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Klappt es dieses Mal? Elon Musk testet zum zweiten Mal seine Super-Rakete 

Am Samstag soll die grösste und leistungsstärkste je gebaute Rakete ins All starten. Beim ersten Test, der diesen April stattgefunden hat, ging das Starship-Raketensystem nach kurzer Zeit in Flammen auf. Spannung ist also garantiert.

Im April diesen Jahres hat das private Raumfahrtunternehmen SpaceX von Elon Musk den ersten vollständigen Test des Starship-Systems durchgeführt. Zuvor waren die einzelnen Komponenten bereits unabhängig voneinander erfolgreich getestet – mit, wie in der Raumfahrt üblich, einigen Fehlschlägen. Und auch der Versuch im April ist letztlich gescheitert: Nur wenige Minuten nach dem Start explodierte die Super-Rakete in der Luft.

Der Chef der US-Raumfahrtbehörde Nasa, Bill Nelson, kommentierte den Fehlversuch damals mit den Worten: «Jede grosse Errungenschaft der Geschichte hat ein gewisses kalkuliertes Risiko gebraucht, denn mit grossem Risiko kommen grosse Belohnungen. Wir freuen uns auf all das, was SpaceX für den nächsten Startversuch lernt – und darüber hinaus.»

Nun soll es denn auch tatsächlich gelingen: Am Samstagnachmittag öffnet sich ein 20-minütiges Startfenster um 14 Uhr Schweizer Zeit, wie SpaceX mitteilte. Eine Liveübertragung soll demnach etwa 35 Minuten vor dem Start beginnen.

Mit Superlativen wird nicht gespart

Geht es um Starship, sparen Fachleute nicht mit Superlativen: Ausdrücke wie Super-Raumschiff, Paradigmenwechsel, ein grosser Sprung für die Menschheit liest und hört man. Was löst diese Begeisterung aus? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Musks mächtiger Rakete.

Wieso soll der Test dieses Mal gelingen?

Nach der Starship-Explosion kündigte SpaceX umgehend an, dass es sich dabei nicht um einen Misserfolg handle. Sondern um einen Gewinn von wertvollen Erkenntnissen für den nächsten Versuch. Tatsächlich hat das Unternehmen 63 Korrekturmassnahmen ergriffen. Diese Massnahmen verlangte die US-amerikanische Luftfahrtbehörde FAA, nachdem sie das Unglück eingehend untersucht hatte.

Sie bestand unter anderem auf einer Umgestaltung der Fahrzeug-Hardware zur Verhinderung von Lecks und Bränden, die Umgestaltung der Startrampe zur Erhöhung ihrer Robustheit, die Einbeziehung zusätzlicher Überprüfungen in den Konstruktionsprozess, zusätzliche Analysen und Tests sicherheitskritischer Systeme und Komponenten, einschliesslich des autonomen Flugsicherheitssystems.

Wie läuft der Testflug ab?

Der Raketenkoloss wird mit einem Startgewicht von 5000 Tonnen vom unternehmenseigenen SpaceX-Weltraumbahnhof in Boca Chica im Süden von Texas abheben. Das System besteht aus zwei Teilen – Trägerrakete und Raumschiff. Die Rakete, die sogenannte Super Heavy, ist mit 33 Antrieben ausgestattet und soll die Raumfähre, das eigentliche Starship mit sechs eigenen Antrieben, ins All befördern. Betrieben wird das System mit flüssigem Methan und Sauerstoff.

Für den Testflug ist geplant, dass die Super Heavy für wenige Minuten lang zündet und sich danach, nach 2 Minuten und 41 Sekunden, von Starship trennt. Super Heavy soll dann nach ungefähr 7 Minuten Flugzeit kontrolliert im Golf von Mexiko wassern. Starship derweil wird sich weiter nach oben und in Richtung Osten bewegen. Noch im April war eine vollständige Erdumrundung geplant. Dieses Mal aber soll nach 90 Minuten Schluss sein und das Raumschiff soll in der Nähe der Hawaii-Inseln senkrecht im Pazifik landen.

Das heisst, ein kontrolliertes Auffangen des wiederverwertbaren Raketensystems an Land, wie dereinst geplant, ist bei diesem Test noch nicht vorgesehen. Ebenso wenig werden Nutzlasten mitgeführt.

Wie gross ist Starship?

Die Unterstufe, die Super Heavy, ist 69 Meter lang, die Oberstufe Starship 50 Meter. Zusammen genommen misst das Gefährt demnach 119 Meter. Zum Vergleich: Der Prime Tower in Zürich ist 126 Meter hoch. Den Rekord der grössten Rakete hält derzeit die pensionierte Saturn V der US-Raumfahrtbehörde Nasa inne, mit der Astronauten auf den Mond befördert wurden. Sie erreichte eine Höhe von 111 Metern.

Die europäische Trägerrakete, die Ariane 5, misst derweil nur 50 Meter. Ihre Nachfolgerin, die Ariane 6, ist zirka 60 Meter lang.

