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Jäger mit Krawatte: Erkenntnisse und Bekenntnisse eines Aktionärs-Aktivisten

Der Cevian-Partner und ABB-Verwaltungsrat Lars Förberg ist so etwas wie die schwedische Antwort auf Martin Ebner. Nun vermittelt er tiefere Einblicke – über sich und seine mächtige Investmentfirma sowie in die obskure Welt der Renditetreiber.  

«Ich fühle mich wie ein fünfjähriger Junge, der barfuss über eine Sommerwiese läuft», beschreibt Lars Förberg im Gespräch mit der Finanzzeitung «Dagens Industri» seinen aktuellen Gemütszustand. Das Selbstbild wirkt etwas eigenartig für einen 58-jährigen Mann, der es als knallhart rechnender und ebenso hart agierender Investor zum Milliardär gebracht hat.

Förberg ist so etwas wie die schwedische Ausgabe von Martin Ebner – oder vielleicht eher so etwas wie dessen Nachfolger. Während der finanzielle Abstieg des einstigen Schweizer Manager-Schrecks und Firmenjägers vor über 20 Jahren im Zuge des Börsenkrachs und des Terroranschlages auf das New Yorker World Trade Center so richtig Fahrt aufnahm, stand die von Lars Förberg und dessen Partner Christer Gardell gegründete Investmentfirma Cevian gerade am Anfang ihres Aufstieges.

Objekt der Begierde war sowohl für Martin Ebner wie auch für Förbergs Cevian der Elektrotechnikkonzern ABB. Das 1988 aus der Fusion der schwedischen Asea mit der schweizerischen BBC hervorgegangene Unternehmen war nach einer 20-jährigen Ära mit schwedischen Chefs wie Percy Banevik, Göran Lindahl oder Jürgen Centerman in eine existenzielle Krise geschlittert. Ebners hoch verschuldete BZ-Gruppe war gezwungen, ihre ABB-Beteiligung in Höhe von fast 10 Prozent zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt zu verkaufen.

Mit ABB hat alles angefangen

Förberg und Gardell ihrerseits hatten ABB bereits ins Visier genommen. Förberg sagte dem Finanzmedium «The Market» 2019 in seinem bis zum vergangenen Wochenende einzigen Interview, ABB sei der erste Konzern überhaupt gewesen, den Cevian nach ihrer der Gründung im Jahr 2002 als mögliches Investment analysiert habe. «Wir arbeiteten mehr als 13 Jahre daran, bevor wir die Aktien kauften.»

Treffender als «arbeiten» wäre für Investoren wie Förberg und Gardell vermutlich das Verb «abwarten». Cevian liess ABB die Probleme selber lösen, vermied so die grössten Risiken und wagte den Einstieg erst, als der Aktienkurs Jahre nach dem heftigen Einbruch in der Finanzkrise noch immer nicht auf den alten Hochständen zurück war.

ABB: Die Firma des Begehrens für Cevian.
Bild: Walter Bieri / Keystone

Als Cevian 2015 zugriff, blieb in dem Konzern bald kein Stein mehr auf dem anderen. Im Tandem mit der schwedischen Industriellenfamilie und ABB-Grossaktionärin Wallenberg (10,03 Prozent) sorgten die Skandinavier zunächst dafür, dass ABB das traditionsreiche Geschäft mit der Stromübertragung an Hitachi veräusserte, um alsbald mit der Wahl von Björn Rosengren die 17-jährige Absenz schwedischer CEO zu beenden. Schon drei Jahre zuvor erreichten Cevian und die Wallenbergs, dass Förberg als scharfer Kritiker des damaligen CEO Ulrich Spiesshofer in den ABB-Verwaltungsrat gewählt wurde.

Ganz im Stil von Martin Ebner, der es in seinen besten Zeiten bestens verstanden hatte, in der einschlägigen Finanzpresse Wind für seine Investments zu machen, operiert auch Cevian. Frühzeitig und medienwirksam nannten Gardell und Förberg ein Kursziel für die ABB-Aktie von 35 Franken. Als dieses 2022, sieben Jahre später, tatsächlich erreicht war, legten sie mit 50 Franken sogleich ein neues Kursziel fest.

Und dann wird wieder verkauft

Nicht an die grosse Glocke hängten die Schweden freilich die Tatsache, dass sie zu jenem Zeitpunkt bereits dabei waren, ihre ABB-Aktien wieder zu verkaufen. Erst Anfang August, als die Beteiligung unter die meldepflichtige Marke von 3 Prozent zurückglitt, erfolgte die Bestätigung.

ABB sei nach dem starken Kursanstieg der letzten Jahre zu schwer geworden im Portefeuille von Cevian, begründete Gardell den Beteiligungsrückbau in schwedischen Medien. Anderen Investitionen trauen die Investoren nun offensichtlich mehr Rendite zu. Man sei mit dem Aufbau einer neuen Beteiligung an einer «richtig grossen Firma» beschäftigt, liess sich Gardell vernehmen, ohne genauer zu werden.

Mit einem investierten Vermögen von rund 150 Milliarden schwedischen Kronen oder umgerechnet etwa 12 Milliarden Franken gilt Cevian als Europas grösster Aktivistenfonds. Aktionärsaktivisten versuchen definitionsgemäss Einfluss auf die Strategie der Unternehmen zu nehmen, in die sie investieren. Mit dem Ziel vor Augen, einen höheren Aktienkurs zu erreichen, mobilisieren diese Investoren gezielt die breite Masse der Trittbrettfahrer an der Börse. Methoden zur Stärkung der eigenen Glaubwürdigkeit sind einerseits öffentliche Diskreditierung von Widersachern und anderseits die ostentative Darstellung der eigenen Überlegenheit.

