
Mit Geni Hasler in der eidgenössischen Arena: Die Nordwestschweizer Schwinger stimmen sich auf das Saisonhighlight ein
Die Stimmung im Nordwestschweizer Team ist gut. Noch ist nichts zu spüren von jener Anspannung, die dieser Ort in gut zwei Wochen in den Schwingern auslösen wird. Noch ist die gigantische Arena in Mollis fast leer. Einzig die schiere Grösse des Geländes lässt erahnen, was los sein wird, wenn hier am 30. und 31. August das Eidgenössische stattfindet.
An diesem Samstag sitzen nur ein paar wenige Besucher oben auf den Tribünen, die eigentlich 56’500 Menschen Platz bieten. Die wenigen, die da sind, haben eine Baustellenführung gebucht. An reguläre Tickets für das Eidgenössische kommen die meisten nicht ran. Die begehrten Plätze gehen an die Schwingklubs – und in immer grösserer Anzahl an die Sponsoren.
Darum gilt: Besser Baustelle als gar nichts. Seit dem 8. und noch bis zum 27. August können Interessierte ihren Slot zu jeder vollen Stunde buchen. Kostenpunkt: 25 Franken. Dafür gibt es eine 90-minütige Führung, Helm und Weste (geliehen) und pro Teilnehmer ein Mineralwasser, 50 Zentiliter.
Im Trainingslager auf dem Kerenzerberg
Auf Schwinger zu treffen, gehört nicht zum Programm. Zumindest in den allermeisten Fällen. An diesem Samstag ist das anders. Unten in der Arena machen sich die Nordwestschweizer gerade für ein Foto bereit. Das Team verbringt das Wochenende in einem Trainingslager auf dem Kerenzerberg. Da liegt ein Besuch der eidgenössischen Arena und des Festgeländes nahe.
In den ersten Kehren hoch in das Glarner Erholungsgebiet, in dem einst der ehemalige Abfahrts-Weltmeister Patrick Küng das Skifahren lernte, sieht man noch gut auf den gigantischen Festplatz auf dem Flugplatz von Mollis. «Ich musste aufpassen, dass ich vor lauter Staunen nicht plötzlich die Kurven verpasse», sagt Luis Hasler. Der 23-jährige Fricktaler ist das erste Mal an einem Eidgenössischen dabei. Das kann schon einfahren.
Etwas weiter oben ist dann nichts mehr zu sehen. Auch während des Eidgenössischen werden die Nordwestschweizer Schwinger auf dem Kerenzerberg wohnen. Weit weg vom grossen Rambazamba. Das hilft, den Fokus zu bewahren. Trubel wird es in der Arena genug geben.
Aber noch nicht jetzt. Oder nur ein kleines bisschen. «Hey Sinisha», ruft einer der Glücklichen, dessen Baustellenführung gerade ankommt, als die Nordwestschweizer für das Foto posieren, von der Tribüne: «Ich find dich im Fall super!» Keiner hört dies öfter als der 19-Jährige. Egal, wo Sinisha Lüscher auftaucht, die Menschen sind begeistert. «Es wird immer mehr», sagt Lüscher. «Teils werde ich schon in Zürich auf der Strasse erkannt.»