Wie leistungsstark ist Starship?

Starship wird einen Startschub von mehr als 7700 Tonnen erzeugen und damit mehr als doppelt so viel wie die derzeit schubkräftigste Schwerlastrakete. Das ist derzeit noch die von Boeing gebaute SLS-Mondrakete, die im Rahmen der Nasa-Mission Artemis 1 letzten November erstmals als unbemannte Testkapsel zum Mond flog.

In der Raumfähre Starship sollen bis zu 100 Menschen Platz finden. Das Volumen des nutzbaren Raums beträgt satte 1000 Kubikmeter, die Nutzlast 100 bis 150 Tonnen. Auf einer Veranstaltung erläuterte Musk einmal, dass ein einziges Starship, das dreimal pro Woche startet, in einem Jahr mehr als 15 000 Tonnen Fracht befördern könnte. Das ist so viel wie die gesamte Fracht, die in der Geschichte der Raumfahrt bisher transportiert wurde.

Wieso ist Starship billiger als andere Raketen?

Das Recycling-Konzept von SpaceX ist revolutionär, und mit ihm schaffte es Musk bereits, die Kosten für die Raumfahrt massiv zu drücken – um mindestens den Faktor 10. Mit Falcon entwickelte das Team eine wiederverwendbare Rakete für Satellitenstarts und Frachtmissionen zur Internationalen Raumstation ISS. Das Konzept wird nun auf das Starship-Raumschiff übertragen.

Dereinst soll die Raketenstufe vom Turm der Startrampe in Boca Chica aufgefangen werden können und senkrecht am Boden landen. Auch Starship soll nach erledigter Arbeit auf der Erde landen und erneut wieder starten können.

Zudem setzt Musk beim Bau des Starship-Systems inzwischen auf eine Edelstahllegierung – ein Paradigmenwechsel in der Raumfahrt. Zunächst wollte SpaceX noch Kohlenstoff-Verbundwerkstoffe einsetzen, die aber um ein Vielfaches teurer sind. Auch eine Aluminiumlegierung, ein häufig genutztes Material für Trägerraketen, ist deutlich kostspieliger.

Wie viel wird ein Starship-Flug kosten?

Wie hoch die Startkosten für Starship aktuell genau liegen, hat Musk nicht offengelegt. Wenn man den Prognosen von SpaceX aber Glauben schenken darf, könnten die Kosten pro Kilogramm Fracht gemäss dem Magazin «Science» bei 10 Dollar liegen. Zum Vergleich: Bei der SLS-Rakete, die für Artemis 1 genutzt wurde, sind es 58 000 Dollar pro Kilo.

Manche Experten schätzen, dass ein einziger Artemis-Start insgesamt rund 4,1 Milliarden Dollar kostet. Musk zufolge könnte ein Starship-Flug in Zukunft ein paar Millionen Dollar oder vielleicht sogar nur 1 Million Dollar kosten.

Welche Aufgaben soll Starship einst übernehmen?

Nach Angaben des Unternehmens SpaceX soll Starship sowohl Menschen als auch Fracht in die Erdumlaufbahn, zum Mond, zum Mars und darüber hinaus befördern.

Eigentlich war der Plan, dass an Bord einer Starship im Rahmen der Dear-Moon-Mission noch Ende 2023 die ersten neun Weltraumtouristen auf einen Rundflug zum Mond zu geschickt werden sollen. Der japanische Milliardär und Kunstsammler Yusaku Maezawa wollte die sechstägige Reise finanzierten und mit acht Künstlern mitfliegen. Aufgrund der Schwierigkeiten wurde Dear Moon aber verschoben – voraussichtlich auf die späteren 2020er Jahre, sofern weitere Entwicklung und Erprobung gelingt. Auch die Nasa hat Interesse an Starship bekundet und will mit dem Raumschiff ihre Astronauten einst auf den Mond bringen.

Künstlerische Darstellung eines Starship auf dem Mond.
Bild: SpaceX

Es ist allerdings kein Geheimnis, dass der Mond für Musk nur ein Zwischenstopp und Trainingsgelände ist. Sein Ziel ist der Mars, wo er von einem Aussenposten für die Menschheit träumt. Um die Zivilisation vor dem Aussterben zu retten, will er den Menschen zu einer multiplanetaren Spezies machen.

Mit weniger Drama beladen klingt es aus der Welt der Wissenschaft, aber auch sie rechnet dank Starship mit Missionen, so extravagant wie bislang nur schwer vorstellbar. Denn mit der Super-Rakete liessen sich grössere und schwerere wissenschaftliche Instrumente ins All und auf andere Himmelskörper befördern als bislang denkbar. Und weil Starship wieder heil zur Erde zurückkehren soll, können auch grosse Mengen an ausserirdischen Proben in irdischen Labors analysiert werden.

Dieser Artikel erschien erstmals am 16. April 2023 und wurde den aktuellen Begebenheiten angepasst.