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Wolfsrisse in der Region häufen sich – Jagdexperte sagt: «Wir müssen uns nicht mit einer Regulierung beschäftigen»

Im Aargau hat ein Wolf Ende des letzten Jahres wohl mehrere Schafe gerissen. Auch in Deutschland sind nahe der Grenze zum Aargau zwei Rinder gerissen worden. Was bedeutet das eigentlich für die Zusammenarbeit beider Länder? 

Kurz vor Jahresende sind im Aargau mehrere Nutztiere tot aufgefunden worden. Zumindest in einem Fall in Rothrist wurde der Wolf als Übeltäter identifiziert, wie entnommene DNA-Proben zeigen. Ob das Raubtier auch für weitere Risse in der Region Zofingen zur selben Zeit verantwortlich ist, ist noch bestätigt.

In Murgenthal verletzte ein Tier drei Schafe tödlich, fünf weitere mussten später erlöst werden. Besonders tragisch dabei, die acht Tiere waren trächtig. Der Schaden für den Schafshalter belief sich dort auf rund 15’000 Franken. Schnell wurden Forderungen laut, den Wolf abzuschiessen oder gar auszurotten.

Während drei Schafe auf der Weide totgebissen wurden, musste der betroffene Schafhalter fünf weitere Tiere wegen der schweren Verletzungen durch den Raubtierangriff erlösen.
Bild: Tele M1
Der Kanton Aargau geht davon aus, dass ein Wolf die Schafe gerissen hat.
Bild: Tele M1

Bild: Tele M1
Dieses Schaf wurde am Montag, 18. Dezember, in Rothrist gerissen.
Bild: zvg

Christoph Hagenbuch, SVP-Grossrat und Aargauer Bauernpräsident, sagte im Dezember zur AZ, dass die Wölfe «sofort eliminiert werden müssen, wenn sie angreifen». Erwin Osterwalder, kantonaler Fachspezialist Koordination Jagd, sagt dazu gegenüber ArgoviaToday: «Wir müssen uns bewusst sein, dass wir uns im Aargau aktuell nicht mit einer Wolfsregulierung beschäftigen müssen».

Wolfswelpe an Weihnachten überfahren

Auch ennet der Grenze in der Gemeinde Bernau haben Wölfe Rinder gerissen. Das haben die Untersuchungen genetischer Proben im Dezember gezeigt. In dieser Region sind seit 2023 wieder Wölfe ansässig, sogar eine Welpe war zur Welt gekommen. Allerdings soll dieser während der Weihnachtsfeiertage bei Schluchsee von Schweizern überfahren worden sein.

Es war der erste bekannte Wolfsnachwuchs seit rund 150 Jahren. Es sei demnach damit zu rechnen, dass es erst im Mai 2024 wieder Nachwuchs geben wird, teilt Felix Böcker, Leitung Fachbereich Monitoring der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) gegenüber ArgoviaToday mit.

Im Jahr 2015 war der erste Wolf wieder in Baden-Württemberg nachgewiesen worden, das Tier stammte aus der Schweiz. «Der Rhein ist für einen Wolf sicherlich kein Hindernis», erklärt Reto Fischer, Fachspezialist Jagd vom Kanton Aargau.

Daher könne es vorkommen, dass ein Wolf die Grenze passiere und sowohl im Aargau als auch in Baden-Württemberg umher wandere. «Die Tiere können mehrere Hundert bis über Tausend Kilometer zurücklegen, wenn sie auf der Suche nach einem geeigneten Lebensraum oder einem geeigneten Partner sind», so Felix Böcker.

Länderübergreifender Austausch in Planung

Sollte ein Wolf aus Baden-Württemberg im Aargau ein Nutztier reissen, werden die zuständigen Behörden informiert. Ein fachlicher Austausch der FVA mit der Stiftung Kora – diese leitet im Auftrag des Bundes das Wolfsmonitoring – und den angrenzenden Kantonen besteht bereits. «Bei Entwicklungen zum Wolf, Luchs, Bären als auch Goldschakal, die aus fachlicher Sicht für relevant gehalten werden, informieren sich die Nachbarländer», sagt Böcker.

Das bestätigt auch Fischer: «Ein regelmässiger Austausch mit Baden-Württemberg fand bereits bei anderen Wildarten statt und ist organisiert.» In Sachen Wolf sei dieser mit der FVA in Planung, allerdings noch nicht umgesetzt.

Wann dieser umgesetzt werden kann, ist allerdings unklar und könne nicht vorausgesagt werden, erklärt Osterwalder. Das liegt vor allem daran, dass das neue Jagdgesetz bisher noch nicht in Kraft getreten ist. «Wir müssen noch abwarten, was der Bund dann beschliesst.» Laut revidiertem Jagdgesetz dürfen in der Schweiz Wolfsbestände unter bestimmten Voraussetzungen reguliert werden.

Erwin Osterwalder, kantonaler Fachspezialist Koordination Jagd
Bild: Janine Gloor

Unterschiedliche Regelung in Deutschland

In Baden-Württemberg sind die Voraussetzungen jedoch andere. «Daher werden wir uns dahingehend schon absprechen, allerdings ist der Kanton oder das Land für den Wolf zuständig, wo er Nutztiere reisst und nicht, wo er registriert ist», sagt Osterwalder. «Wir können bereits proaktiv in den Bestand eingreifen, während das in Baden-Württemberg derzeit nicht der Fall ist.» Allerdings wurde auch in Baden-Württemberg kürzlich eine neue Regelung beschlossen, um einen Problemwolf abzuschiessen, wie das «SWR» berichtet.

«Allerdings ist das aber eher eine rollende Planung. Bis vor wenigen Jahren war der Wolf im Aargau noch gar kein Thema. Mittlerweile haben wir doch regelmässig ‹Durchzügler› im Kompartiment Jura, zu dem wir hier gehören», fügt Osterwalder an. Für ein effizientes Wolfsmanagement hat der Bund die jeweiligen Kantone in solche Kompartimente eingeteilt.

«Und mit denen sind wir bereits im Austausch – die Tierkommunikation läuft da sehr gut.» Dazu wird der Kanton auch mit der FVA im Austausch bleiben, was mit dem Wölfen im Südschwarzwald passiert.

Die Wolfspopulation in der Schweiz nimmt exponentiell zu. Das stellt insbesondere die Alpwirtschaft mit Schafen und Ziegen vor grosse Herausforderungen. Um den Wolfsbestand in der Schweiz rasch unter Kontrolle zu bringen und das Zusammenleben von Mensch und Wolf zu ermöglichen, hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 1. November 2023 eine Anpassung der Jagdverordnung gutgeheissen. Seit dem 1. Dezember 2023 ist nun unter klar definierten Bedingungen die präventive Regulierung von Wolfsrudeln zur Verhütung zukünftiger Schäden erlaubt.

Auch mit dem revidierten Jagdgesetz bleibt der Wolf eine geschützte Art. Deshalb dürfen die Kantone nur in begründeten Fällen ganze Rudel entfernen.

Der erste Teil der revidierten Jagdverordnung wird vorerst befristet in Kraft gesetzt. Der Bundesrat wird die nun beschlossenen Bestimmungen zur Rudel-Regulierung zusammen mit der restlichen Umsetzung des neuen Jagdgesetzes im Frühjahr 2024 in die Vernehmlassung geben. Das gesamte Paket soll dann am 1. Februar 2025 definitiv in Kraft treten. (Quelle: Bundesamt für Umwelt BAFU)