Bild: Martin Probst
Insgesamt dreissig Schwinger aus der Nordwestschweizdürfen in zwei Wochen am Eidgenössischen antreten. Die Anzahl berechnet sich aufgrund der Grösse des Teilverbands. Und da schwingen die Nordwest- und die Südwestschweizer deutlich hinterher. Die Berner kommen auf 63, die Nordostschweizer auf 67 und die Innerschweizer sogar auf 78 Schwinger.
Umso beeindruckender ist, dass die kleine Nordwestschweizer Delegation vor drei Jahren in Pratteln sieben der 44 eidgenössischen Kränze gewann. Auch dieses Mal? Guido Thürig, der Technische Leiter des Teilverbands, sagt: «Vor der Saison hätte ich das ganz klar unterschrieben.» Und jetzt? «Das Ziel muss weiterhin hoch sein. Aber die Realität hat sich verändert.»
Es gibt auch gute Nachrichten
Mit den Brüdern Andreas und Lukas Döbeli sowie Tobias Widmer fehlen gleich drei Nordwestschweizer Eidgenossen in Mollis verletzt. Und mit Patrick Räbmatter hat ein vierter seine Karriere in diesem Jahr beendet.
Immerhin gibt es auch gute Nachrichten. Die Zwillinge Jan und Tim Roth, die sich beide im Verlauf dieser Saison das Syndesmoseband gerissen haben, laufen wieder rund durch die Arena. Tim sagt: «Ein Training unter Ernstbedingungen steht unmittelbar bevor.» Bruder Jan hat ein solches bereits hinter sich. Es sieht also sehr gut aus für eine Teilnahme in Mollis.
Als sich die Nordwestschweizer zu Beginn des Abends treffen, wartet Geni Hasler auf sie. Der ehemalige Innerschweizer Spitzenschwinger hat sich extra Zeit genommen, um sie herumzuführen, obwohl er eigentlich keine hat. Ob im Kern-OK oder im Trägerverein, ob als Botschafter oder Muni-Götti – Hasler ist überall dabei. «Ich kann schlecht nein sagen», sagt er.

Bild: Martin Probst
Nun ist Hasler also auch noch Reiseleiter. Ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Omen ist, wird sich weisen. Man kann es so oder so sehen. Zweimal stand der heute 60-Jährige an einem Eidgenössischen im Schlussgang (1989 und 1995) – und nur schon die Teilnahme im letzten Kampf, im Duell, das den König definiert, wäre ein grosser Erfolg für den Nordwestschweizer Verband. Doch Hasler hat auch zweimal verloren.
Heute blickt er durchaus mit einer gewissen Lockerheit auf diese Niederlagen zurück. «Vielleicht nehmt ihr ja dafür den König mit nach Hause», sagt er zu den Schwingern. Der letzte Nordwestschweizer, dem das Kunststück gelang, ein Eidgenössisches zu gewinnen, war Max Widmer. Der mittlerweile verstorbene Solothurner wurde 1958 König.
Dass es in Mollis einen Nordwestschweizer König gibt, wird nicht leicht. Die Favoriten sind andere. Die Berner um Fabian Staudenmann, die Nordostschweizer um Samuel Giger oder die Innerschweizer mit Joel Wicki. Doch aufgepasst: Vor drei Jahren belegte Nick Alpiger den zweiten Rang und hatte im siebten Gang sogar die Chance auf den Schlussgang.
Und auch die Formkurve spricht für die Nordwestschweizer. Auf dem Brünig und zuletzt am Nordwestschweizerischen zeigten die Schwinger ihre Stärke. Alpiger unterlag in Lenzburg erst im Schlussgang Damian Ott. Er sagt: «Vielleicht ist es ganz gut, dass ich den Zenit noch nicht erreicht habe.» Es ist eine kleine Kampfansage. Verstecken müssen sie sich nicht.
Unterschätzt werden die Nordwestschweizer nicht
Später kommen die Nordwestschweizer im Gabentempel vorbei. Und auch die Lebendpreise sind bereits ausgestellt. Gemütlich liegt Sieger-Muni «Zibu» vor einem grossen Ventilator und kaut Stroh. So angenehm wie er haben es nicht alle. Nur das Büro der Einteilung ist ebenfalls klimatisiert.

Bild: Martin Probst
Was aber braucht es, damit dieses mächtige Tier am 31. August tatsächlich einem Nordwestschweizer übergeben wird? Hasler sagt: «Ihr habt ein junges Team, vielleicht werdet ihr unterschätzt.» Thürig glaubt das nicht. «Die Gegner wissen, was wir können.» Auf das Überraschungsmoment werden die Nordwestschweizer Schwinger in Mollis nicht bauen können.