
Schweiz soll der Ukraine keine Waffen «wegkaufen»
Die militärische Lage der Ukraine ist gelinde gesagt ungemütlich. Und am Montag kündigte die US-Regierung von Präsident Donald Trump an, dem von Russland angegriffenen Land vorerst keine Waffen mehr zu liefern. Die Schweiz wiederum weigert sich, Drittstaaten auch nur die Weitergabe von Kriegsmaterial an die Ukraine zu erlauben.
Der Bundesrat beruft sich dabei auf das Neutralitätsrecht und das vor wenigen Jahren verschärfte Kriegsmaterialgesetz. Seit zwei Jahren müht sich das Parlament mit dem Versuch ab, es zugunsten der Ukraine zu lockern, bislang ohne greifbares Ergebnis. Nun aber wartet der frühere Grünen-Präsident Balthasar Glättli mit einem neuen Vorschlag auf.
Die Schweiz solle der Ukraine «nicht die Waffen wegkaufen, die sie dringend braucht», heisst es im Entwurf einer Motion, die der Zürcher Nationalrat diese Woche einreichen will. Konkret will Glättli den Bundesrat beauftragen, Liefertermine für Rüstungsgüter mit anderen Ländern abzutauschen, mit dem Ziel, die Lieferung an die Ukraine «zeitlich zu priorisieren».
Nachfrage erheblich gestiegen
Den konkreten Hintergrund bildet die Tatsache, dass «die Nachfrage nach Rüstungsgütern weltweit erheblich gestiegen» ist, wie der Bundesrat letztes Jahr auf eine Anfrage von Balthasar Glättli schrieb. Dies führe zu teilweise massiven Preissteigerungen. Und ein Ende ist nicht in Sicht: Angesichts des drohenden Rückzugs der USA will Europa im grossen Stil aufrüsten.
Die Ukraine droht dabei unter die Räder zu geraten. Glättli, der seit Januar der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) angehört, schlägt deshalb vor, dass die Schweiz Beschaffungen aufschiebt, zugunsten von Ländern, die «der Ukraine Rüstungsgüter zur Verfügung stellen». In der Motion verweist er auf einen «Präzedenzfall» vom letzten Oktober.
«Mit der Neutralität vereinbar»
Das Verteidigungsdepartement VBS genehmigte damals ein Gesuch aus Deutschland, die Liefertermine eines Teils der Panzerabwehrlenkwaffe RGW90 abzutauschen. Die letzte Tranche soll demnach erst 2026 geliefert werden, ein Jahr später als vereinbart. «Der Abtausch ist mit der Neutralität vereinbar», betonte das VBS in einer Mitteilung.
Die Systeme würden sich «zu keinem Zeitpunkt in der Schweiz befinden, weshalb sie nicht unter die Ausfuhrbestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes fallen», hielt das VBS fest. Im Juni 2022 hatte die Schweiz bereits eine entsprechende Anfrage aus Grossbritannien für eine verzögerte Beschaffung von schwedischen Mehrzweckwaffen positiv beantwortet.
Mehr als Symbolpolitik
Der Vorstoss erstaunt, denn die Grünen waren bislang als «Hardcore-Pazifisten» aufgetreten. Der ehemalige Parteipräsident sieht darin keinen Widerspruch: Seine Motion sei «zu 150 Prozent kompatibel mit dem Neutralitätsrecht», betonte Glättli im Gespräch mit watson. Und der heisse Krieg finde «in der Ukraine statt, nicht in den Schweizer Armeelogistikzentren».

Bild: Keystone
Erst kürzlich hatten sich die Grünen in einem offenen Brief «schockiert» gezeigt über die aus ihrer Sicht unterwürfige Reaktion von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (FDP) auf die Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance an der Münchner Sicherheitskonferenz. Doch damit sei es nicht getan, meint Glättli: «Es muss über das Symbolische hinausgehen, gerade jetzt, wo Trump die Ukraine fallen lässt.»
Schweiz muss auf Patriots warten
Offen ist, wie der Bundesrat reagieren wird. Glättli meint, er könnte sich auf den Standpunkt stellen, über jedes Gesuch einzeln entscheiden zu wollen. Das betrifft nicht zuletzt die Forderung, auch mit Ländern abzutauschen, die einen direkten Angriff von Russland befürchten müssen, etwa Polen und die baltischen Staaten. Glättli hofft aber, dass der Bundesrat bereit ist, aus den bisherigen Einzelfällen eine generelle Praxis zu entwickeln.
Ohnehin wird die Schweiz auf dem überhitzten Rüstungsmarkt nicht prioritär behandelt, wie das VBS mehrfach betonte, wegen der geringen Stückzahlen, oder weil sie nicht Mitglied der NATO ist. Letztes Jahr beschied ihr die US-Regierung, sie müsse auf die bestellten Patriot-Luftabwehrsysteme länger warten. Erst sei die Ukraine an der Reihe.
Wie weiter unter Trump?
Sie leidet massiv unter den permanenten russischen Luftangriffen, weshalb dieser Entscheid nachvollziehbar ist. Unklar ist, wie es damit unter der Trump-Regierung weitergeht, doch die Schweiz darf nicht auf Schonung hoffen. Das zeigt auch die Kontroverse um den F-35-Kampfjet und die Frage, ob sich die USA an den vertraglichen Fixpreis halten werden.
Balthasar Glättlis Vorstoss aber könnte ein wichtiges Signal für das geschundene Land sein, gerade angesichts der aktuellen Turbulenzen, zu denen sich der Bundesrat zumindest nach aussen auffällig zurückhält. Vielleicht sorgt Donald Trump für eine Art «Frieden» oder Waffenstillstand, doch selbst damit würden sich für die Schweiz Fragen stellen.
Humanitäre Hilfe aufstocken
Armeechef Thomas Süssli hat im «Sonntagsblick» seine Bereitschaft erklärt, rund 200 Soldaten für eine Friedenstruppe in der Ukraine bereitzustellen. Die Reaktionen waren mit Ausnahme der SVP grundsätzlich positiv. Aus dem Parlament gibt es zudem Forderungen, die humanitäre Hilfe für die Ukraine an das Niveau vergleichbarer Länder anzupassen.
Nationalrat Fabian Molina (SP) und die Ständerätinnen Tiana Moser (GLP) und Marianne Binder (Mitte) haben entsprechende Vorstösse eingereicht. Die Aufstockung soll demnach «über eine ausserordentliche Ausgabe» erfolgen, unter Umgehung der Schuldenbremse. Der Bundesrat empfiehlt die Vorstösse nicht ganz unerwartet zur Ablehnung.