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Reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist?

Es ist ein hektischer Tag und Ihr Sprössling redet ohne Punkt und Komma, als hätte er einen Energydrink zu viel erwischt. Plötzlich platzt es aus Ihnen heraus: «Halt doch mal dein Maul!» Ein Satz, der uns allen schon mal herausgerutscht ist, wenn uns der Geduldfaden reisst. Doch statt der erhofften Ruhe gibt es meist nur das ernüchternde Echo: «Halt du doch die Fresse!» Und da stecken Sie nun, im verbalen Ping-Pong, das niemand gewinnt. So kann es doch nicht weitergehen!

Offensichtlich ist in der Kommunikation zwischen Ihnen und Ihrem Kind etwas schiefgelaufen.  Es ist entscheidend, dass wir Erwachsenen erkennen, dass unsere Reaktion nicht optimal war. Hier kann die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) wirklich helfen, um den endlosen Schlagabtausch scharfer Worte zu beenden und stattdessen eine tiefere, empathische Verbindung zu Ihrem Kind aufzubauen. Die GFK lädt uns dazu ein, mit mehr Verständnis und Mitgefühl zu agieren.

Ursprünglich von Marshall Rosenberg entwickelt, fördert GFK eine Sprache der Empathie und des Verständnisses in der Erziehung. Anstatt impulsiv und verletzend zu reagieren, inspiriert uns die GFK dazu, innezuhalten und bedacht zu handeln. Es ermutigt uns, uns auf die Bedürfnisse und Gefühle aller Beteiligten zu konzentrieren, ohne Schuldzuweisungen und ohne Urteile. Das bedeutet, dass wir unsere Emotionen und Bedürfnisse klar und respektvoll ausdrücken können. Zum Beispiel indem wir sagen: «Es tut mir leid, ich merke, dass ich gerade wirklich gestresst bin. Lass mich einen Moment durchatmen und dann reden wir.» In einer solchen Stresssituation seine Worte bewusst zu wählen, braucht viel Übung – es lohnt sich aber auf jeden Fall, es immer und immer wieder zu versuchen!

Ein zentraler Bestandteil der GFK ist das aktive Zuhören, eine Kunst, die weit über das blosse Hören von Worten hinausgeht. Es erfordert Ihre volle Präsenz und Empathie. Es geht darum, sich ganz auf den Nachwuchs einzulassen, seine Gefühle zu erkennen, zu benennen und zu respektieren. Aufmerksames Zuhören beginnt damit, sich hundertprozentig auf das Kind zu konzentrieren, Ablenkungen zu minimieren und echtes Interesse zu zeigen. Augenkontakt auf Augenhöhe und unterstützende nonverbale Signale wie Nicken sind kraftvolle Zeichen, die Ihrem kleinen Menschen zeigen, dass Sie bereit sind, ihm wirklich zuzuhören. Anstatt sofort mit Ratschlägen zu antworten, wiederholen Sie, was Sie gehört haben. Beispielsweise könnten Sie sagen: «Es klingt, als wärst du wirklich traurig darüber, dass deine Freundin heute nicht mit dir spielen konnte.» Diese Technik stellt sicher, dass Sie die Botschaft richtig verstanden haben und gibt Ihrem Kind die Gelegenheit, zu bestätigen oder zu korrigieren, was es gesagt hat. Geduld ist ebenfalls entscheidend. Manchmal braucht es Zeit, bis jemand seine Gedanken vollständig formuliert hat. Lassen Sie Pausen zu und vermeiden Sie Unterbrechungen.

Eltern sind die ersten Vorbilder ihrer Zöglinge. Wie Sie kommunizieren, beeinflusst massgeblich, wie Ihr Kind mit anderen spricht. Wenn Sie selbst in stressigen Situationen ruhig und respektvoll bleiben, lernt Ihr Kind, dass es möglich ist, Konflikte friedlich zu lösen. Laut einer Studie aus dem «Journal of Child Psychology» aus dem Jahr 2024, entwickeln Kinder, deren Eltern Gewaltfreie Kommunikation praktizieren, tendenziell eine höhere emotionale Intelligenz. Sie verstehen ihre eigenen Gefühle besser und reagieren einfühlsamer auf die Gefühle anderer. Indem Sie die Gewaltfreie Kommunikation in Ihrer Familie kultivieren, säen Sie nicht nur den Samen für einen harmonischen Alltag, sondern lassen auch einen Garten voller Liebe und Respekt für die Zukunft erblühen. Und nun halte ich den Schnabel und lasse Sie darüber nachdenken.

*Pascale Erni, Kinder- und Jugendcoach, Elternbildnerin CAS und dipl. Fachfrau für autogenes Training. In der ZT-Kolumne «Menschenskinder!» schreibt sie regelmässig über Erziehungsfragen.www.jugendcoaching-pe.ch

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