
Online-Hass statt Hogwarts: Ob die neuen «Harry Potter»-Stars wissen, worauf sie sich einlassen?
Unter über 30’000 Kindern wurden Dominic McLaughlin, Alastair Stout und Arabella Stanton ausgewählt, in der neuen Serie Harry, Ron und Hermine zu spielen. Das Bild der drei jungen Schauspieler ging vor ein paar Tagen um die Welt – genau wie das der Originaldarsteller vor über 20 Jahren. Auch Daniel Radcliffe, Rupert Grint und Emma Watson hatten damals keine Ahnung, worauf sie sich da eingelassen haben. Doch diesmal trifft das mehr zu denn je. Die Welt ist heute eine andere – und die Diskussionen um die Serie deutlich politischer.
Die Produktionsfirma HBO hat bereits bei der Veröffentlichung auf Instagram vorsorglich sämtliche Kommentare zum Post deaktiviert. Man sollte meinen, das sei nicht nötig, doch die Vergangenheit hat uns gelehrt: Fans verlieren leicht die Contenance, wenn ihnen etwas nicht passt. Vor allem in Kommentaren auf Social Media. Und filmische Neuauflagen lassen so manche Menschen schneller explodieren, als man «Reducto» sagen kann (für alle Nicht-Potterheads: Das ist ein Zauberspruch, um Dinge zu sprengen).

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Ich gehöre zu jenen Hitzköpfen, die sich in Rage reden, wenn es um Reboots oder Remakes geht. Von Simbas toten Augen in der Live-Action-Version von «König der Löwen» bis zum neuen «Lilo & Stitch»-Film, der zwar nicht per se schlecht ist, aber die Message vollkommen zum Fenster rausgeworfen hat! Aber zurück zum Thema.
Ist eine «Harry Potter»-Serie nötig? Natürlich nicht. Vor allem, wenn sie das Portemonnaie von J.K. Rowling füllt, die sich gerade erneut in ihr Anti-Trans-Gemotze stürzt und nun sogar eine eigene Organisation gegründet hat, die Frauen vor trans Personen schützen soll.
Muss man die Schauspieler deswegen online beleidigen? Nein! Tatsächlich ploppen auf Social Media diverse Videos auf, in denen Influencer daran erinnern: «Liebe Fans, denkt daran, dass ihr erwachsen seid – und diese Schauspieler Kinder sind!» Doch ähnlich wie die «Harry Potter»-Erfinderin hacken auch andere Menschen gerne auf denen herum, die sich nicht wehren können. In diesem Fall sind es Kinderstars.
So wurde beispielsweise «Star Wars»-Darsteller Jake Lloyd vor 26 Jahren dermassen gemobbt, dass er sogar die Schule verliess und sich in Drogen stürzte. Nur weil erwachsenen Fans nicht genehm war, wie der damals Zehnjährige Anakin Skywalker verkörperte. Und ohne jemanden beleidigen zu wollen: «Harry Potter»-Fans sind ähnlich besessen. Oft im guten, aber manchmal leider auch im schlechten Sinne.

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Es ist praktisch ein Wunder, dass Daniel Radcliffe, Rupert Grint und Emma Watson heute so normal sind. Abgesehen davon, dass Radcliffe zwischenzeitlich Alkoholiker wurde und Watson seit ihrer Kindheit Kommentare zu ihrem Aussehen ertragen muss. Aberverglichen mit anderen Kinderstarskamen sie eigentlich recht gut davon.
Doch genau wie sie damals haben sich auch die neuen Darsteller auf ein gewaltiges Langzeitprojekt eingelassen. Oder besser gesagt: Die Erwachsenen hinter ihnen haben sie in etwas hineinkatapultiert, dessen Folgen sie kaum abschätzen können. Schliesslich soll sich die Serie über zehn Jahre hinziehen. Wer weiss, wie sich diese Kinder oder die Meinung der Zuschauer ändern?
Diese Wankelmütigkeit bekommt aktuell Schauspielerin Bella Ramsey zu spüren. Als Elfjährige wurde sie in «Game of Thrones» als rebellische Lyanna Mormont gefeiert. Doch als sie nun zehn Jahre später in der Videospiel-Verfilmung «The Last of Us» mitspielte, hagelte es übelste Beleidigungen. Der Grund: Erwachsene sind sauer, weil sie nicht «so hübsch» aussieht wie ihr Charakter – ein Teenager! – im Spiel.

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Doch es sind nicht immer nur fiese Fans. Mae Whitman verzauberte das Publikum 1996 in «Independence Day» als kleine Tochter des Präsidenten. Doch 20 Jahre später wurde sie in der Fortsetzung nicht einmal in Betracht gezogen, obwohl sie nach wie vor eine talentierte Schauspielerin war. Laut Regisseur Roland Emmerich wollte sie nicht für die Rolle, die sie bereits verkörpert hatte, vorsprechen. Ob Jeff Goldblum oder Bill Pullman auch vorsprechen mussten, um ihre Rollen im Alien-Film erneut zu spielen? Keine Ahnung. Schlussendlich wurde stattdessen Maika Monroe engagiert – sicher auch talentiert, aber eben auch gross, schlank und blond.

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Die Frage ist fies, aber was passiert mit Kinderstars, die aufwachsen und – angeblich – «hässlich» werden? Ganz einfach: Wer nicht gewaltig talentiert, reich und berühmt ist, verschwindet von der Bildfläche. Und das betrifft längst nicht nur Frauen. Haley Joel Osment ist dafür ein weiteres undankbares Beispiel. Als Kind fand man ihn in «The Sixth Sense» süss, als Erwachsenen nicht mehr. Genau wie tonnenweise andere Kinder, die hübsch sind, aber nicht alle zu Schönheiten heranwachsen.

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Auch Lindsay Lohan war ein herziger Kinderstar – der sich als Teenager in Essstörungen, Drogen und Alkohol flüchtete. Das hinterliess Spuren. Äusserlich und innerlich. Vielleicht hatte sie deshalb kürzlich den Drang, ihr Gesicht generalüberholen zu lassen. Und vielleicht will sie das nicht offen zugeben, weil sie noch immer Angst vor gemeinen Kommentaren hat.
«Wann hätte ich das tun sollen? Mit welcher Zeit?», flötete sie, als sie auf ihr verändertes Aussehen angesprochen wurde. Stattdessen erzählte sie etwas von einem ominösen Saft aus Karotten, Ingwer und Zitronensaft, den sie täglich trinkt – und «ein bisschen Botox».

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Also wer weiss, was auf die neuen «Harry Potter»-Darsteller zukommt. Klar, sie werden sicher berühmt und verdienen viel Geld. Aber man kann nur hoffen, dass sie nicht ebenfalls ein Alkohol Problem entwickeln oder beleidigt werden, wenn sie es wagen, nicht ewig wie 21 auszusehen.