Förberg sagt: «Wir haben ein Investment-Modell gebaut, das es uns erlaubt, die Firmen besser zu verstehen als die allermeisten». Überprüfen lässt sich seine Behauptung nicht. Aber Cevian behauptet, man habe in den vergangenen 20 Jahren 50 Investitionen getätigt und nur deren zwei mit Verlust.

Die Wege führen bis nach Zürich

Dafür lässt sich die Investmentfirma von ihren Kunden fürstlich entschädigen. Pensionskassen und andere institutionelle Investoren zahlen 1,5 Prozent auf dem Vermögen, das sie von Cevian verwalten lassen. Das sind rund 180 Millionen Franken pro Jahr. Darüber hinaus würden bis zu 20 Prozent der erzielten Anlagegewinne bei Cevian einbehalten.

Wie reich die beiden Cevian-Gründer mit ihrem Investmentvehikel geworden sind, will Förberg den schwedischen Journalisten nicht verraten. Stattdessen sagt er: «Unsere Kunden haben die Transparenz. Sie wissen alles, was sie wissen müssen.» Zu den Investoren bei Cevian gehören mitunter Pensionskassen, deren Mitglieder eine andere Auffassung von Transparenz haben könnten.

Der erste Cevian-Investor war gemäss Förberg übrigens eine Firma namens Capital Z, die zwar zum Universum der Zurich-Gruppe gehörte, deren seinerzeitiger Manager Steven Gluckstern vom damaligen Zurich-Chef Rolf Hüppi aber alle Freiheiten hatte, ein heillos intransparentes Geflecht von Investmentfirmen aufzubauen, in dem es auch Platz für grosse Wetten gab. Capital Z investierte im Herbst 2001 rund 100 Millionen Euro bei Cevian und verpflichtete sich, auch die Anlaufkosten für die Firma zu decken. Nur wenige Wochen später kam es zum grossen Börsenkrach, der die «Zürich» nicht zuletzt aufgrund ihrer überzogenen Anlagerisiken an den Rand des Abgrundes brachte.

Ein Vermögen von je rund 1,2 Milliarden Franken

Förbergs und Gardells Vermögen wird in Schweden auf je rund 1,2 Milliarden Franken geschätzt – eine plausible Annahme. Es sei wichtig, sich nicht vom Virus des Reichseins anstecken zu lassen, sagt Förberg. «Wer Geld hat, denkt weniger darüber nach, wie er dieses ausgeben könnte, als darüber, wie er seine Zeit verbringen sollte. Das ist relevanter. Es ist nicht das Geld, das regiert.»

Trotzdem drehen sich Förbergs Gedanken fast nur um Cevian. Zwar gäbe es in der Firma inzwischen ein Dutzend Partner, aber «Christer und ich haben grossen Spass an dem, was wir machen. Wir werden nicht aufhören zu arbeiten». Förberg sagt, Golf interessiere ihn nicht, ebenso wenig wie Autos. Umso mehr kann sich der Mann aber für Automobilaktien begeistern. Die Beteiligung an Volvo im Jahr 2006 sei wie ein Angriff auf Schwedens gute Stube gewesen, erinnert sich Förberg. Als «sehr, sehr fragwürdig» habe der seinerzeitige schwedische Premierminister Göran Persson die Art und Weise bezeichnet, mit der «diese Venture-Kapitalisten Firmen aufspalten». Förberg stellt diese Art von Auseinandersetzungen wie Trophäen ins Fenster von Cevian.

«Mir ist es egal, was andere hinter meinem Rücken über mich sagen. Menschen können reden – ich glaube an Karma», stellt Förberg klar. Er spricht über seine Homosexualität, die er nach 30 Jahren Ehe und als Vater von zwei erwachsenen Kindern entdeckt oder vielleicht eher zugelassen habe. Die Erfahrung habe viele Fragen in ihm aufgeworfen: «Wer bin ich? Was denke ich? Warum fühle ich mich so? Bin ich schon einmal ich selbst gewesen? Ich dachte, ich wäre es gewesen, aber ich wunderte mich trotzdem.» Der fünfjährige Junge auf der Sommerwiese sagt: «Ich mag Menschen, die so leben, wie sie sind, die es wagen, so zu sein, wie sie sich fühlen – authentisch.»

Nun ist Dormakaba dran

Er sei derselbe Mensch geblieben wie zuvor. «Ich habe mich nicht verändert, nur weil ich schwul bin», sagt Förberg über sich selbst und offensichtlich ist es sein Wunsch, dass das auch alle anderen wissen. Das ist nicht unwichtig für einen Menschen, der den Anspruch hat, grosse Unternehmen umzugestalten und das Schicksal von Tausenden von Beschäftigten mitzubestimmen.

Förberg sagt: «Menschen zu lesen, ist eine unserer Kernkompetenzen. Wir verbringen viel Zeit damit, Vertrauen aufzubauen.» Er müsse Führungspersönlichkeiten in andere (die von ihm gewünschte) Richtung bewegen können. Unter ihnen gäbe es Narzissten, Alphatiere, die ganz von sich selbst eingenommen seien. «Damit muss man umgehen können». In solchen Momenten dürfte der kleine Junge auf der Sommerwiese eine andere Persönlichkeit annehmen. Man wüsste gern, welche.

Förberg lebt und arbeitet seit 2007 in Zürich, wo Cevian eine Niederlassung unterhält. Das neueste Investment von Cevian in der Schweiz ist die Schliesstechnikfirma Dormakaba.