher stellt jedoch klar: «Die Eintretenswahrscheinlichkeit solcher Ereignisse hat sich in den letzten Jahren massiv erhöht. (…) Diese Häufung ist eindeutig auf die Aufwärmung des Permafrosts zurückzuführen – und damit auf den Klimawandel.»
Auch Grünen-Nationalrat Christophe Clivaz ist der Ansicht, dass der Klimawandel bei Ereignissen wie jenem in Blatten eine zentrale Rolle spielt. Das mit dem Klimagesetz beschlossene Netto-Null-Ziel bis 2050 sei gut und recht, es brauche aber weitere Massnahmen. «Doch darüber besteht im Parlament keine Einigkeit», sagt Clivaz, der Mitglied der Umweltkommission ist. Er betont: «Zusätzliche Massnahmen helfen langfristig, kosten jedoch kurzfristig Geld. Das wollen die Bürgerlichen leider nicht.»

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Der Walliser stört sich auch am Vorgehen des Bundesrates, welcher den Bundeshaushalt durch Einsparungen beim Gebäudeprogramm entlasten möchte. Mit dem Gebäudeprogramm erhalten diejenigen Hausbesitzer finanzielle Unterstützung, die ihr Haus isolieren oder alte Heizungen durch umweltfreundlichere ersetzen wollen. Dadurch können CO₂-Emissionen reduziert werden.
Clivaz hofft, dass die Tragödie in Blatten beim Bund und bei bürgerlichen Parlamentariern zu einem Umdenken führt. Er sagt: «Die Folgen des Klimawandels werden für viele Bergdörfer in Zukunft zur existenziellen Frage. Es braucht mehr Mittel, um dem Klimawandel entgegenzuwirken.»
Eine Möglichkeit, die Clivaz vorschwebt: Gelder aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) für den Wiederaufbau des Strassennetzes in der betroffenen Bergsturzregion einzusetzen. Im NAF befinde sich viel Geld, auch weil die Bevölkerung den Autobahnausbau an der Urne abgelehnt hatte. Andere Mitglieder der Grünen gingen einen Schritt weiter und schlugen vor, Gelder aus dem NAF direkt für die Bekämpfung des Klimawandels einzusetzen.
Diesem Vorschlag kann SVP-Nationalrat Michael Graber wenig abgewinnen: «Die Gefahr ist gross, dass Rot-Grün dieses Naturereignis dazu missbraucht, ihre tote Klimahysterie und ihre irrwitzigen Umverteilungsfantasien wiederzubeleben.»

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Gerade die Walliser Bergbevölkerung sei stark auf das Auto angewiesen. Hier Geld «einzusparen», ist für den Walliser «kein Thema».
Aus Sicht Grabers sei es sehr unwahrscheinlich, dass der Bergsturz in Blatten alleine durch aufgetauten Permafrost ausgelöst wurde. «Doch selbst wenn das eine Rolle spielen sollte: Wir können daran nichts ändern», so Graber. Bergstürze in dieser Grössenordnung habe es schon immer gegeben und es werde sie auch immer geben.
Wie Clivaz fordert auch Graber, dass die Politik angemessen auf die Katastrophe in Blatten reagiert. Inhaltlich weichen ihre Forderungen jedoch markant voneinander ab.
Graber unterstützt die Forderung von SVP-Parteipräsident Marcel Dettling. Dieser will die Hälfte der Schweizer Entwicklungshilfe einfrieren, bis jeder Grundeigentümer von Blatten entschädigt sei. «Danach können wir weiterschauen.»

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Die Garantien für die Credit Suisse oder die Einführung des Schutzstatus S hätten schliesslich gezeigt: «Wenn es sein muss, kann der Bund rasch und kreativ reagieren.»
In der am Montag begonnenen Sommersession berät der Nationalrat die von SP und Grünen eingereichte Klimafonds-Initiative. Diese fordert einen Fonds, dessen Gelder der Bund unter anderem für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Dekarbonisierung von Verkehr, Gebäuden und Wirtschaft einsetzt. 0,5 bis 1 Prozent des Bruttoinlandproduktes soll der Bund dafür bereitstellen. Das Geld soll nicht der Schuldenbremse unterstellt sein.
Die vorberatende Umweltkommission des Nationalrats empfiehlt mit 15 zu 8 Stimmen, die Klimafonds-Initiative abzulehnen. Die Mehrheitsmeinung: Die aktuelle Klimapolitik der Schweiz könne zwar noch effizienter gestaltet werden, sei aber für die Zukunft grundsätzlich der beste Weg.
Grünen-Nationalrat Clivaz steht hinter der Klimafonds-Initiative und sagt: «Mehr Geld für die Armee und weniger für den Klimaschutz oder den Kampf gegen Naturkatastrophen – das geht nicht.»