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Alles für die Klicks? Trans-Influencerin Dylan Mulvaney macht mir ihrem Song viele sauer

Dylan Mulvaney ist eine der berühmtesten Transfrauen der Welt. Bisher hat sie vor allem Menschen, die sowieso ein Problem mit Transmenschen haben, sauer gemacht. Doch jetzt sind es auch Frauen – egal, ob sie als solche geboren wurden oder nicht. Und ich glaube, teilweise mit Absicht.

Songtexte sind so eine Sache. Nicht alle sind gut, und manche machen genau null Sinn. Nicki Minaj sang mal: «Als ich eine Geisha war, war er ein Samurai. Irgendwie habe ich ihn verstanden, als er Thai sprach.» Ungeschlagen ist aber Lil Yachty, der herausposaunte, seine neue Freundin «bläst den Penis wie ein Cello.» Im Nachhinein hat er erzählt, dass er nicht wusste, was ein Cello ist. Immerhin hat es sich auf Englisch gereimt. Apropos: Der ganze Text zu «I Want It That Way» von den Backstreet Boys ist kompletter Quatsch – weil ein Schwede das Werk ohne grosse Englischkenntnisse geschrieben hat. Es haben also schon sehr viele Menschen sehr dumme Sachen geträllert. Jetzt tut das auch Dylan Mulvaney.

Bekannt wurde sie über TikTok, wo sie ihre Reise zur Transfrau unter dem Titel «Days of Girlhood» dokumentierte. Die viralen Videos führten zur Zusammenarbeit mit der US-Biermarke «Bud Light» – und zu einem gewaltigen Kindergarten, in dem konservative Biertrinker zum Boykott aufriefen oder gleich auf Bierdosen schossen. Und Dylan Mulvaney war plötzlich überall.

Ich möchte rasch ganz klar sagen: Ich habe nichts gegen Transfrauen oder sonst jemanden. Sei, wer du willst, liebe, wen du willst, tu, was du willst, solange du niemanden dabei verletzt. Ich habe kein Problem mit Dylan, sondern eher mit dem Grund für ihr Verhalten.

Sie präsentierte sich von Anfang an so extrem weiblich, dass es fast an Satire grenzt. In einem TikTok-Video erzählte sie aufgeregt, dass sie nun immer Tampons und Slipeinlagen dabeihabe. Sie benutzt sie logischerweise nicht, aber sie zeigte vor allem völlig überdreht, dass sie keine Ahnung hat, wie das Ganze funktioniert. Und schon schrien Konservative zum Sturm – aber auch manche Frauen waren genervt.

Mit einem Foto von sich und Lady Gaga wünschte sie Anfang März auf Instagram allen einen schönen Weltfrauentag. An sich kein Problem, doch von konservativer Seite wurden gleich wieder die Mistgabeln geschwungen: Transfrauen seien keine «echten» Frauen, sondern «Männer, die nur glauben, Frauen zu sein.» Doch auch manche Frauen – und Transfrauen – waren von dem Post irritiert. Ein Kommentar trifft den Nagel auf den Kopf: «Sie wollte Transfrauen hervorheben, statt zu versuchen, sie mit einzubeziehen.» Es ging nicht um Akzeptanz, sondern vor allem um Aufmerksamkeit. Und genau das ist der Punkt: Zumindest zum Teil ist die Provokation Absicht.

Jetzt trällert Dylan in «Days of Girlhood» davon, wie sie quasi aufholen und das Leben einer Frau im Schnelldurchlauf lernen muss – und trampelt dabei in jedes grauenhafte Frauen-Cliché: «Am Montag komme ich nicht aus dem Bett. Am Dienstag hole ich Medikamente ab. Mittwoch: Shoppingtherapie. Am Donnerstag hatte ich einen Walk of Shame und kannte nicht mal seinen Namen. Am Freitag gebe ich zu viel Geld aus. Am Samstag flirten wir für Drinks. Am Sonntag löst der ‹Twilight›-Soundtrack meinen Zusammenbruch in der Badewanne aus.» Zusammengefasst: Frauen sind faul, mental instabil, interessieren sich nur für Shopping und sind praktisch Schlampen.

Klar, das Ganze ist komplett überspitzt, das Video so pink und flauschig, dass selbst Barbie persönlich neidisch werden würde. Aber sie spielt damit auch völlig in die Hände von Trans-Gegnern, die sie als Beispiel für alle Transfrauen benutzen.

Natürlich darf Dylan singen, worüber sie will und sich geben, wie sie ist. Sie ist nicht dafür verantwortlich, wie Transfrauen wahrgenommen werden. Das Problem ist, dass die Gesellschaft fröhlich alle in einen Topf wirft und kein Gespür für Nuancen hat. Das Trans-Thema ist extrem umstritten, und es braucht nicht viel, um sämtliche Fortschritte wieder in den Müll zu werfen.

Aber die Devise lautet trotzdem: Hauptsache auffallen – egal zu welchem Preis. So wird man heute berühmt. TikTok-Prankster spielen anderen «Streiche», die weit über die Schmerzgrenze gehen. «Alpha»-Männer schreien ihre frauenverachtenden Phrasen in die Welt, je krasser, desto besser. Der Unterschied liegt schlichtweg darin, dass diese Menschen nicht Teil einer verletzlichen Gruppe sind, die politisch wenig Macht hat.

Dylan hat kürzlich selbst gesagt, dass ihr bewusst sei, dass ihr Handeln mehr Menschen betrifft als nur sie. Aber sie sei halt so und nerve halt manchmal auch. Ist das schlimm? Nein, aber sie tackert sich – und somit auch vielen anderen Transfrauen – eine Zielscheibe auf die Stirn. Und die Frage bleibt: Zur Selbstverwirklichung oder eben auch für Klicks?