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Wieso kritisiert eigentlich niemand Roger Federer?

Von den Medien wird das «Produkt» Roger Federer sehr liebevoll behandelt, um nicht zu sagen unkritisch. Man darf schon ein paar Fragen stellen.

«Federer ist Milliardär» – schrieb die NZZ vor Wochen im Wirtschaftsteil. Das ist schön für ihn und mir eigentlich egal. Ich werde nie so alt, dass ich On-Schuhe tragen werde. Was mir aber dann weiter am NZZ-PR-Text für Federer auffiel (und nicht mehr egal ist), lässt sich so formulieren: Das Blatt behauptet (und es müsste die Wahrheit ja kennen, oder?), Federer arbeite seit Jahren mit «sorgfältig kuratierten Marken» wie namentlich der UBS zusammen. Er präsentiere «Makellosigkeit und Luxus». Nun, das mag sein, aber er war seit 2009, also während der ganzen auffälligen und unvergesslichen Ära Rohner, der Sponsoringpartner der Credit Suisse und nicht der UBS. Und dass die CS selbst Makellosigkeit repräsentiert hätte, das kann, und wird, keiner ernsthaft behaupten.

Federer hatte die CS (und nicht die UBS) als Sponsor und hat nie Distanz bezogen zu dieser Bank nach deren vielen grossen Skandalen, auch nicht im krassen Fall Mosambik, obwohl sich seine Stiftung in Afrika engagiert. Dies hat man so zur Kenntnis genommen wie auch ein paar andere Auffälligkeiten, etwa hinsichtlich seiner im Bau befindlichen Liegenschaft. Dass er nie anecke, wird diesbezüglich auch ausgeführt, wobei zu sagen ist, dass man sein steuersparendes Manöver auch nicht sehen will. Bei jedem Banker heult der Boulevard auf und beschämt die entsprechenden Akteure öffentlich (um des schieren Vergnügens willen).

Nett durch Schweigen

Federer scheint keine Meinung gehabt zu haben zu den unzähligen Skandalen der CS und wenn doch, hat er sie nicht geäussert. Das kann Teil einer bewussten Inszenierung gewesen sei. Nett durch Schweigen. Man kann das auch als ausserordentlich geschmeidig und konturlos bezeichnen und lieber jemanden mit Ecken und Kanten bevorzugen.

Beim Sponsoring geht es um Imagetransfer. Imagetransfer durch Sponsoring ist gemäss KI die Übertragung des Images des Gesponserten auf den Sponsor, durch das gemeinsame Auftreten beider Transferpartner im Rahmen von Sponsoring-Massnahmen. Dazu zählte wohl auch die Tatsache, dass die Roger Federer Foundation die CS als Hausbank hatte. Federer war also, um es auf den Punkt zu bringen, Markenbotschafter einer Bank, bei der man angesichts der belegten Fakten nicht einmal mehr von zweifelhaftem Ruf sprechen konnte. Das Gebaren der CS war unterirdisch. Er vertrat dieses Institut als Imageträger trotzdem, warb für die Bank, war das Gesicht der Bank und seine Leistung hatte einen hohen finanziellen Wert für ihn.

Federer wusste um die Skandale

In der Funksprache heisst «roger» oder «roger that», dass man die Nachricht empfangen und verstanden hat. Federer wusste um die Skandale der Bank. Es ist müssig, darüber zu diskutieren, ob man von ihm ein anderes Verhalten hätte erwarten dürfen. Es ist so, wie es ist. Jedenfalls sind Widersprüche ganz offensichtlich, wenn man die Mosambik-Affäre mit einbezieht.

In einer Zeit, in der die öffentliche Demütigung gerade in den Medien und erst recht in deren Online-Kommentaren (sofern vorhanden) als Zeichen der Macht verwendet wird, sind solche Legendenbildungen, zu denen auch die NZZ durch das Verschweigen des CS-Sponsorings beiträgt, ein Thema. Das ist unseriös und trägt zur Verklärung des jederzeit perfekten Gentlemans bei, der Federer sein möchte. Er war zuvor nie Markenbotschafter der UBS und wurde es nur aus sattsam bekanntem Anlass durch den Tod der CS.

Kein Grund, etwas zu beschönigen

Im Übrigen gab es schon Jahre vor dem Tod der CS immer wieder Ansinnen aus verschiedenen Kreisen, Roger Federer möge sich von den Geschäftspraktiken der CS distanzieren, was er aber nie tat – dies wohl, um seinen Ruf nicht zu beschädigen. Welchen Ruf als wer und was? Es muss die Frage erlaubt sein, was es für den Ruf bedeutet, wenn man eben sehr angepasst und schweigend in der Öffentlichkeit als Imageträger für die CS aufgetreten ist – gut bezahlt. Ich hätte mehr Haltung bevorzugt.

Haltung manifestiert man nicht mit Lifestyle. Es ist auch niemand verpflichtet, sich politisch zu äussern. Aber darum geht es mir nicht. Roger Federer gehörte zur Elite der Tennisspieler – unbestrittenermassen. Er ist wohlhabend, sehr sogar. Aber mehr ist nicht dahinter. Ein sonstiges öffentliches Profil ist nicht erkennbar. Und es gibt gar keinen Anlass, biografische Fakten zu verschweigen oder schönzureden. Wenn sich Medien hier zu «Buddies» von Federer machen, ist das ein Grund, an ihrer Unabhängigkeit zu zweifeln.

*Monika Roth ist Professorin und selbstständige Rechtsanwältin.