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Von «historisch» bis «lächerlich» – so gehen die Meinungen zum Klima-Urteil auseinander

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist auf die Beschwerde des Vereins Klimaseniorinnen eingetreten und hat eine Verletzung der Menschenrechtskonvention festgestellt. So reagieren Polit-Akteure und Organisationen.

Der EGMR ist in seinem am Dienstag öffentlich bekannt gegebenen Urteil zum Schluss gelangt, dass der Verein zur Beschwerde zugelassen ist, nicht aber die vier Einzelklägerinnen. Die Grosse Kammer hat die Schweiz wegen Verletzung von Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und 6 (Recht auf ein faires Verfahren) verurteilt.

Die Reaktionen auf das Urteil sorgen – Überraschung – für unterschiedliche Reaktionen aus der Schweizer Polit-Landschaft.

Bundesamt für Justiz

Auf Anfrage unserer Zeitung, meldete sich das Bundesamt für Justiz zum Fall: «Das Bundesamt für Justiz (BJ), welches die Schweizer Regierung vor dem Gerichtshof vertritt, hat vom Urteil der Grossen Kammer Kenntnis genommen. Dieses ist endgültig und muss umgesetzt werden.» Zusammen mit den betroffenen Behörden würden sie nun das umfangreiche Urteil analysieren und prüfen, welche Massnahmen die Schweiz für die Zukunft ergreifen müsse.

FDP

FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen schreibt auf X, dass das Urteil unverständlich sei.

GLP

Für den BernerGLP-Nationalrat Jürg Grossenist die Rüge der Strassburger Richter an die Adresse der Schweiz keine Überraschung: «Wir wissen, dass wir nicht genug für das Klima machen.» Es sei aber richtig, dass das nun auch international festgestellt worden sei.

Die Schweiz mit ihren hohen Klimaschulden und gleichzeitig vielen Mitteln in Sachen Technologie und Wissen müsse in Klimafragen ein Vorbild sein, sagte Grossen am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Und weiter: «Wir müssen unsere Hausaufgaben selber machen.»

Zentral dafür sei das am 9. Juni zur Abstimmung kommende Stromgesetz, das den Ausbau erneuerbarer Energien in Inland fördern will. Das CO2-Gesetz, das Grossen als «zahnlos» bezeichnet, sei dagegen ein Beispiel dafür, dass die Schweiz zu wenig mache in Sachen Klimaschutz. Das Gesetz sei jedoch «besser als nichts».

Laut Grossen braucht es insbesondere in den Kantonen weitere Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels. Er denkt dabei beispielsweise an die Förderung von Gebäudesanierungen.

Grüne

Klimastreik Schweiz

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nimmt der Klimastreik die Schweizer Politik in die Pflicht. Der heutige Entscheid stelle den Parlamenten kein gutes Zeugnis aus, hiess es in einer Medienmitteilung am Dienstag.

«Weltweit werden heute die Klimaziele verfehlt. Dies hat einen direkten Einfluss auf unser Leben und das der zukünftigen Generation. Wenn wir über die Gerichte die Parlamente zwingen müssen, unsere Lebensgrundlagen nicht zu zerstören, ist dies zwar ein Armutszeugnis, aber ein notwendiges Übel», schreibt der Klimastreik.

«Wir erwarten vom Bundesrat und dem Parlament, dass alles in Gang gesetzt wird, um das weltweite Ziel einer Begrenzung des Temperaturanstiegs von 1,5 Grad einzuhalten» und «Wir können es uns nicht leisten, noch einmal zehn Jahre vor Gericht zu kämpfen, bis die Dringlichkeit der Klimakrise juristisch anerkannt und dementsprechend gehandelt wird», liessen sich verschiedene Vertreter des Klimastreiks im Communiqué zitieren.

SES

Die Schweizerische Energiestiftung SES bezeichnet das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu den Klimaseniorinnen als historischen Sieg. Das Urteil sei richtungsweisend, schrieb die SES auf X.

Damit sei nun offiziell, dass die Schweiz zu wenig getan habe, um die Bevölkerung in Bezug auf die Klimakrise zu schützen, so die SES.

SP

Die Zürcher Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP, Mattea Meyer, zeigt sich auf X dankbar für den Einsatz der Klimaseniorinnen. Die Entscheidung sei wegweisend für den Klimaschutz.

«Danke für euer hartnäckiges, erfolgreiches Dranbleiben für einen zukunftsfähigen Planeten», schrieb Meyer. In einem Communiqué der Partei legte sie noch einmal nach: «Dieses Urteil des höchsten europäischen Gerichts ist eine Ohrfeige für den Bundesrat.»

Und weiter: «Der Klimaschutz und eine sichere Energieversorgung sind die grössten Aufgaben unserer Generationen. Wir müssen den ökologischen Umbau der Schweiz mit öffentlichen Investitionen vorantreiben.»

SVP

SVP-Nationalrat Mike Egger(SG) bezeichnete das EGMR-Urteil am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA als «lächerlich». Es sei immer gefährlich, wenn Gerichte Politik machten.

Die Schweiz mache gute Umweltpolitik und investiere jedes Jahr Milliarden von Franken – mit Erfolg, sagte Egger. «Wir haben uns in vielen Punkten verbessert und den Treibhausgasausstoss pro Kopf und auch den Erdöl- und Stromverbrauch deutlich gesenkt.» Dies bestätigten Zahlen des Bundes.

Das Urteil aus Strassburg berücksichtige jedoch Aspekte wie die «massive Zuwanderung» in den vergangenen zwanzig Jahren nicht, sodass die in der Schweiz ergriffenen Massnahmen unterschätzt würden. Egger sieht aus diesen Gründen «definitiv keinen zusätzlichen Handlungsbedarf» nach der Rüge gegen die Schweiz. Umweltminister Albert Rösti habe bereits eine klare Strategie, wie er Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen angehen wolle.

Verein Klimaschutz

Für den Verein Klimaschutz bestätigt das heutige Urteil ein schon lange bestehendes Anliegen des Vereins. Die Schweiz mache nach wie vor zu wenig für den Schutz ihrer Bevölkerung vor den Folgen der Klimakrise.

«Das heutige Urteil bestätigt, worauf der Verein Klimaschutz schon lange hinweist», so der Verein auf X.

WWF

Der Sieg der Klimaseniorinnen vor dem Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist laut dem Umweltschutzverband WWF ein Erfolg für alle Generationen. Es sei ein weitreichender Präzedenzfall, schrieb WWF Schweiz auf X. «Offizieller geht’s kaum: Die Schweiz muss endlich handeln», so der Verband.

(watson.ch/ zfo)