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Neue Details zum Mordkomplott gegen Dick Marty: «Wenn er getötet wird, glauben alle, Thaçi steckt dahinter»

Der ehemalige Tessiner Ständerat und Kosovo-Sonderermittler Dick Marty lebt seit mehr als zwei Jahren unter Polizeischutz. Jetzt werden neue Details bekannt zur Affäre, in die mutmasslich der serbische Geheimdienst verstrickt ist. Marty fühlt sich aktuell vor allem von albanischer Seite bedroht.

«Der Mann hat mir das Leben gerettet», sagt Dick Marty. «Der Mann» ist ein Whistleblower, der als Doppelagent für Europol arbeitete. Er warnte die Schweizer Behörden vor einem Mordkomplott gegen Dick Marty. Der ehemalige Tessiner Staatsanwalt und FDP-Ständerat amtierte auch als Kosovo-Sonderermittler für den Europarat.

In einer Reportage enthüllt das Magazin «Temps présent» von RTS jetzt neue Details. Demnach traf der Whistleblower im Dezember 2020 eine Person der serbischen Unterwelt mit Verbindungen zum Geheimdienst und sprach mit ihm über Hashim Thaçi. Er war früher Chef der kosovarischen Befreiungsarmee UKC und später Ministerpräsident von Kosovo. Vor dem Kosovo-Sondertribunal in Den Haag ist Thaçi angeklagt wegen Kriegsverbrechen; er soll für etwa 100 Morde verantwortlich sein.

Hashim Thaçi, hier im Jahr 2019 bei einer Gedenkveranstaltung in Kosovo, war Chef der kosovarischen Befreiungsarmee UKC und später Ministerpräsident von Kosovo. 
Valdrin Xhemaj / EPA

Bei dem Treffen sagte der Mann aus der serbischen Unterwelt: «Es ist gut, dass Thaçi verhaftet wurde. Aber ich bin nicht sicher, dass er verurteilt wird, die Amerikaner schützen ihn. Kosovo hat Probleme wegen Dick Marty. Wenn er ermordet wird, glauben alle, Thaçi steckt dahinter und das Gericht wird ihn nicht mehr freisprechen können.» Mit anderen Worten: Offenbar wollten serbische Kreise Dick Marty töten und die Schuld dafür Kosovo in die Schuhe schieben. Nikola Stojanovic, Berater des serbischen Premierministers, verneinte gegenüber RTS jede Verwicklung des serbischen Staates in die Affäre.

Der Whistleblower alarmierte im Dezember 2020 umgehend das Bundesamt für Polizei (Fedpol). Seither steht Dick Marty unter Polizeischutz, während viereinhalb Monaten hielten sich Polizisten in dessen Keller auf, ausgestattet mit Maschinengewehren und Granaten. In diesen Tagen hat der 78-jährige Marty ein Buch über sein Leben unter strengem Polizeischutz publiziert.

Von serbischer Seite fühlt er sich nicht mehr bedroht, weil die Pläne aufgeflogen seien, sagte er im Fernsehbeitrag. Gefährdungspotenzial ortet er vielmehr von albanischer Seite, dass ein «einsamer Wolf» der UCK nach seinem Leben trachte. «In diesem Milieu herrscht ein tiefer Hass gegen mich.» Dies hat mit Martys Rolle als Kosovo-Sonderermittler des Europarats zu tun. In seinem Bericht beschuldigte Marty kosovarische Spitzenpolitiker, unter anderem Thaci, schwerer Verbrechen.