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Wie steht es um das Jahrhundertprojekt? Mehrheit der betroffenen Bevölkerung steht hinter Endlager-Entscheid

Im Zürcher Unterland soll dereinst das Endlager für den Schweizer Atommüll gebaut werden. Nun zeigt eine neue Studie: Die Mehrheit der Bevölkerung der Standortregion wehrt sich nicht gegen den Entscheid – und kann diesem sogar Positives abgewinnen.

Vor wenigen Jahren war die Region Nördlich Lägern im Zürcher Unterland nur Einheimischen ein Begriff. Unterdessen hat das Gebiet Bekanntheit erlangt – schliesslich soll hier dereinst der Schweizer Atommüll gelagert werden. Im September 2022 teilte die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) mit, dass man mit dem Standort in der Gemeinde Stadel einen geeigneten Ort für das Endlager gefunden habe.

Damit endete vorerst die fast fünfzig Jahre andauernde Suche nach einem Standort für das geologische Tiefenlager. Und diesmal dürfte es tatsächlich gut kommen. Darauf lässt zumindest eine am Dienstag publizierte Studie des Forschungsinstituts GFS Bern schliessen. Im Auftrag der Nagra führte das Institut eine nationale und eine regionale Bevölkerungsbefragung mit über 1800 Personen durch.

Nagra macht aus Sicht der Mehrheit einen guten Job

Die Resultate zeigen: Der Widerstand gegen das Tiefenlager hält sich in Grenzen. Die Mehrheit der Einwohnerinnen von Nördlich Lägern ist informiert über das Projekt zur Endlagerung des Atommülls. Gut zwei Drittel der Befragten aus der betroffenen Region geben an, sich wegen des Lagers keine Sorgen zu machen oder dieses zumindest zu akzeptieren. Lediglich 5 Prozent geben an, sich aktiv gegen das Projekt zur Wehr zu setzen. Weitere 22 Prozent haben ein ungutes Gefühl und sind grundsätzlich dagegen, in Stadel ein Endlager zu errichten.

Hier soll das Endlager gebaut werden.
Illustration: Nagra

Der Nagra stellt die Mehrheit der betroffenen Bevölkerung ein gutes Zeugnis aus: Drei Viertel halten die Genossenschaft für einen glaubwürdigen Akteur, dem grosse Fachkompetenz attestiert wird. Mehr als die Hälfte fühlt sich im Prozess ernst genommen. Jene 17 Prozent, die sich nicht ernst genommen fühlen, wünschen sich mehr Transparenz und zusätzliche Informationen.

Zwar erwartet nur eine Minderheit der betroffenen Bevölkerung einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen für die Region. Doch grosse Teile der Befragten halten es für wahrscheinlich, dass ein Endlager für zusätzliche Einnahmen für die Gemeinde sorgt und dauerhafte Arbeitsplätze schafft. Allerdings werden auch negative Auswirkungen nicht ausgeschlossen: Eine kleine Minderheit der Bevölkerung vor Ort sieht im Tiefenlager eine Gefahr für Gesundheit und Umwelt. Deutlich mehr Menschen befürchten Spannungen in der Bevölkerung und Unruhe durch Protestveranstaltungen.

«Diese Befürchtungen nehmen wir ernst», sagt Jagna Züllig von der Nagra. Ziel sei deshalb, in den kommenden Jahren noch stärker mit der Bevölkerung zusammenzuarbeiten. Aus diesem Grund hat die Nagra am Dienstag in Stadel ein Büro eröffnet. Zwei Tage pro Woche soll die Bevölkerung dort direkt mit den Fachleuten der Nagra in Kontakt treten können.

Solidarität mit der Standortregion

Schweizweit betrachtet traut eine Mehrheit der Bevölkerung den Fachleuten zu, das Problem der Atommülllagerung lösen zu können. Leicht tiefer ist das Vertrauen in die Behörden und deren Fähigkeit, das Problem auch politisch umsetzen zu können. Eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung zeigt sich solidarisch mit der Standortregion und ist grundsätzlich einverstanden damit, dass die Gemeinden im Gebiet Nördlich Lägern für den Bau und den Betrieb des Lagers entschädigt werden. «Die Wahrnehmung, dass eine Region, die in die Bresche springt, etwas zugute hat, ist weit verbreitet», sagt Studienleiter Urs Bieri von GFS Bern.

Die Nagra will im November dieses Jahres die Bewilligungsgesuche beim Bund einreichen. Danach – wohl frühestens 2029 – entscheiden Bundesrat und Parlament über den definitiven Standort für das Endlager. Kommt es zu einem Referendum, hat die Stimmbevölkerung das letzte Wort. Die Bauarbeiten sollen ab 2034 starten und bis 2050 andauern. Erst dann, so plant es die Nagra, können schwach- und mittelaktive Abfälle eingelagert werden. Die hochaktiven Abfälle sollen gar erst zehn Jahre später ins Tiefenlager gebracht werden.

Aktuell werden die radioaktiven Abfälle aus der AKW-Stromproduktion im Zwischenlager in Würenlingen (AG) sowie in einem Lager auf dem Gelände des AKW Beznau deponiert.